Deutsche Minderheit

Ansturm auf deutsche Schulen: Warum nicht einfach erweitert wird

Ansturm auf deutsche Schulen: Warum nicht einfach erweitert wird

Ansturm auf Schulen: Warum nicht einfach erweitert wird

Apenrade/Aabenraa
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Derzeit beschäftigen DSSV-Schulrätin Anke Tästensen und DSSV-Vorsitzender Welm Friedrichsen sich intensiv mit der steigenden Nachfrage nach Plätzen im Bildungssystem der deutschen Minderheit. Foto: Marle Liebelt

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Das Bildungssystem der Minderheit ist an seine Kapazitätsgrenze gestoßen, und der DSSV muss reagieren. Nur wie? DSSV-Schulrätin Anke Tästensen und DSSV-Vorsitzender Welm Friedrichsen erklären dem „Nordschleswiger“, warum jetzt erst einmal viel tiefgründigere Fragen geklärt werden müssen, bevor über neue Schulen oder Anbauten gesprochen wird.

Die vergangenen Jahre verbuchte der Deutsche Schul- und Sprachverein für Nordschleswig (DSSV) in seinen Schulen im Landesteil ein stetiges Wachstum. 

Jedoch lagen die Zuwächse der Schülerinnen- und Schülerzahlen im niedrigen zweistelligen Bereich – um die 20 oder 30 Kinder mehr im Vergleich zum Vorjahr. Im Sommer 2022 nahm das Wachstum sozusagen explosionsartig zu: Plus 211 Schülerinnen und Schüler wurden nach den Sommerferien im September gezählt. 

1.568 Kinder und Jugendliche besuchen aktuell die 13 deutschen Schulen – das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig (DGN) ausgenommen.  

Woher kommen die „Neuen“?

Derzeit zeichnet sich in Dänemark, vor allem aber in Nordschleswig, ein Einwanderungs-Trend ab. Besonders bei deutschen Zugezogenen ist Nordschleswig beliebt.

Wir haben kleine Klassen und sind bekannt für eine enge, familiäre Elternbindung.

Anke Tästensen, Schulrätin des DSSV

Aber: „Bei der gestiegenen Nachfrage haben wir es nicht nur mit Zugezogenen zu tun“, sagt Anke Tästensen. Die Schulrätin des DSSV erklärt, dass es noch zwei weitere Faktoren gibt: „Zum einen steigt das Interesse an unseren Schulen innerhalb der dänischen Mehrheitsbevölkerung hier vor Ort.“ Laut Tästensen haben sich die deutschen Schulen einen guten Ruf erarbeitet: „Wir haben kleine Klassen und sind bekannt für eine enge, familiäre Elternbindung. Außerdem schätzen viele die Zweisprachigkeit, die den Kindern später andere Möglichkeiten eröffnet.“ 

Darüber hinaus sind die Schulen der Minderheit als Privatschulen im öffentlichen System zu verstehen. Heißt: Die deutschen Schulen sind zwar Privatschulen, beziehen aber öffentliche Gelder. So zahlen die Familien an einer deutschen Schule die gleichen Beiträge wie an einer dänischen „folkeskole“. Für die Minderheit heißt das, dass ihre Schulen nicht mit den Volksschulen konkurrieren müssten, und dass sie inklusiver seien – „Die Minderheitenzugehörigkeit soll schließlich nicht davon abhängig sein, wie viel Geld man hat“, so Tästensen. 

Das breite Interesse an einem Platz an einer unserer Schulen freut uns. Aber wir kratzen an unserer Kapazitätsgrenze, und damit müssen wir umgehen.

Welm Friedrichsen, Vorsitzender des DSSV

„Zum anderen erleben wir, dass immer mehr Ehemalige zurückkommen“, so Tästensen weiter. Damit meint sie: Junge Menschen, die selbst auf eine deutsche Schule gegangen sind, sind zum Beispiel zum Studium weggezogen und kommen nun zurück nach Nordschleswig, weil sie hier ihre Familie gründen wollen. 

Wie reagieren?

„Das breite Interesse an einem Platz an einer unserer Schulen freut uns. Aber wir kratzen an unserer Kapazitätsgrenze, und damit müssen wir umgehen“, sagt DSSV-Vorsitzender Welm Friedrichsen. 

Die gewachsene Nachfrage sei Fluch und Segen zugleich. Die Minderheit ist inklusiv: „Minderheit ist, wer Minderheit sein will“, so Friedrichsen. Jetzt ist es genau dieser Grundsatz, der den DSSV in die Bredouille bringt. „Wir konnten der Nachfrage immer gerecht werden. Das ändert sich jetzt plötzlich.“ 

Maßnahmen, um den diesjährigen Ansturm erst einmal aufzufangen, wurden bereits getroffen. „An einigen Schulen haben wir Pavillons aufgestellt, in die ganze Klassen eingezogen sind“, erklärt Tästensen. Aber das sei eine Übergangslösung. 

Die neue Situation verlange, dass die Aufnahmekriterien der Schulen jetzt überarbeitet werden müssen. „Geplant ist, dass wir diese im April nächsten Jahres fertig haben.“ Und auch wenn es anders scheinen mag: Das ist sportlich. 

Denn wenn überarbeitet wird, wer in die Schulen darf, wird auch definiert, wer gegebenenfalls nicht darf – und das ist politischer Sprengstoff. Tästensen: „Diese Kriterien auszuarbeiten ist ein schwieriger und sensibler Prozess, der geprägt ist von Diskussionen und gründlichem Abwägen.“

Wenn die Nachfrage so groß ist – warum nicht einfach erweitern?

Die wachsende Nachfrage birgt auch eine große Unbekannte: Handelt es sich um eine temporäre Entwicklung oder einen nachhaltigen Trend? 

Jetzt mit baulichen Maßnahmen zu reagieren, wäre nach Tästensens und Friedrichsens Worten überstürzt. „Zumal uns die finanziellen Mittel dafür fehlen“, so Friedrichsen.

Qualität über Quantität

Aber dahinter steht auch eine ganz grundsätzliche Frage: „Wollen wir überhaupt einfach nur wachsen?“, fragt Tästensen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Familien uns wählen, gerade weil wir kleine, familiäre Einrichtungen haben.“ 

Einigkeit herrsche innerhalb des DSSV darüber, dass man an diesem Qualitätsmerkmal festhalten möchte. Qualität über Quantität also. „Wir müssen eine Balance finden, mit der wir einerseits der Nachfrage entgegenkommen und trotzdem an dem Qualitätsanspruch festhalten können.“

Das bedeute nicht, dass man nicht prüfe, wo die Kapazitäten noch ausgeweitet werden können. „Das beschäftigt uns als Verein, aber auch die Schulen selbst derzeit sehr intensiv“, betont Friedrichsen. „Das ist aber nur zum Teil eine Frage des Wollens.“ Die Klassenräume gäben es in den meisten Schulen gar nicht her, dass man etwa die Klassen signifikant vergrößern könnte. „Allein baulich haben wir da nicht viel Spielraum.“

Immer mit der Ruhe

Deshalb gelte es jetzt zum einen, nichts zu überstürzen und herauszufinden, ob sich der Trend fortsetzt. „Und zum anderen müssen wir die Frage, wohin wir uns entwickeln können und möchten, gründlich abwägen“, so Friedrichsen. Das sei keine schnelle Entscheidung, sondern ein Prozess. „Fakt ist, dass wir die Entwicklung grundsätzlich begrüßen und uns sehr ausgiebig mit möglichen Lösungen beschäftigen.“

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