Bürgermeisterwahl 2021

Popp: „Das kam nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel“

Popp: „Das kam nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel“

Popp: „Das kam nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel“

Tondern/Tønder
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Jørgen Popp Petersen ist seit knapp einem Jahr als Bürgermeister im Amt. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

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Die lange und spannende Wahlnacht im November 2021 gipfelte mit einem historischen Ergebnis. Gemeinsam mit dem ersten Bürgermeister der Schleswigschen Partei schrauben wir die Zeit um zwölf Monate zurück.

Sei 1. Januar 2022 ist er Bürgermeister der Kommune Tondern, und seit dem 5. November kann sich Jørgen Popp Petersen, Seewang (Søvang), Preisträger des Nordschleswig-Preises nennen.

Der Titel als Preisträger ist mit seiner Position als erster Bürgermeister aus den Reihen der deutschen Minderheit im Grenzland der Gegenwart verknüpft.

Der Vorsitzende der Jes-Schmidt-Stiftung, Siegfried Matlok, erwähnte bei der Verleihung in der Sporthalle beim Deutschen Tag in Tingleff (Tinglev), dass mit Popps Ernennung zum Bürgermeister der Traum der Stiftung von der Gleichwertigkeit von Minderheit und Mehrheit in Nordschleswig in Erfüllung gegangen sei.

„Ein ganz besonderes Gefühl“

„Die Anerkennung ist schön. Es war schon ein ganz besonderes Gefühl, als alle standen und applaudierten“, sagt Jørgen Popp Petersen dem „Nordschleswiger“ rund eine Woche nach der Preisverleihung.

Die Frage, ob es Bedeutung hat, wenn die Anerkennung von innen aus der Minderheit kommt, beantwortet er in seinem Bürgermeisterbüro im ersten Stock im Rathaus in Tondern mit Ja.

Die Anerkennung ist schön.

Jørgen Popp Petersen, Bürgermeister

„Ich habe auch immer gefunden, dass es etwas Besonderes ist, beim Bund Deutscher Nordschleswiger in Osterhoist zu sein, da es ja da ist, wo ich herkomme“, so der Nordschleswig-Preisträger.

Für Jørgen Popp Petersen die beste Aussicht in der Stadt Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Langjähriges Engagement

Popp, der seit geraumer Zeit in der Lokalpolitik mitmischt, hat sich in der Kindheit der vier Töchter von ihm und seiner Frau Elsbeth als Vorsitzender für den Kindergarten in Osterhoist (Øster Højst) eingesetzt.

Als die Mädels Handball spielten, engagierte sich der langjährige Vorsitzende des Landwirtschaftlchen Hauptvereins für Nordschleswig ehrenamtlich an der Spitze des Sportvereins SG West.

Wie in seiner Dankesrede in Tingleff weist Popp Petersen im Gespräch darauf hin, dass man einen Bürgermeisterposten nicht mit vier Mandaten in der Wahlnacht gewinnt.

Dies fuße vielmehr auf solider und vertrauensvoller Arbeit der Schleswigschen Partei durch Jahre, die nicht nur in Tondern geleistet worden sei.

„Übergeordnet gibt es keine Berührungsangst mit der SP“, so der Bürgermeister.  

Der 16. November 2021

Gemeinsam mit ihm schrauben wir die Zeit um zwölf Monate zurück, um den Wahltag 16. November 2021, der in die nächtliche Verlängerung ging, aufleben zu lassen.

„Dass ich Bürgermeister wurde, kam ja nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, da die Möglichkeit da war“, sagt Jørgen Popp Petersen.

In einer Sendung von "DK-Syd" im September 2021 hatte der frühere Regionsvorsitzende Carl Holst (Venstre) diese Möglichkeit durch die Situation mit der Spaltung von Venstre angesprochen.

Dass es um die Zusammenarbeit im Stadtrat nicht gut bestellt war, war ein offenes Geheimnis.

„Ich bin bereit“

„Das ist eine gute Frage, ich bin bereit, einen Versuch zu machen“, lautete Popps Antwort, als Redakteur Poul Erik Thomsen in einer weiteren Fernsehsendung fragte, wer im November Tonderns Bürgermeister werden würde.

