Standpunkt

„Offener Brief des MSPI-Bürgerkomitees“

Offener Brief des MSPI-Bürgerkomitees

Offener Brief des MSPI-Bürgerkomitees

Hans Heinrich Hansen und Hunor Kelemen
Brüssel
Zuletzt aktualisiert um:
Hans Heinrich Hansen
Hans Heinrich Hansen Foto: Karin Riggelsen

In diesem Brief drücken die Vertreter des MSPI-Bürgerkomitees, Prof. Hans Heinrich Hansen und Hunor Kelemen, ihr Bedauern über die Ablehnung der Vorschläge der Minority SafePack Initiative durch die EU-Kommission aus.

Sehr geehrte Präsidentin Von der Leyen, sehr geehrte Vizepräsidentin Jourová,

mit diesem Schreiben möchten wir die große Enttäuschung des Bürgerkomitees der Europäischen Bürgerinitiative Minority SafePack über die Mitteilung der Europäischen Kommission mit ihren politischen und rechtlichen Schlussfolgerungen zur Initiative zum Ausdruck bringen, die uns am 15. Januar übermittelt wurde. Wir nehmen mit tiefem Bedauern die Weigerung der Europäischen Kommission zur Kenntnis, Rechtsakte in allen neun Bereichen der von der Kommission registrierten EBI vorzuschlagen und damit die Stimmen von mehr als einer Million europäischer BürgerInnen zu ignorieren, die die Initiative auf den Weg gebracht haben.

VertreterInnen nationaler und sprachlicher Minderheiten, einschließlich der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), ergriffen das revolutionäre Instrument der partizipativen Demokratie, das mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt wurde, mit großem Enthusiasmus und viel Hoffnung, da sie darin eine große Chance sahen, ihren Stimmen und Anliegen Gehör zu verschaffen und letztlich die Lücke zu füllen, die der Rechtsrahmen der EU bezüglich nationaler und sprachlicher Minderheiten aufriss.

Diese Hoffnung und die Zuversicht, dass die in den Verträgen verankerten Werte auf unserer Seite sind, ließen uns auch dann weitermachen, als die Kommission 2013 die Registrierung unserer Initiative ohne jegliche Begründung ablehnte. Wir hatten keinen Zweifel daran, dass wir die Berufung, die wir beim Gerichtshof der Europäischen Union einlegten, gewinnen würden, so wie wir auch keinen Zweifel daran hatten, dass wir das zweite Gerichtsverfahren, das Rumänien gegen die neue Entscheidung der Kommission zur Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative Minority SafePack einreichte, gewinnen würden. Wir behielten in beiden Fällen Recht, denn der Gerichtshof hat nicht nur zweifelsfrei bestätigt, dass die EU berechtigt ist, Gesetzesvorschläge in den 9 Bereichen der EBI zu erlassen, sondern auch, dass diese Vorschläge zu den primären Werten und Zielen unserer Union beitragen.

Auch nach dem Abschluss der erfolgreichen Unterschriftensammlung haben wir nicht aufgehört uns für die MSPI einzusetzen. Im Zeichen von Offenheit und Kooperation sind wir noch einen Schritt weiter gegangen, um der Europäischen Kommission unsere Anliegen verständlich zu machen: Wir haben unsere Vorstellungen in konkreten Legislativvorschlägen an die Kommission formuliert, die wir auch während der sehr erfolgreichen öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament ausführlich erläutert haben.

Wir sind auch über das Notwendige hinausgegangen, als wir die Unterstützung nationaler und regionaler Regierungen und Gesetzgeber gesucht und erhalten haben, um den starken öffentlichen Rückhalt für unsere Initiative in ganz Europa hervorzuheben, damit die Kommission sicher sein kann: Es ist nicht nur eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments, die uns unterstützt. Trotz der Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich brachte, ist uns dies im Fall des Deutschen Bundestags, der Zweiten Parlamentskammer der Niederlande, des ungarischen Parlaments, der Landtage von Schleswig-Holstein, Sachsen und Brandenburg, des Landtags der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und des friesischen Parlaments gelungen.

Umso erstaunter waren wir über die völlige Ablehnung der Europäischen Kommission, die offenbar mehr Wert darauf legte, eine Liste mit bestehenden Maßnahmen und Projekten zu erwähnen, die oft in keiner Weise mit den Zielen der EBI in Verbindung stehen, um die Vorschläge als überflüssig abzutun, statt die Initiative genau zu prüfen und auf die Anliegen der InitiatorInnen einzugehen.

Die Reaktion der Kommission zeigt auch das fehlende Verständnis dafür, dass eine Europäische Bürgerinitiative, die für über 1 Million BürgerInnen spricht, mehr bewirken muss als die Darstellung einer einfachen Bestandsaufnahme der laufenden Maßnahmen. Das Prinzip der guten Verwaltung hätte bedeutet, konkret und proaktiv auf die Anliegen der InitiatorInnen, UnterzeichnerInnen und BürgerInnen einzugehen. Die Kommission hätte dies entweder mit den von uns geäußerten Maßnahmen tun können oder mit jedem anderen Mittel, das sie als Ergebnis einer soliden Bewertung für am geeignetsten gehalten hätte.

