Deutsche Minderheit

Der lange Weg zu zweisprachigen Ortsschildern

Der lange Weg zu zweisprachigen Ortsschildern

Der lange Weg zu zweisprachigen Ortsschildern

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Hadersleben
Eine Woche lang war das erste zweisprachige Ortsschild Nordschleswigs in Hadersleben zu sehen, bevor Unbekannte es abbauten. In 20 Jahren ist nur wenig Bewegung in eine Umsetzung gekommen. Foto: Henning Bagger/Ritzau Scanpix

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Die Sprachencharta und die Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten setzen die Voraussetzungen für zweisprachige Ortsschilder, die sich die deutsche Minderheit in Nordschleswig wünscht. Es geht um mehr Sichtbarkeit. Vielerorts in Europa gibt es die Schilder bereits. Doch seit fast 20 Jahren rührt sich in den zuständigen Kommunen wenig. Ein Überblick.

Die Debatte über das Anbringen von zweisprachigen Ortsschildern in Nordschleswig ist fast so alt wie die rechtlichen Grundlagen, die eine solche Forderung der deutschen Minderheit überhaupt fundieren sollen.

Da ist zum einen die Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die vor etwas mehr als 25 Jahren ins Leben gerufen wurde. Mit ihr sollen die geschichtlich gewachsenen Sprachen der Minderheiten in Europa seit 1998 vertraglich geschützt und gefördert, kulturelle Traditionen und das Kulturerbe Europas gewahrt werden. Die Charta wurde vom dänischen Parlament am 8. September 2000 ratifiziert und trat zum 1. Januar 2001 in Kraft. Damit erklärt sich Dänemark bereit, weitreichende Bestimmungen des Vertrags auch auf die deutsche Minderheit in Nordschleswig anzuwenden.

Zum anderen gibt es da das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten aus dem Jahr 1995. Das Dokument, das Religionsfreiheit, Zugang zu den Medien, Förderung der eigenständigen Kultur und der Minderheitensprache rechtlich sichern soll, trat in Dänemark am 1. Januar 1998 in Kraft. Und darin gibt es den recht unmissverständlich formulierten Artikel 11. 

In Absatz 3 heißt es: „In Gebieten, die traditionell von einer beträchtlichen Zahl von Angehörigen einer nationalen Minderheit bewohnt werden, bemühen sich die Vertragsparteien im Rahmen ihrer Rechtsordnung, einschließlich eventueller Übereinkünfte mit anderen Staaten und unter Berücksichtigung ihrer besonderen Gegebenheiten, traditionelle Ortsnamen, Straßennamen und andere für die Öffentlichkeit bestimmte topografische Hinweise auch in der Minderheitensprache anzubringen, wenn dafür ausreichende Nachfrage besteht.“ 

Viel ist seither passiert, aber in der Frage um zweisprachige Ortsschilder, wie es sie vielerorts in Europa bereits gibt, herrscht Stillstand. 

Alle paar Jahre erneute Debatten

In der Vergangenheit waren die zweisprachigen Ortsschilder immer wieder in der Diskussion. Erstmals kochte die Debatte im Jahr 2004 hoch, als der damalige Hauptvorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hans Heinrich Hansen, gemeinsam mit dem damaligen „Nordschleswiger“-Chefredakteur Siegfried Matlok und BDN-Generalsekretär Peter Iver Johannsen den Wunsch nach einer doppelsprachigen Beschilderung äußerte. Es gab damals viel Kritik und Häme, wie er einmal in einem Kommentar schrieb

2007 wurde die Debatte erneut entfacht. Grund war damals, dass in Flensburg mehrsprachige Ortsschilder aufgestellt wurden. 

2015 dann stellte der damalige Bürgermeister der Kommune Hadersleben (Haderslev), H. P. Geil (Venstre), in Eigenregie ein zweisprachiges Ortsschild auf, das nach einer Woche jedoch von Unbekannten entfernt wurde.

Hadersleben
Der damalige Bürgermeister H. P. Geil vor dem dänisch-deutschen Ortsschild in Hadersleben Foto: Henning Bagger/Ritzau Scanpix

2020, im 100. Jubiläumsjahr der Grenzziehung, kam der Wunsch nach den Ortstafeln erneut auf. Hintergrund war ein Bericht des Europarates, wonach Dänemark einigen Verpflichtungen in Bezug auf die Rahmenkonvention und die deutsche Minderheit nicht oder nicht ausreichend nachkomme. 

2020 war es ebenfalls, als ein Vorstoß aus Hadersleben (Haderslev) diskutiert wurde und der Stadtrat darüber abstimmte. Fünf Jahre zuvor war eine entsprechende Abstimmung knapp gescheitert. Zur erneuten Abstimmung kam es nicht. Vielmehr wollte sich Geil mit seinen Amtskollegen in den drei anderen nordschleswigschen Kommunen abstimmen. 