Der damalige Bürgermeister Henrik Frandsen (Tønder Listen), Barbara Krarup Hansen (Soz.) sowie Martin Iversen (Venstre) nannten jeweils ihre eigenen Namen.

Popp zeigt auf seinem Handy Momente aus dem Wahlkampf. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Laufschuhe geschnürt

Am Wahltag gab es im Familienkreis auf dem Hof in Seewang einen runden Geburtstag zu feiern.

Gegen 14 Uhr lief der Bürgermeisterkandidat der Schleswigschen Partei seine etwa zehn Kilometer lange Runde und machte einen Facebook-Eintrag „Die Tagesform hält noch“.

Wie lang dieser Tag werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht abzusehen.

Wahlkampf bis zuletzt

Zwischen 17 und 18 Uhr machte er beim Supermarkt Kvickly in Tondern noch Wahlwerbung.

„Ich teilte SP-Kugelschreiber aus. Man durfte coronabedingt ja seinen eigenen Schreiber ins Wahllokal mitbringen“, so Popp Petersen.

Am Wahlabend hatte die Schleswigsche Partei wie die übrigen Parteien einen Raum im Rathaus. Da sie nicht im „Glaskasten“ im ersten Stock zur Schau sitzen wollten, deckte die Serviceabteilung des Rathauses in einer gewissen Höhe die Fensterfront Richtung Gang mit braunem Papier ab.

„Als wir da saßen, konnten wir zwischendurch sehen, wie Leute sich bückten und untendrunter hereinschauten“, erinnert er sich lachend.

Mehr als Beine gab es dort nicht zu sehen. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Kein Besuch im Wahlcafé

Während im Wahlcafé im Rathaus-Foyer die Fernsehkameras im Einsatz waren, wurde Popp dort nicht gesichtet.

„Ich bin am Wahlabend noch nie im Wahlcafé im Rathaus gewesen. Das war ich auch an diesem Abend nicht, obgleich sogar ein Washington-Korrespondent anwesend war“, so Popp in Gedanken an das große Aufgebot nicht nur lokaler, sondern auch landesweiter Medien.

Die Fernsehsender hatten dabei vor allem den Fokus auf den Wettstreit zwischen dem amtierenden Bürgermeister Henrik Frandsen von Tønder Listen und seinem Herausforderer Martin Iversen von Venstre gerichtet.

Tolles Abschneiden

Im Vorfeld der Wahl habe es viele Treffen mit verschiedenen Parteien gegeben, so Popp.

„Es stand ja verhältnismäßig früh fest, dass wir in Lügumkloster, in Hostrup und Osterhoist die größte Partei waren. Wir hatten aber auch die Zahlen der Tønder Listen und Venstre im Blick. Wir waren über die große Stimmenzahl von Tønder Listen überrascht“, so Popp.

Die Liste mit Bürgermeister Henrik Frandsen an der Spitze, die nach der Spaltung von Venstre gegründet wurde, kam auf Anhieb auf 5.906 Stimmen (9 Mandate).

Foto: Brigitta Lassen

Kulturänderung auf der Agenda

„Es war klar, dass es keine Lust gab, wieder auf denselben Bürgermeister zu zeigen“, so Popp.

Im Vorfeld seien verschiedene Treffen vereinbart gewesen. Es habe aber keine Absprache gegeben, dass sich alle Parteien treffen.

Der SP-Mann hatte sich im Wahlkampf für eine Kulturänderung in der Zusammenarbeit im Stadtrat eingesetzt, die sehr zu wünschen übrigließ.

An einem gemeinsamen Tisch

Als die Zahlen für die Kommune vorlagen, setzten sich die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien mit Ausnahme von Tønder Listen auf seine Aufforderung hin alle im Sitzungszimmer 204 an einen Tisch.

Diesen Raum verließen sie vorerst nicht.

„Wir sprachen über viele verschiedene Dinge, aber nicht über den Bürgermeisterposten. Da gab es in dieser Runde wohl vier Personen, die diese Ambition hatten“, so Popp Petersen. 

Außer ihm waren das Thomas Ørting Jørgensen (Borgerlisten), Barbara Krarup Hansen (Sozialdemokratie) und Martin Iversen (Venstre).

