Neu in Nordschleswig

„Ich mache mir Sorgen, dass alle Deutschen in einen Topf geworfen werden“

„Ich mache mir Sorgen, dass alle Deutschen in einen Topf geworfen werden“

Sorge, dass alle Deutschen in einen Topf geworfen werden

Apenrade/Aabenraa
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Während es in Deutschland immer wieder Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gab, vertraute die dänische Bevölkerung den Vorgaben des Staates (Symbolbild). Foto: Unsplash/Kajetan Sumila

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Einwandern von Deutschland nach Dänemark: Günstige Hauspreise, die Nähe zum Meer, ein anderes Lebensgefühl. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen nach Nordschleswig auswandern. Eine Zuzüglerin erzählt, dass unter den Zugezogenen auch Personen sind, die mit den deutschen Corona-Maßnahmen oder mit der deutschen Politik nicht einverstanden sind. Diese Menschen bereiten ihr Unbehagen.

„In Dänemark gibt es auch Regeln, an die man sich halten muss.“ Diese Tatsache sollte niemanden überraschen. Doch manche Zugewanderte aus Deutschland wollen das nicht wahrhaben. Diesen Eindruck hat jedenfalls Sonja Fischer (Name von der Redaktion geändert). Die Frau, die selbst aus Süddeutschland ausgewandert ist, möchte aus persönlichen Gründen lieber anonym bleiben, hat sich aber mit dem „Nordschleswiger“ getroffen, um über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Im digitalen Dänemark sind die Bürgerin und der Bürger, die im Land leben oder arbeiten, mit einer Personennummer registriert, unter der der Staat Daten zu Steuerabgaben, Krankenversicherung und Arbeitsverhältnis sammelt. Informationen zu Grundstücken sind im Internet einsehbar, ob die Versicherung fürs Auto bezahlt ist, kann am Nummernschild abgelesen werden, Bargeld gibt es so gut wie gar nicht mehr.

Beunruhigende Gesprächsthemen

„Ich habe das Gefühl, einige tun sich schwer, etwas Vorgegebenes einzuhalten“ – die Rede ist von einigen Zuzüglerinnen und Zuzüglern, die nach Dänemark gekommen sind. Sonja Fischer ist beunruhigt über Gespräche, die sie in den Pausen in einer Sprachschule in Nordschleswig mitbekommt.

In den Pausen geht es um Corona, Politik und Verschwörungstheorien. „Einige von ihnen pochen darauf, dass in Deutschland zu viel Angst geschürt wird, dabei schüren sie selbst am meisten Angst“, so Sonja Fischer, der es nach eigenen Angaben schwerfällt, gegen die Meinung der anderen anzukommen.

Unzufrieden mit der deutschen Corona-Politik

Im Laufe ihrer Zeit in Dänemark hat sie unterschiedliche Charaktere unter den Zugezogenen kennengelernt: Corona-Leugnerinnen und -Leugner, Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben sowie Querdenkende.

Dass es Zugezogene gibt, die in Deutschland mit dem Umgang der Pandemie nicht einverstanden waren, hat auch Ursula Petersen, Abteilungsleiterin vom Sozialdienst Nordschleswig, kürzlich bestätigt: „Es gibt die, die in Deutschland vor Corona geflüchtet sind, und es gibt die, die einen sehr naiven Zugang zu Dänemark haben. Die haben in Deutschland alles verkauft und schaffen es allerdings nicht, in Dänemark Fuß zu fassen.“

Nicht alle Zuzüglerinnen und Zuzügler sind gleich

Auf die Frage des „Nordschleswigers“, ob Sonja Fischer denkt, dass sich eine Parallelgesellschaft entwickeln könnte, antwortet sie: „Nein, ich glaube nicht. Dafür sind die einzelnen Charaktere zu unterschiedlich, sie haben kein gemeinsames Ziel. Ich habe das Gefühl, sie reden eher aneinander vorbei. Aus meiner Sicht ist es keine homogene Gruppe.“

Ich habe das Gefühl, dass einige der Zugezogenen sich schwertun, Regeln einzuhalten, andere Meinungen nicht akzeptieren, mit der Familie gebrochen haben und deshalb ausgewandert sind.

Sonja Fischer

Etwas bereitet ihr dennoch Unbehagen: „Ich mache mir Sorgen, dass alle Deutschen in einen Topf geworfen werden und es heißt, alle Zuzügler sind Querdenker. Davon will ich mich distanzieren.“

Sie ergänzt: „Ich habe das Gefühl, dass einige der Zugezogenen sich schwertun, Regeln einzuhalten, andere Meinungen nicht akzeptieren, mit der Familie gebrochen haben und deshalb ausgewandert sind.“

In Dänemark ist nicht alles besser

Bedenken diesbezüglich hat auch Jørgen Popp Petersen, Bürgermeister von Tondern, kürzlich in einem Interview geäußert. Es gebe, so Popp, einige Deutsche, die ihm nicht gefallen, weil sie ihren Wechsel nach Dänemark mit den Worten begründen: „Ich bin mit Deutschland fertig.“ Er habe diese Leute darum gebeten, mit solchen Äußerungen etwas vorsichtig zu sein, „denn es ist ja falsch zu glauben, dass das Grün nördlich der Grenze immer grüner ist als südlich der Grenze.“

Die dänische Statistikbehörde führt keine Daten über die Gründe der Menschen, die nach Dänemark einwandern. So wird nicht erfasst, ob die Zugewanderten nach Nordschleswig kommen, weil sie sich aktiv für Dänemark entschieden haben, oder ob es ihnen darum geht, Deutschland zu verlassen.

Es gibt hingegen Zahlen, die eindeutig zeigen, dass seit der Corona-Pandemie mehr Menschen aus Deutschland nach Dänemark umziehen als zuvor. Ob es hier einen direkten Zusammenhang gibt, ist noch nicht untersucht worden.

Doch das könnte sich bald ändern. Das Zentrum für europäische Minderheitenforschung (ECMI) in Flensburg will den Einfluss der deutschen Zuzüglerinnen und Zuzügler auf die Minderheit in Nordschleswig untersuchen. In diesem Zusammenhang erforscht der wissenschaftliche Mitarbeiter Johann Hörkner unter anderem die Gründe der Zugezogenen, von Deutschland nach Dänemark zu ziehen.

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