Minderheitenrechte

Regierung will Deutsch in Nordschleswig stärken

Regierung will Deutsch in Nordschleswig stärken

Regierung will Deutsch in Nordschleswig stärken

Nordschleswig/Kopenhagen
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Der Bund Deutscher Nordschleswiger hofft auf eine finanzielle Gleichstellung des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig mit den öffentlichen Gymnasien. Foto: Karin Riggelsen

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Dänemark will weitere Verpflichtungen der Europäischen Sprachencharta übernehmen, heißt es in dem Aktionsplan, den der dänische Außenminister Jeppe Kofod und seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock am 26. August unterzeichnet haben. Damit ist die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches der deutschen Minderheit ein Stück nähergerückt.

Das Grenzland wird häufig als internationales Vorbild für das Zusammenleben von Minderheit und Mehrheit hervorgehoben. Was den Schutz und die Pflege von Deutsch als Minderheits- und Regionalsprache anbelangt, spielt Dänemark jedoch alles andere als eine Vorreiterrolle.

Von 68 Verpflichtungen in der Europäischen Sprachencharta hat Dänemark gerade mal 35 übernommen; nur zwei mehr als das Minimum. Doch das soll sich nun ändern. Das hat die dänische Regierung mit der Unterzeichnung des deutsch-dänischen Aktionsplans vor knapp zwei Wochen bestätigt.

„Ich hoffe, dass es den Alltag für die deutsche Minderheit erleichtern wird. Es ermöglicht ihr, in noch höherem Maß im Täglichen und bei der Begegnung mit Behörden Deutsch zu sprechen“, schreibt Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Soz.) in einer schriftlichen Stellungnahme dem „Nordschleswiger“.

Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen

  • Die Sprachencharta wurde im Rahmen des Europarats erarbeitet. 
  • Dänemark hat die Charta am 1. Januar 2001 ratifiziert. Sie gilt für Deutsch in Nordschleswig.
  • Die Charta sieht den „Schutz und die Förderung der geschichtlich gewachsenen Regional- und Minderheitensprachen Europas vor. Ihre Ausarbeitung war zum einen gerechtfertigt durch das Bemühen, die kulturellen Traditionen und das Kulturerbe Europas zu erhalten und weiterzuentwickeln, und zum anderen durch die Achtung des unverzichtbaren und allgemein anerkannten Rechtes, im öffentlichen Leben und im privaten Bereich eine Regional- oder Minderheitensprache zu gebrauchen.“

Quellen: Europarat, BDN

Zögerlicher Anlauf

Der Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) mach seit geraumer Zeit Druck, um Dänemark dazu zu bewegen, mehr Verpflichtungen zu übernehmen. Bereits im September 2019 schrieb er mit diesem Anliegen an Halsboe-Jørgensens Vorgängerin Joy Mogensen (Soz.), doch zunächst kam von ihr keine Reaktion.

 

Allmählich ist die Arbeit jedoch angerollt. Die Unterzeichnung des Aktionsplans durch den dänischen Außenminister Jeppe Kofod (Soz.) und seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock (Grüne) stimmt den Leiter des BDN-Sekretariates in Kopenhagen, Harro Hallmann, optimistisch.

„Ich finde, wir sind auf einem richtig guten Weg. Die Arbeit geht seit einiger Zeit deutlich voran, doch durch die Verpflichtung im deutsch-dänischen Aktionsplan wird die Frage auf eine höhere Ebene gehoben. Ich bin zuversichtlich, dass die neuen Maßnahmen zu gegebener Zeit auch die parlamentarische Hürde nehmen werden“, meint er.

Kulturminsterin Ane Halsboe-Jørgensen hält Deutsch als Minderheitensprache für ein wichtiges Kulturgut. Foto: Emil Helms/Ritzau Scanpix

Unterschiedliche Ministerien einbezogen

Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Der BDN hat dem Kulturministerium vorgeschlagen, dass Dänemark 18 neue Verpflichtungen der Sprachencharta übernimmt. Es geht darin unter anderem um Ausbildung, das Justizwesen und Behörden. Das Kulturministerium hat die Vorschläge an die zuständigen Fachministerien weitergeleitet, die jetzt die Fragen bearbeiten müssen.

„Dänemark hat Deutsch in Nordschleswig als Minderheitensprache im Sinne der Sprachencharta anerkannt. Daher höre ich auch zu, wenn die deutsche Minderheit wünschte, dass Dänemark mehr Verpflichtungen zustimmt. Die Arbeit ist nun quer durch mehrere Ministerien eingeleitet worden, die untersuchen, was möglich ist“, so Halsboe-Jørgensen.

Mehr Mittel für das DGN

Obwohl die große Mehrheit der Menschen der Minderheit fließend Dänisch spricht, meint Hallmann, es sei wichtig, dass man zum Beispiel vor Gericht auf Deutsch aussagen kann und Aktenstücke auf Deutsch von den Behörden anerkannt werden.

„Außerdem ist es für Menschen, die zum Beispiel als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu zur Minderheit stoßen, entscheidend, digitale Lösungen wie zum Beispiel MitID auch auf Deutsch benutzen zu können oder dass es zumindest eine deutsche Anleitung gibt“, erläutert der Sekretariatsleiter.

Neue Verpflichtungen

Der BDN hat der dänischen Regierung vorgeschlagen, 18 neue Verpflichtungen der Europäischen Sprachencharta zu übernehmen. Unter anderem geht es um folgende:

  • Gleichstellung der Vorschul-, Grundschul- und gymnasialen Ausbildung auf Deutsch mit den Angeboten für die Mehrheit. Formale Anerkennung für Vor- und Grundschulen. 100 Prozent Zuschuss für das DGN.
  • Deutsch bei Straf- und zivilen Prozessen. Keine Gebühren für Übersetzung. Akten und Beweismittel auf Deutsch zulässig.
  • Anfragen und Anträge an staatliche und lokale Behörden auf Deutsch. Digitale Formulare auf Deutsch oder mit deutscher Anleitung.
  • Sicherstellung, dass deutsche geografische Bezeichnungen parallel zu den dänischen benutzt werden (zweisprachige Ortstafeln).
  • Gezieltes Anwerben von deutschsprachigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Staat, Region und Kommune.

Einen handfesten Unterschied würde es für das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig (DGN) ausmachen, sollte Dänemark der Gleichstellung im Unterricht zustimmen. Die Grundschulen werden bereits mit 100 Prozent im Vergleich zu den dänischen Volksschulen bezuschusst. Das DGN erhält jedoch als Privatschule nur ungefähr 85 Prozent der Gelder, die öffentliche Gymnasien erhalten.

Symbolwert

Neben den konkreten Verbesserungen im Alltag geht es dem BDN jedoch vor allem auch um Prinzipielles.

„Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass Dänemark ein Signal setzt, indem es sich verpflichtet, Deutsch als Minderheitensprache noch besser zu pflegen und zu schützen“, betont Hallmann.

Die Kulturministerin meint, das friedliche Zusammenleben von Minderheit und Mehrheit habe Vorbildcharakter.

„Das ist einzigartig, und darauf müssen wir aufpassen. Ziel der Sprachencharta ist es ja, Minderheitensprachen als einen bedrohten Aspekt des europäischen Kulturerbes zu schützen und fördern. Dänemark hat sich dazu verpflichtet, das sicherzustellen. Daher ist es wichtig zu untersuchen, ob wir mehr tun können, um die deutsche Sprache in den vier nordschleswigschen Kommunen zu schützen“, meint Halsboe-Jørgensen.

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