Bürgermeister Henrik Frandsen bei der Bekanntgabe der Mandatsverteilung (Archivfoto) Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Persönliches Ergebnis entscheidend

Die Tønder Liste sei nicht eingeladen gewesen, da die Parteien einen neuen Start wünschten. Es sei aber keine Tür zugeknallt worden, sie sei halt geschlossen gehalten worden.

„Als die persönlichen Zahlen kamen, ergriff ich das Wort. Andernfalls hätte es ja wohl komisch ausgesehen“, so Popp Petersen mit einem verschmitzten Lächeln.

Er erzielte 1.913 Stimmen und erhielt somit in diesem Forum die weitaus meisten Stimmen. Für Barbara Krarup Hansen votierten 582 Stimmberechtigte. Den Namen von Ørting Jørgensen kreuzten 552 Personen an, und es entfielen 498 Stimmen auf Martin Iversen.

Die höchste Anzahl persönlicher Stimmen erhielt mit 3.763 Henrik Frandsen.

Rückendeckung kam schnell

„Es dauerte nicht lange, bevor die volle Rückendeckung da war“, so Popp Petersen.

„Ich habe Henrik Frandsen angerufen, bevor er das Rathaus verließ. Es ist aber niemand rangegangen“, so Frandsens Nachfolger.

Den Anruf habe er vor der medial umwirbelten SMS an Frandsen getätigt. „Wir hätten Tønder Listen gerne dabeigehabt, ließen aber einige Posten offen stehen, da keine Reaktion kam“, so Popp.

Jørgen Popp Petersen gibt das Ergebnis der nächtlichen Verhandlungen bekannt (Archivfoto). Foto: Monika Thomsen

Historisches Ergebnis am frühen Morgen

Gegen 3.40 Uhr folgte dann für Popp und die sechs Parteien, die ihn unterstützten, der Gang zur Treppe.

Dort verkündete er vor den Kameras, die nach der langen Wartezeit wieder angeworfen wurden, das historische Ergebnis mit einem Bürgermeister aus der deutschen Minderheit und die Besetzung weiterer Posten.

Unterstützung gab es zu diesem Zeitpunkt von sechs der acht Parteien. Die  Mehrheitsfraktion bestand aus 21 Politikerinnen und Politikern.

Es folgten Glückwünsche aus den Reihen der Wartenden, zu denen auch SP-Anhängerinnen und Anhänger mit Durchhaltevermögen gehörten.

Frühmorgens mit Champagner empfangen

„Es war schon ein etwas unglaubliches Gefühl. Danach bin ich dann nach Hause gefahren. Dort standen sie alle und warteten und empfingen mich mit Champagner. Das hatte ich nicht erwartet“, so der SP-Politiker.

Es folgte die Stallarbeit, bevor mit Gert Eilrich der erste Medienvertreter auf dem Hof in Seewang anrollte. Er sollte an diesem Tag nicht der Einzige sein. Einige Medien kamen mehrmals.

Überrascht über das große Medieninteresse nach der Wahl des „deutschen“ Bürgermeisters war er nicht. „Das war zu erwarten“, sagt er zwölf Monate später.

Das SP-Team am frühen Morgen nach einer langen Wahlnacht: (v.l.): Leif Hansen, Louise Thomsen Terp, Randi Damstedt und Jørgen Popp Petersen (Archivfoto) Foto: Monika Thomsen

Komische und angespannte Stimmung

Vier Tage nach der Wahl gesellte sich Tønder Listen zur Mehrheitsfraktion. Später kam auch die Sozialistische Volkspartei dazu.

„Es war während der Zeit eine komische und hoch angespannte Atmosphäre. Ich habe mir im Nachhinein überlegt, dass es vielleicht ganz gut und vernünftig ist, dass es diese Phase bis zur Konstituierung gibt. Hätte man Murks gebaut, würde es in der Zwischenzeit ja in die Brüche gehen“, so Popp.

Bo Jessen (l.) gratuliert Jørgen Popp Petersen zur Wahl als Bürgermeister. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Volle Rückendeckung

Drei Wochen nach dem Unterzeichnen der Vereinbarung war die Angelegenheit dann mit der Konstituierung des Kommunalrats in trockenen Tüchern. Nach weiteren drei Wochen fing Popps Kapitel als Bürgermeister an.

Ein Artikel darüber, wie Tonderns Bürgermeister die bisherige Amtszeit erlebt hat, folgt.

 

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