Leitartikel

„Grenzen der Minderheit: Ist jeder Minderheit, der will? “

Grenzen der Minderheit: Ist jeder Minderheit, der will?

Grenzen der Minderheit: Ist jeder Minderheit, der will?

Apenrade/Aabenraa
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Journalistin Marle Liebelt sieht in den derzeit auszuarbeitenden Aufnahmekriterien der deutschen Schulen ein historisches Dilemma der Minderheit in Nordschleswig. In ihnen geht es um mehr als Schul-Plätze: Es geht um die Gretchenfrage: Wer darf Minderheit sein?

Es heißt immer, Minderheit ist, wer Minderheit sein will. Oder anders: Jeder kann hier mitmachen. Dieser Grundsatz wurde in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen festgehalten und es war immer einfach, sich an ihn zu halten. Denn die Institutionen der deutschen Minderheit konnten den Angehörigen stets gerecht werden.

Damit ist jetzt Schluss: Das wichtigste Standbein, das Gerüst der Minderheit, sind seine Schulen. Sie sorgen dafür, dass die Minderheit Generationen überdauert. Und zum ersten Mal in der Geschichte des Deutschen Schul- und Sprachvereins (DSSV) kann er nicht mehr allen Menschen, die mitmachen wollen, ein entsprechendes Angebot machen. 

 

Wenn die Kapazitäten der Minderheiten-Institutionen an ihre Grenzen stoßen, gilt das für die Minderheit an sich. Jetzt muss die Gretchenfrage gestellt werden: Ist wirklich jeder Minderheit, der möchte? 

Das Bekenntnis zum deutschen/dänischen Volkstum und zur deutschen/dänischen Kultur ist frei und darf von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden.

Bonn-Kopenhagener Erklärungen

Plötzlich wird gefragt, was laut Bonn-Kopenhagener Erklärungen nicht gefragt werden darf: Auf einmal stehen Fragen im Raum wie, ob man Minderheit ist, weil man von Nordrhein-Westfalen nach Nordschleswig zieht. Ob man damit dieselben Rechte hat, die Angebote der Minderheiten-Institutionen wahrzunehmen, wie diejenigen, deren Familien seit Generationen hier leben. Und wo in der Rangordnung, die man nie wollte, stehen die Nordschleswiger der dänischen Mehrheitsgesellschaft? Fragen, die jetzt gestellt werden müssen.

Es geht um Privilegien, Exklusivität und Ausschluss.

Marle Liebelt

Der DSSV im Dilemma

Diese unliebsame Aufgabe kommt gerade dem DSSV zu. Das ist nicht nur ein Balance-Akt, es ist ein Dilemma. Der DSSV muss neue Aufnahmekriterien für seine Schulen ausarbeiten und wird damit tun, was die Bonn-Kopenhagener Erklärungen nicht zulassen: Er wird unweigerlich definieren, wer Minderheit sein kann – und wer nicht. 

Das ist unumgänglich und hochsensibel zugleich. Es geht um Privilegien, Exklusivität und Ausschluss.

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