Auch die Reichweite an Maßnahmen, die die Kommission zum Schutz und zur Förderung von Angehörigen nationaler und sprachlicher Minderheiten ergreifen kann, wurden von der Kommission falsch eingeschätzt, wobei die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die grundsätzlichen Kompetenzen der Kommission in den Bereichen des Minority SafePack völlig ignoriert wurde. Darüber hinaus sind die Argumente, die die Kommission zur Rechtfertigung ihrer mangelnden Weiterverfolgung anführt, in vielen Bereichen nicht stichhaltig.

So gab es keine eindeutige Begründung für die Weigerung, eine Empfehlung des Rates vorzuschlagen, durch die die Mitgliedstaaten im Rahmen der offenen Koordinierungsmethode bewährte Verfahren im Bereich des Minderheitenschutzes hätten austauschen und gemeinsame Ziele im Bereich Bildung, Kultur und Sprache für nationale Minderheiten hätten festlegen können, wodurch der Schutz nationaler Minderheiten in der EU auf ein neues qualitatives Niveau gehoben worden wäre.

Wie in unseren Vorschlägen erwähnt, sind unzählige Regional- und Minderheitensprachen in Europa vom Aussterben bedroht. Deshalb haben wir ein eigenes Europäisches Zentrum für Sprachenvielfalt gefordert, um die Erforschung und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit gefährdeten und weniger gesprochenen Sprachen in der EU zu fördern. In der Mitteilung der Kommission wurde unsere Forderung jedoch mit dem Hinweis auf die bestehende Zusammenarbeit mit dem Europäischen Fremdsprachenzentrum des Europarates abgetan. Obwohl diese geschätzte Institution einen völlig anderen Tätigkeitsbereich hat und keines der von uns geforderten Ziele verfolgt, war die Kommission der Meinung, dass sie den Forderungen der EBI allein schon deshalb gerecht wird, weil Regional- und Minderheitensprachen nicht ausdrücklich aus ihrem Tätigkeitsbereich ausgeschlossen sind. Gerade im Hinblick auf das reiche gefährdete kulturelle Erbe in der EU halten wir diese Forderung nach wie vor für ein zentrales Element der EBI, das unbedingt umgesetzt werden sollte, um den Regional- oder Minderheitensprachen auf dem europäischen Kontinent eine schützende Hand zu reichen.

Was die Vorschläge zum „Geoblocking“ betrifft, weisen wir erneut auf die besondere Bedeutung des ungehinderten grenzüberschreitenden Zugangs zu audiovisuellen Inhalten für kleine Sprachgemeinschaften hin, um wichtige Inhalte in ihrer Muttersprache konsumieren zu können. In ihrer Antwort ignorierte die Kommission erneut weitgehend alle unsere konkreten Vorschläge und Begründungen und verwies lediglich auf Schritte, zu denen sie in irgendeiner Weise verpflichtet ist, um bestehende Gesetze einzuhalten, oder auf Anbieter digitaler Dienste wie Netflix, die in Zukunft mehr europäische Produkte in ihrem Programm anbieten, was zwar ein guter Grundsatz ist, aber nicht auf die Forderung nach grenzüberschreitendem Zugang zu audiovisuellen Medieninhalten für nationale Minderheiten eingeht.

Solche Argumente mangelnder Relevanz seitens der Kommission ziehen sich leider durch die gesamte Mitteilung vom 15. Januar 2021.

Unsere Enttäuschung wird von mehreren nationalen und sprachlichen Minderheitengemeinschaften und BürgerInnen Europas geteilt, die unsere Initiative unterzeichnet haben. Trotz unserer Enttäuschung werden wir ihr Vertrauen nicht aufgeben und wollen ihre Anliegen und Forderungen weiter ansprechen, um einen soliden Beitrag zu einem Europa zu leisten, das alle seine BürgerInnen als wirklich gleichwertig ansieht.

Wir sind überzeugt, dass auch die Europäische Kommission eines Tages die Notwendigkeit erkennen wird, die Erwartungen derjenigen BürgerInnen Europas zum Ausdruck zu bringen, die nationalen und sprachlichen Minderheiten angehören. Wir reichen der Kommission weiterhin die Hand, um dieses Anliegen in der EU voranzubringen.

Hochachtungsvoll,

Prof. Hans Heinrich Hansen Ehrenpräsident der FUEN, Repräsentant des MSPI-Bürgerkomitees

Hunor Kelemen, Präsident der Demokratischen Allianz der Ungarn in Rumänien, stellvertretender Repräsentant des MSPI-Bürgerkomitees

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