Nordschleswig

Deutsche Minderheit: Zugezogene im Fokus der Wissenschaft

Deutsche Minderheit: Zugezogene im Fokus der Wissenschaft

Deutsche Minderheit: Zugezogene im Fokus der Wissenschaft

Kopenhagen/Flensburg
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Johann Hörkner wird sich in den kommenden Monaten mit dem Thema „Zugezogene in Nordschleswig“ befassen. Foto: Privat

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Der vermehrte Zuzug von Bürgerinnen und Bürgern aus Deutschland nach Nordschleswig weckt das Interesse der Wissenschaft. Johann Hörkner will die Integrationsarbeit der deutschen Minderheit sichtbar machen. Ein Job, bei dem sich Martin Klatt vom ECMI fragt, ob nicht jemand anderes eigentlich zuständig ist.

Wie „Der Nordschleswiger“ berichtete, hat das Zentrum für europäische Minderheitenforschung (ECMI) in Flensburg im April angekündigt, frei gewordene Mittel dazu zu nutzen, den Einfluss der deutschen Zuzüglerinnen und Zuzügler auf die Minderheit in Nordschleswig zu untersuchen. Professor Martin Klatt und Johann Hörkner, wissenschaftlicher Mitarbeiter, sprechen im „Nordschleswiger“ über das Vorhaben. 

Martin Klatt: „Mit Johann haben wir jemanden gefunden, der hier im Grenzland aufgewachsen und gut vernetzt ist. Im Sommer sollen die Interviews mit den Zugezogenen beginnen, Anfang des kommenden Jahres planen wir, die Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Frage ist, wie wirkt sich der Zuwachs auf die deutsche Minderheit aus? Aber auch die dänische Mehrheitsbevölkerung muss in den Blick genommen werden.“

Artikelserie zur Identität der Minderheit

Die Delegiertenversammlung ist das höchste Organ des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) und entscheidet die wichtigsten Fragen, mit denen sich der BDN befasst. Diese Fragen stellen sich immer wieder neu, denn die Minderheit von heute ist nicht die von gestern, die von morgen wird wiederum anders aussehen. Als Auftakt zur Delegiertenversammlung, die in diesem Jahr am 1. Juni stattfindet, befasst sich „Der Nordschleswiger“ in einer Reihe von Artikeln mit dem Thema Identität. Wir stellen unter anderem die Frage, was es heißt, Minderheit zu sein.

Alle veröffentlichten Artikel aus der Serie:

Minderheit: Stetige Gratwanderung zwischen Integration und Assimilation

Ehemalige Zugezogene erzählen: Die Minderheit verändert sich

Dänische Mehrheit und deutsche Minderheit: Das gute Verhältnis soll auf den Prüfstand

Deutsche Minderheit: Zugezogene im Fokus der Wissenschaft

Welche Anforderungen Institutionen der Minderheit in Nord- und Südschleswig an neue Mitglieder stellen

Zugezogene als Bereicherung und Herausforderung für die Minderheit

Johann Hörkner: „Ich will mir Klarheit über die Intention der Zugezogenen verschaffen. Was sind die Gründe dafür, von Deutschland nach Dänemark zu ziehen? Ich habe viele persönliche Kontakte, auf die ich zugreifen kann, erhoffe mir jedoch auch, über die Schulen der deutschen Minderheit und über den Bund Deutscher Nordschleswiger neue Kontakte in die Minderheit knüpfen zu können.

Viele Kommunen, nicht nur in Nordschleswig, die an Bevölkerungsschwund leiden, werben seit Jahren um Zuzüglerinnen und Zuzügler. Auch Westküstenkommunen außerhalb Nordschleswigs werden zu einer neuen Heimat für Deutsche.“

Das hat die deutsche Minderheit etwas überrascht, und ich mache eine gewisse Ohnmacht aus.

Martin Klatt, ECMI und SdU

Martin Klatt: „In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der deutschen Neubürgerinnen und -bürger stetig gewachsen – vor allem seit 2020. Das hat die deutsche Minderheit etwas überrascht, und ich mache eine gewisse Ohnmacht aus. Denn die Minderheit leistet einen nicht unerheblichen Teil der Integrationsarbeit. Aber ist das nicht Aufgabe der Kommunen?

Ein Kind, das kein Dänisch spricht, steht vor einer ungleich schweren Aufgabe, wenn es keine deutsche Schule besucht, sondern eine staatliche dänische. Die Minderheit erleichtert den Kindern das Ankommen.“

Johann Hörkner: „Die Minderheit leistet große Arbeit im Bereich der Integration, beispielsweise was die Vermittlung von Sprachkompetenzen angeht. Dies möchte ich wissenschaftlich begleiten. Es geht mir somit darum, diese Leistung sichtbar zu machen für die verantwortlichen Akteure in Politik und Kommunen.“

Martin Klatt: „2007 kam eine Studie des Schleswig-Holsteinischen Landtages zu dem Schluss, dass Minderheiten einen Mehrwert generieren – blieb aber unkonkret, was diesen Mehrwert eigentlich ausmacht. Auch der dänische Grenzverein sieht dies mit Blick auf die dänische Minderheit so – allerdings für den dänischen Staat insgesamt, nicht direkt für die Grenzregion. Durch die Auswanderung junger Südschleswiger nach Dänemark entstehen mehr Steuereinnahmen und Wirtschaftswachstum. Es kommt mehr raus, als der dänische Staat über den Südschleswigzuschuss reinsteckt. Denn gerade die Schulen der Minderheiten fördern Sprachkompetenz. Die wünscht sich die regionale Wirtschaft – aber anscheinend profitiert vor allem die Wirtschaft in den dänischen Zentren. Wir würden gerne untersuchen, wie der gesellschaftliche Mehrwert der Minderheiten mehr regional grenzüberschreitend genutzt werden kann.“

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