Diese Woche in Kopenhagen

„Im Nordatlantik blind“

Im Nordatlantik blind

Im Nordatlantik blind

Kopenhagen
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Thetis is das eine der nur drei Inspektionsschiffe, über die die dänische Marine verfügt. Sie haben auch außerhalb des Nordatlantiks Aufgaben. Foto: Celina Dahl/Ritzau Scanpix

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Ganze zwei Absprachen hat der dänische Verteidigungsminister mit Partnern im nördlichen Atlantik unterzeichnet. Sie sind Teil einer längeren Entwicklung, die jedoch nach dem Angriff auf die Ukraine eine besondere Brisanz bekommen hat, wie Walter Turnowsky erläutert.

Der dänische Verteidigungsminister Morten Bødskov (Soz.) hatte diese Woche einen dichten Kalender. Am Dienstag war er auf Island und am Donnerstag auf den Färöern.

Nun fliegen Verteidigungsminister üblicherweise nicht aus Jux und Langeweile über dem nördlichen Atlantik durch die Gegend. Und so hatte Bødskov auch triftige Gründe für seine Besuche. Auf den Färöern unterzeichnete er gemeinsam mit dem färöischen Minister für Äußeres, Jenis av Rana, eine Absprache über die Aufstellung eines Luftraumradars.

Er und die isländische Außenministerin Thordis Kolbrún Reykfjörd Gylfadóttir unterschrieben eine Absichtserklärung zum Austausch von Überwachungsdaten in der Arktis.

Bereits im Mai traf er sich mit einer dritten Außenministerin eines nordatlantischen Staates, Vivian Motzfeld aus Grönland. Sie einigten sich auf eine Verstärkung der Verteidigung in und um die größte Insel der Welt. Betrachtet man die Liste der konkreten Anschaffungen, wird der Trend noch deutlicher: Überwachungsdrohnen mit langer Reichweite, Satellitenüberwachung, Küstenradars und kleinere Überwachungsdrohnen auf Schiffen.

Mysteriöse U-Boote

Ein Ereignis aus dem vergangenen November verdeutlicht, was hinter diesen Absprachen steckt. Zwei Jäger waren 15 bis 20 Kilometer vom ostgrönländischen Tasiilaq aus in See gestochen, als plötzlich ein grauer Turm auf sie zukam. Bei der Vernehmung durch die Polizei meinten sie, auf Bildern einen russischen U-Bootstyp wiederzuerkennen. Auf irgendeinem Radar oder Warnsystem war es nicht aufgetaucht.

Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass es Berichte von mysteriösen U-Booten vor dem dünn besiedelten östlichen Grönland gibt. Und das sind nur die U-Boote, die nah der Küste unterwegs gewesen sind.

Unsichtbar

Im gesamten Fahrwasser zwischen Grönland, Island und dem Vereinigten Königreich, ja im Grunde im ganzen Nordatlantik können sie sich bewegen, fast ohne entdeckt zu werden. Die dänische Verteidigung, die Nato und die USA sind dort weitgehend blind. Daher ist auch völlig unklar, wer da so durch die Gegend schippert.

Das ist auch der Grund für die umfassenden Investitionen in „Augen“, die Ausschau halten können.

Dänemark hat gerade mal drei Schiffe zur Überwachung der Gewässer um Grönland und die Färöer. Nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass Grönland, würde es an der Ostsee anfangen, bis südlich von Sizilien reichen würde. Erst 2019 wurden die Hubschrauber an Bord mit Sonar zur Entdeckung von U-Booten ausgerüstet.

Längere Entwicklung

Die Absprachen mit den Färöern und Grönland sind nicht direkt dem Krieg in der Ukraine geschuldet, indirekt schon. Das Problem mit der Blindheit im Nordatlantik ist bereits vor Jahren erkannt worden, und die USA haben Druck gemacht, dass etwas dagegen unternommen wird.

Die Aufrüstung Russlands in der Arktis hat zunehmend Sorge bereitet, auch wenn die Militärkapazitäten nach Einschätzung westlicher Nachrichtendienste in erster Linie defensiv ausgerichtet sind. Auch Russland hat nämlich ein Interesse daran (gehabt?), dass die Spannung in der Region niedrig bleibt.

Das Ziel der niedrigen Spannung ist auch der Grund, weshalb die Nato nicht in der Arktis operiert. Es würde von Russland als Provokation empfunden werden.

Widerstände

Im Februar des vergangenen Jahres einigte sich eine Mehrheit des Folketings auf ein arktisches Kapazitätspaket. Der Radar auf den Färöern und die verstärkte Überwachung bei Grönland sind die zentralen Bestandteile dieses Pakets. Doch in beiden autonomen Regionen des dänischen Königreichs gab und gibt es Skepsis und Widerstände gegen eine erneute Aufrüstung.

Es hat daher lange Verhandlungen gebraucht, um die Regierungen in Tórshavn und Nuuk davon zu überzeugen, dem arktischen Kapazitätspaket zuzustimmen. Dabei ist es alles andere als ein Zufall, dass dies nach dem Angriff Wladimir Putins auf die Ukraine möglich wurde.

Und das Abkommen mit Island ist erst danach überhaupt möglich geworden.

Treffen in Tórshavn

Auch bei dem jährlichen Treffen der Regierungschefs aus Dänemark, Grönland und den Färöern, das diesmal in Tórshavn stattfand, stand die Sicherheitspolitik ganz oben auf der Tagesordnung. Erstmals tagte auch ein im vergangenen Jahr gegründeter sicherheitspolitischer Kontaktausschuss der drei Teile des dänischen Königreichs.

Die drei Regierungschefs haben in dem Ausschuss selbstverständlich auch den Krieg in der Ukraine besprochen. Die Färöer und Grönland, die nicht Teil der EU sind, werden dennoch die EU-Sanktionen umsetzen.

„Der enge Dialog und die gemeinsame Position der drei Länder des Reiches sind ein weiteres Beispiel für das gemeinsam Auftreten der westlichen, demokratischen Welt“, heißt es unter anderem in der Schlusserklärung.

Rolle der Nato

Auch die Rolle der Nato im Nordatlantik wurde besprochen. Im neuen strategischen Konzept der Nato wird die Allianz auch ihre Rolle im Nordatlantik und der Arktis überdenken – eine heikle Frage. In der Erklärung von Tórshavn betonen die drei Länder dann auch ein weiteres Mal die Wichtigkeit von Frieden und Niedrigspannung in der Arktis.

Doch – und das ist wohl der bedeutungsvollere Absatz – es soll geprüft werden, ob Grönland und die Färöer künftig an Nato-Gipfeltreffen teilnehmen sollen.

Viele dieser Entwicklungen haben sich, wie beschrieben, bereits seit Längerem angebahnt. Doch seit dem 24. Februar ist noch viel deutlicher geworden, dass weder das Königreich Dänemark und die USA noch die Nato sich die Blindheit im Nordatlantik leisten können.

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