Blick aus SH nach Dänemark

Dänemark: Rechtspopulistische Parteien haben sich verdreifacht

Dänemark: Rechtspopulistische Parteien haben sich verdreifacht

DK: Rechtspopulistische Parteien haben sich verdreifacht

Frank Jung
Flensburg/Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Vorsitzende der neuen Dänemark-Demokraten: Ex-Außenministerin Inger Støjberg. Die 50. Verschärfung des Ausländerrechts feierte sie mit einer Torte. Foto: Redaktion

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die einst so starke Dänische Volkspartei droht aus dem Parlament zu fliegen, aber zwei Konkurrenten sorgen in Dänemark für Dynamik am rechten Rand. Im Umfragen vor baldigen Wahlen zum Folketing verzeichnen „Dänemark-Demokraten“ und „Neue...

Gerade noch 1,9 Prozent – und damit 0,1 Prozent zu wenig für die ohnehin niedrige Sperrklausel im Folketing. Das ist alles, was die jüngste Meinungsumfrage aus dieser Woche noch übrig lässt von der Dänischen Volkspartei. Europaweit war sie unter Rechtspopulisten in ganz Europa ab den Nuller-Jahren als Pionier für politischen Einfluss gehandelt worden. 2015 war die Vereinigung mit 21,2 Prozent sogar zur zweitstärksten Partei im Königreich aufgestiegen und Gründerin Pia Kjaersgaard zur Parlamentspräsidentin. Immerhin 8,7 Prozent gab es noch beim letzten Urnengang 2019.

Vordergründig ein erstaunlicher Schmelzvorgang. Anders als das Ende für die AfD im schleswig-holsteinischen Landtag ist die Atomisierung der Dänischen – ehemaligen – Volkspartei jedoch alles andere als gleichbedeutend mit schwindender Bedeutung des sehr rechten Flügels.

In Umfragen stapeln sie sich auf 17,5 Prozent

Im Gegenteil: Das Rechtspopulistische ist in Schleswig-Holsteins Nachbarland so normal geworden, dass es inzwischen von mehreren Anbietern bedient wird. Gleich zwei Konkurrenten zur Volkspartei konnten sich etablieren. Alle drei dieser Parteien sieht die Wahlumfrage des Instituts Epinion im Auftrag von Danmarks Radio bei 17,5 Prozent. Bis sich das in Parlamentssitze ummünzen lässt, ist es nicht mehr weit.

Mit Ausschreibung der Wahl wird wöchentlich gerechnet

Einen Termin für die nächste Wahl gibt es noch nicht; aber es wir wöchentlich mit dem Startschuss dafür gerechnet. Denn spätestens vier Jahre nach der letzten Wahl muss Ministerpräsidentin Mette Frederiksen von den Sozialdemokraten laut Verfassung die nächste ausschreiben.

Scheu vor Verantwortung und die Folgen

Der Anfang vom Ende für die Volkspartei war schon, dass sich Kjaersgaard-Nachfolger Kristian Thulesen Dahl trotz Wahlerfolgs vor Ministerposten scheute. Gerne wollte man wie bisher Minderheitsregierungen anderer Couleur von sich abhängig machen und ein paar Klientelthemen durchdrücken – nicht jedoch Verantwortung für das Große Ganze tragen.

Angriff von noch weiter rechts

Von noch weiter rechts griffen dann seit 2016 erfolgreich die „Neuen Bürgerlichen“ an: Eine Neugründung, die versucht, vor allem im urbanen Milieu Radikalität als neuen Chic zu etablieren. Verkörpert wird das mit Pernille Vermund durch eine Vorsitzende, die mit Anklängen an ein Model auftritt. Mit derzeit 4,6 Prozent in den Umfragewerten hat sich diese Rezeptur seit der letzten Wahl mehr als verdoppelt. Eine ihrer Kernforderung ist ein kompletter Stopp für den Zuzug nichtwestlicher Ausländer.

Verurteilt für Schwindel mit EU-Geldern

Innerparteiliche Unzufriedenheit in der Volkspartei führte dann Anfang dieses Jahres zur Übernahme des Vorsitzes durch den einstigen EU-Abgeordneten Morten Messerschmidt. Pech nur, dass zu seinem betonten Saubermann-Image so gar nicht passt, dass er unlängst wegen Betrugs mit EU-Geldern an die Rechtspopulisten-Fraktion im Europaparlament verurteilt worden ist. Eine sechsmonatige Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Ex-Ministerin macht sich selbstständig

Neuer Star auf dem rechten Flügel ist – frisch aus 60 Tagen Haft entlassen – Inger Støjberg. Sie war einst Ausländerministerin und eine der Frontfiguren der rechtsliberalen Partei Venstre. Als Hardlinerin versuchte sie, Thulesen Dahls Leute nachzuahmen. Als sie ihre 50. Verschärfung im Ausländerrecht durchgeboxt hatte, feierte Støjberg sich selbst auf Facebook mit dem Foto einer Torte mit 50 Kerzen.

Mit Venstre ging es auseinander, als ein Sondergericht sie 2021 wegen Verfassungsbruchs verurteilte. Das geschah, weil Støjberg als Ministerin minderjährige Flüchtlingsmädchen ohne Einzelfallprüfung von deren Ehemännern getrennt hatte. Ihrer Auslegung nach ein Schritt gegen arrangierte Kinderehen.

Gerichtsurteil als Trittbrett für Helden-Status

Anders als Messerschmidt schadet ihr ihr Gerichtsurteil nicht - es passt thematisch zu ihrem Widerstand gegen Dänemarks angebliche Überfremdung. Den Helden-Status, den ihr der Justizprozess in manchen Kreisen eingebracht hat, nutzt sie seit wenigen Monaten für ihre Partei „Dänemark-Demokraten“. Auf 10,8 Prozent kommen diese. Nahezu hat sie damit ihre einstige, stark schrumpfende Venstre überholt. Langsam, aber sicher zieht sie Mitglieder der Dänischen Volkspartei zu sich herüber.

Jetzt auch noch eine innerdänische Kampffront

Neben ihrer gewohnt scharfen Ausländer-Rhetorik hat Støjberg eine zweite Front eröffnet: Die Jütländerin inszeniert sich als einzig wahre Vertreterin des ländlichen Raums. Sie wettert gegen einen elitären Großraum Kopenhagen, der jede Verbindung zum Rest des Königreichs verloren habe. So werden jetzt auch noch die Kopenhagener, bei Wahlen traditionell nicht so stark nach rechts neigend, für eigentlich undänisch und zu einer Art Ausländer stilisiert.

Mehr lesen

EU

EU überarbeitet Schengener Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

Apenrade/Aabenraa Künftig soll bei der Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter anderem die Verhältnismäßigkeit geprüft werden, doch dafür dürfen Grenzkontrollen in Zukunft von den Staaten im Schengenraum noch länger aufrechterhalten werden. Die Parteisekretärin der Schleswigschen Partei, Ruth Candussi, und die Grenzlandpolitiker Rasmus Andresen und Stefan Seidler sind deshalb enttäuscht von dem Beschluss.