Todesfall

Staatsmann Schlüter

Staatsmann Schlüter

Staatsmann Schlüter

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig/Kopenhagen
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Am Donnerstagmorgen verstarb der ehemalige Staatsminister Poul Schlüter (Kons.) im Alter von 92 Jahren. Er war der Staatsminister mit der längsten Amtszeit seit dem Zweiten Weltkrieg. Foto: Søren Bidstrup/Ritzau Scanpix

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Wo lagen Schlüters Verdienste? Schlüters eigene Antwort überraschte!

Nicht nur das bürgerliche Dänemark trauert um den verstorbenen früheren Staatsminister Poul Holmskov Schlüter: Sønderjyde mit großem S und als Staatsminister hoch geehrt, national wie international.

Geboren in Tondern, aufgewachsen in Hadersleben

Der 1929 in Tondern (Tønder) geborene und in Hadersleben (Haderslev) aufgewachsene Schlüter war seit seiner Jugendzeit Konservativer; von Hadersleben gelang ihm der Wechsel nach Kopenhagen, was seine nordschleswigschen Parteifreunde ihm zunächst sehr übel nahmen. In Gladsaxe wurde er unter Bürgermeister Erhard Jakobsen Vize-Bürgermeister und gleichzeitig Folketingsmitglied. Der Hoppla-hier-komm-ich-Stil des jungen Schlüter rief auf Christiansborg anfangs nur ein Schmunzeln hervor, und viele verspotteten den Juristen sogar als „Parfüm-Verkäufer“, auch unsere Zeitung gehörte damals zu den großen Skeptikern. Als jedoch der Sozialdemokrat Anker Jørgensen 1982 freiwillig demoralisiert zurücktrat, da wurde nicht der Chef der größeren Venstre-Partei, sondern Schlüter zum Staatsminister einer bürgerlichen Regierung gewählt, ausgerechnet ein Konservativer und der erste seit 1901!

Wirtschaftliche Erholung das Verdienst der Schlüter-Jahre

Nach dem Fast-Absturz des Landes durch die Wirtschftspolitik seines Vorgängers gelang Schlüter gemeinsam mit Venstres Henning Christophersen die Wende; die bisherigen Teuerungszulagen, die Löhne und Preise inflationär in die Höhe trieben, wurden abgeschafft, und als erste Amtshandlung verkündete Schlüter einen neuen Krone-Kurs: fest und ohne die zuvor fast regelmäßigen Abwertungen, ein neuer Währungskurs, der seitdem Dänemark nach innen und außen Stabilität und Kredit gewährt hat. Die wirtschaftliche Erholung, die trotz harter Maßnahmen auch unter Protesten durchgeführt wurde, war das Verdienst der Schlüter-Jahre, die mit abwechselnden Regierungs-Koalitionen ein Jahrzehnt überlebten, bis Schlüter 1993 freiwillig zurücktrat. Schlüter bewies, dass das Regieren kein Erbrecht für die königlich-loyale Sozialdemokratie war, sondern dass auch eine bürgerliche Regierung Dänemark erfolgreich zu steuern wusste. Von dieser historischen Meisterleistung haben später auch Anders Fogh und Lars Løkke politisch profitiert.

Keine Zweifel an dänischer Nato-Mitgliedschaft

Außenpolitisches Format gewann Schlüter dadurch, dass er die sozialdemokratische Opposition in der Frage der Nuklearbewaffnung durch die sogenannte Nato-Wahl in die Isolation schickte und stattdessen geschickt die Radikale Venstre mit ins Regierungsboot hob. Für Schlüter gab es keine Zweifel an der dänischen Nato-Mitgliedschaft, und auch die EU-Mitgliedschaft stand bei ihm nie infrage, durch eine Volksabstimmung setzte er ein positives Signal Richtung Europa. 

Schlüter war ein Freund Deutschlands

Als Nordschleswiger hatte seine Familie die „Genforening“ 1920 erlebt, aber wohl nie daran gedacht, dass eines Tages trotz aller Lippenbekenntnisse auch eine deutsche Wiedervereinigung möglich sein werde. Als die Mauer fiel und die deutsche Einheit plötzlich auf der internationalen Tagesordnung stand, war es vor allem Venstre-Außenminister Uffe Ellemann-Jensen, der – befreundet mit Hans-Dietrich Genscher – warmherzig die deutsche Einheit befürwortete. Schlüter ging der Prozess wohl zu schnell, er zögerte zunächst mit einem klaren Bekenntnis, aber er hat später mehrfach – übrigens auch in einer Rede beim BdN in Apenrade – betont, dass er nie die deutsche Wiedervereinigung abgelehnt habe, weil er stets für das Selbstbestimmungsrecht von Dänen und Deutschen eingetreten sei.

Ellemann hat mal Schlüters abwartende Haltung mit seinem „schleswigschen Hintergrund“ erklärt, doch zur Wahrheit gehört, dass Bundeskanzler Kohl im EU-Kreis Schlüter sehr geschätzt hat. Eine gegenseitige Wertschätzung, nicht zuletzt nachdem Kohl die dänischen EU-Vorbehalte in Edinburgh nach dem dänischen Nein zum Maastrichter Vertrag gegen den Widerstand anderer EU-Mitglieder durchsetzte. Sehr zur Erleichterung der Dänen und zur Freude von Poul Schlüter, der in einem seiner letzten großen Fernseh-Interviews, die ich mit ihm in seiner Wohnung auf Frederiksberg für „DK4" führen durfte, besonders seine Dankbarkeit zu Kohl und Deutschland hervorhob. Schlüter war ein Freund Deutschlands, was er auch in mehreren Positionen nach seinem Rücktritt immer wieder zum Ausdruck brachte, und als Teilnehmer an einer kleinen vertraulichen Runde mit Kohl und Schlüter in Flensburg kann ich bestätigen, dass Helmut Kohl für Schlüter eine große persönliche Wertschätzung empfand.

Im Volk beliebt

Der stets so humorvolle Poul Schlüter war im Volk beliebt, die Art seines freiwilligen Rücktritts erzwang demokratischen Respekt auch bei seinen politischen Gegnern. Sein politisches Testament ist die Regierungsfähigkeit der Bürgerlichen und vor allem die wirtschaftliche Gesundung des Landes nach schweren Erschütterungen in den 70er Jahren.  

Pensionsreform für Schlüter wichtigstes Ergebnis seiner Regierungszeit

Als Schlüter seinen 90. Geburtstag mit Freunden in Kopenhagen feierte, gab es viel Anerkennung für den früheren Staatsminister, aber interessant ist eigentlich, was er selbst als wichtigstes Ergebnis seiner fast zehnjährigen Regierungszeit hervorgehoben hat. 

Von seinen Eltern hatte er früher stets die Mahnung gehört, denke daran, was dir eines Tages nach dem beruflichen Ende finanziell zur Verfügung steht. Das war der Grund, weshalb Schlüter gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Pensionsreform durchführte, die noch heute als Vorbild für andere Länder gilt, die in sozialer Spannung hart um Lösungen für ihre älteren Mitbürger ringen. Dass es gelungen sei, den älteren Mitbürgern in Dänemark ihren Lebensabend rechtzeitig zu sichern, das war für Schlüter nach eigenen Worten seine beste Tat!

Auch dafür hat Dänemark ihm zu danken! 

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