Seither flammt die Diskussion immer wieder auf. Der Blick geht dabei auch nach Süden über die Grenze, wo etwa die Gemeinde Harrislee (Harreslev) zu Beginn des Jahres zweisprachige Ortsschilder aufstellte. 

Davon zeugen zahlreiche Artikel des „Nordschleswigers“, in denen sie vorkommen. Auswahl gefällig?

Drei Fragen an Harro Hallmann

Der Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen zur Schilderdebatte. 

Warum sind der Minderheit die zweisprachigen Ortsschilder so wichtig – geht es über einen symbolischen Akt hinaus?

„Die Fragestellung unterschätzt, welche Bedeutung Symbole haben. Symbole haben – leider – schon oft zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt. Sie sind emotional von hoher Bedeutung. Das gilt auch für die zweisprachigen Ortsschilder. Diese sind Symbole für Offenheit, Akzeptanz und Respekt, und sie zeigen – buchstäblich – dass es in Nordschleswig eben nicht nur Dänisch gibt, sondern auch eine deutsche Minderheit, die mit ihren Aktivitäten zum kulturellen Reichtum Nordschleswigs beiträgt.“

Wie erlebst du die bisherige politische und gesellschaftliche Debatte zum Thema, und wie bewertest du die Chancen auf Erfolg?

„Ich bin überzeugt davon, dass die Schilder kommen werden. Aber es dauert auch länger, als ich gehofft habe. Ich habe aber die Debatten um die Schilder über die letzten 15 Jahre intensiv verfolgt. Die Akzeptanz wächst von Jahr zu Jahr. Es gibt immer mehr positive Kommentare, etwa bei Facebook, und die negativen gehen fast immer in die Richtung ,Wir sind hier in Dänemark, hier soll es nur Dänisch geben'.“

Will die Minderheit in jedem nordschleswigschen Dorf zweisprachige Schilder – von Jordkirch bis Genner? Oder sollen nur die Hauptorte damit bedacht werden?

„Es wäre aus unserer Sicht sinnvoll, mit den vier Hauptorten zu beginnen. In einem nächsten Schritt könnte man dann dort zweisprachige Ortsschilder aufstellen, wo es Einrichtungen von uns gibt – eventuell dann, wenn diese sowieso ausgetauscht werden müssen.“

Kopenhagen: Kommunen müssen entscheiden

Bisherige Versuche aus der deutschen Minderheit, die für die Beschilderung von Orten zuständige Kommunalpolitik dazu zu bewegen, in kleinerer Schrift zum Beispiel das Wort Apenrade unter die dänische Bezeichnung Aabenraa auf Schildern am Ortseingang von Orten mit einem hohen Anteil deutscher Nordschleswiger anzubringen, sind an der öffentlichen Debatte gescheitert, der sich die Entscheidungsträgerinnen und -träger letztlich ergaben.

In Kopenhagen ist man der Ansicht, dass Ortsschilder eine kommunale Angelegenheit seien. Rechtlich geregelt ist es nicht. Und so hat sich bisher in den grenznahen Kommunen bislang keine Mehrheit gefunden.

EU will Verträge überarbeiten

Doch es könnte sich in den kommenden Jahren etwas ändern. Denn die EU überwacht bisher nicht, ob die Regierungen den Schutz ihrer Minderheiten gewährleisten. Das soll sich ändern, sagt das EU-Parlament. Die europäischen Verträge sollen modernisiert werden. „Der Kommission würde dann als Hüterin der Verträge im Prinzip die Aufgabe zukommen zu kontrollieren, ob die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung auch effektiv nachkommen und müsste dann gegebenenfalls, wenn dies nicht der Fall sein sollte, auch gerichtliche Schritte einleiten. Angehörige von Minderheiten könnten sich dann an die Kommission wenden, um etwaige Verstöße zu melden. Das könnte in bestimmten Ländern möglicherweise zu einer echten Verbesserung der Situation führen“, fasste der Jurist und Europarechtsexperte Thomas Hieber gegenüber dem „Nordschleswiger“ im November 2023 die Situation zusammen

Der Vorschlag des Parlaments sieht darüber hinaus die Einführung einer echten Kompetenz zum Schutze der Minderheiten vor. Die EU müsste auf dieser Grundlage der europäischen Sprachencharta und dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten beitreten. Die Europäische Union wäre dann dazu verpflichtet, die Minderheiten im Einklang mit diesen Abkommen zu schützen und könnte Maßnahmen ergreifen, um die Ausübung der Rechte der Angehörigen von Minderheiten zu erleichtern.

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