Kommunalpolitik

Ukraine-Krieg zentrales Thema bei verspätetem Neujahrsempfang

Ukraine-Krieg zentrales Thema bei Neujahrsempfang

Ukraine-Krieg zentrales Thema bei Neujahrsempfang

Tondern/Tønder
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Zwei Petersens: Tonderns Bürgermeister Jørgen Popp Petersen begrüßt den Unterrichts- und Forschungsminister, Jesper Petersen (Soz.), beim Neujahresempfang. Foto: Elise Rahbek

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Mit mehr als 400 ukrainischen Staatsbürgerinnen und -bürgern zählt Tondern zu den Kommunen in Dänemark, wo die meisten Menschen aus dem kriegsgebeutelten Land leben. Aus Solidarität mit ihnen wurde am Montag vor dem Rathaus die blau-gelbe Fahne gehisst.

Bürgermeister Jørgen Popp Petersen und Bo Kjelkvist, Vorsitzender des Tonderner Wirtschaftsrats, hätten Partner der Kommune aus Wirtschaft, Politik, von Ausbildungsstätten bereits im Januar zum ersten gemeinsamen Neujahrsempfang ins Rathaus einladen wollen. Die Veranstaltung wurde wegen Corona bis in den März verschoben.

Zweimonatige Verspätung

Am Montag wurde der zweite Versuch mit zweimonatiger Verspätung unternommen. Ungefähr 200 Gäste nahmen die Einladung an. Neu in die Rolle des Gastgebers war Bürgermeister Jørgen Popp Petersen, Schleswigsche Partei, geschlüpft. Zum ersten Mal seit seiner Wahl trug er auch die schwere Bürgermeisterkette um den Hals, als er mit Kjelkvist die geladenen Gäste begrüßte.

Bürgermeister Jørgen Popp Petersen, der Vorsitzende des Wirtschaftsrats, Bo Kjelkvist, und Festredner Alexander von Oettingen sprachen zu den rund 200 Gästen des Neujahrsempfangs. Foto: Elise Rahbek

Der Krieg in der Ukraine sollte in den folgenden Redebeiträgen eine zentrale Rolle einnehmen. „Allein in unserer Kommune leben mehr als 400 ukrainische Staatsbürgerinnen und -bürger. Damit gehören wir zu den Kommunen, in denen die meisten Menschen ukrainischer Herkunft leben, die täglich ihrer Arbeit nachgehen oder eine Schule besuchen. Deswegen haben wir heute auch vor dem Rathaus die ukrainische Fahne gehisst“, erklärte das Stadtoberhaupt.

Vor dem Rathaus war die ukrainische Nationalfahne gehisst worden. Foto: Elise Rahbek

„Die Ukrainer können von Dänemark aus nur zuschauen, was in ihrem Heimatland geschieht. Andere reisen nach Hause und ziehen in den Krieg. Viele Dänen haben ihre Hilfe angeboten, und ich bin froh und stolz über den Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern unserer Kommune, die ukrainische Flüchtlinge geholt haben“, unterstrich der SP-Politiker.

Wladimir Putin rechtfertige den Angriff mit der angeblichen Unterdrückung der russischen Minderheit in ukrainischen Provinzen. „Wir sehen weltweit, dass die Bedingungen für ethnische und nationale Minderheiten viel zu oft Gegenstand für Konflikte und Uneinigkeiten sind. Umso mehr können wir uns über die friedliche Koexistenz im deutsch-dänischen Grenzland freuen“, so Jørgen Popp Petersen.

Minister Jesper Petersen im Gespräch mit dem BDN-Hauptvorsitzenden Hinrich Jürgensen. Aus dem Folketing war auch Venstre-Mitglied Hans Christian Schmidt gekommen. Foto: Elise Rahbek

„In der Kommune Tondern leben Menschen aus ungefähr 100 Nationen, besonders viele Deutsche, Polen, Rumänen und Ukrainer und die Anzahl steige. Eine gemeinsame Aufgabe beider Seiten ist es, sie zu einem Teil unserer Gesellschaft zu machen. Wir können aufgrund der fallenden Einwohnerzahlen neu Zugezogene gut gebrauchen“, so der SP-Politiker.

 

Alexander von Oettingen hielt eine ergreifende, nachdenklich stimmende Rede. Foto: Elise Rahbek

Auch der Festredner, Alexander von Oettingen, Rektor der Ausbildungsstätte University College Syd (UC Syd) in Hadersleben (Haderslev), konnte es nicht lassen, in seinem Redebeitrag auf den Krieg einzugehen, obwohl sein Thema eigentlich sein Verhältnis zu Tondern und Ausbildungsmöglichkeiten sein sollten.

Trost in einer trostlosen Zeit

„In unserer Grenzregion kennen wir, was Krieg bedeutet. Hier hat man zwei Weltkriege erlebt. Mit der Volksabstimmung 1920 entstanden die deutsche Minderheit in Nordschleswig und die dänische südlich der Grenze. Man hat hier aber gezeigt, dass man sehr wohl miteinander leben kann, ohne Angst voreinander zu haben. Es ist sogar so weit gekommen, dass man in Flensburg einen Vertreter der dänischen Minderheit in den Deutschen Bundestag gewählt hat, und hier in Tondern waren alle Parteien so mutig, Jørgen Popp Petersen zum Bürgermeister zu wählen. Das spendet Trost in einer trostlosen Zeit“, so Oettingen.

Gäste aus Nordfriesland: Der Bürgermeister und Bürgervorsteher von Leck, Andreas Deidert (r.), Hans-Martin Petersen (Bildmitte), und Bürgervorsteher aus Niebüll, Uwe Christiansen. Wilfried Bockholt, Bürgermeister aus diesem Ort, konnte krankheitsbedingt nicht kommen. Foto: Elise Rahbek

Seit dem 24. Februar erlebe man aber wiederum, was es heißt, wenn eine selbstständige Nation überfallen wird.

„Wir sehen Putin und seine Macht, aber auch einen Mann fern von der Wirklichkeit. Wir erleben eine Katastrophe in Zeitlupe. Unsere Kinder kennen nur Krieg von ihren Computerspielen wie World of Warcraft. Wir können ihnen nicht erklären, was in der Ukraine vor sich geht. In der schnelllebigen Zeit geht es um mehr und mehr Wachstum trotz der Gefahr des Vergessens“, warnte der UC-Syd-Rektor.

Kein fürchterliches Neujahr wünschen

„Eigentlich sollte man sich wegen des Kriegs ein fürchterliches Neujahr wünschen, aber das wäre falsch. Vielmehr soll die Hoffnung im Mittelpunkt stehen. Wir müssen Zusammenhalt zeigen. Wir dürfen nicht schweigen und Angst haben, sondern unsere Stimmen erheben“, erklärte Alexander von Oettingen, Sohn eines deutschen Vaters und einer dänischen Mutter. Fünf Jahre besuchte er die deutsche Schule für ausländische Soldaten in Viborg.

Danach erfolgte der Umzug nach Südschleswig (Sydslesvig), wo von Oettingen eine dänische Schule besuchte. In einer Minderheit aufzuwachsen, sei Fluch und Glück zugleich. Fluch, da man zu keiner Seite gehört. Glück, da man die Welt von zwei kulturellen Perspektiven betrachten kann, hat er in einem Interview erklärt. Er wohnt mit seiner Familie in Husby in Südschleswig. 

Drei Minuten Festival

Mehr über seinen Redebeitrag, den er in deutscher und dänischer Sprache hielt, wird später in einem gesonderten Artikel berichtet, unter anderem, warum er als 16-Jähriger das Tønder Festival nur drei Minuten bei seinem ersten und letzten Besuch erlebte.

 

 

 

 

Jørgen Popp Petersen im Gespräch mit Unternehmer Christian Frisk aus Hoyer (r.) und dem Direktor des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig, Tage Hansen. Foto: Elise Rahbek
Sänger Kasper Buch aus Mögeltondern unterhielt die Gäste in den Pausen. Foto: Elise Rahbek
Jens Møller (r.) zählte zu den Stadtratsmitgliedern, die ihren Dienst nach der Kommunalwahl unfreiwillig quittieren mussten. Bürgermeister Jørgen Popp Petersen bedankte sich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die entweder nicht wiedergewählt oder freiwillig ausgeschieden sind. Foto: Elise Rahbek
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