Leitartikel
„Der FUEN-Kongress nordet die deutsche und die dänische Minderheit ein“
Der FUEN-Kongress nordet die deutsche und die dänische Minderheit ein
FUEN nordet deutsche und dänische Minderheit wieder ein
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FUEN-Kongress: Die Minderheiten Europas treffen sich dieser Tage in Husum. Für uns ein Weckruf – denn dass es vielen Minderheiten nicht gut geht, kann im deutsch-dänischen Grenzland schnell mal in Vergessenheit geraten, meint Journalistin Marle Liebelt.
Seit Donnerstag und noch bis Sonntag versammeln sich Minderheiten aus ganz Europa in Husum. Grund ist der FUEN-Kongress. Die FUEN (Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten) bilden kurz gesagt den Dachverband der Minderheiten in Europa und setzen sich seit 75 Jahren für deren Rechte ein.
Im vergangenen Jahr fand der Kongress in Pécs in Ungarn und 2022 in Berlin statt. Jetzt ist es das beschauliche Husum in Nordfriesland, in dem über die aktuelle und zukünftige Situation der europäischen Minderheiten diskutiert wird. Und das ist auch gar nicht so schlecht.
Der diesjährige FUEN-Kongress zeigt auf, dass es den Minderheiten in Europa nicht gut geht. Das könnte man hier im deutsch-dänischen Grenzland manchmal vergessen. Wenn die Minderheitenvertreterinnen der dänischen und deutschen Minderheit in Süd- und Nordschleswig daran arbeiten, dass ihre Herbergsstaaten ihnen mehr Zugeständnisse machen, geht es um Fragen, von denen andere Minderheiten nur träumen.
Dem deutsch-dänischen Grenzland tut der kleine Reminder, den der FUEN-Kongress hierher bringt, ganz gut. Tatsache ist nämlich, dass es in Europa rund 360 Minderheiten gibt. „Und der Mehrheit der Minderheiten geht es schlecht“, bringt es Paul Videsott vom Südtiroler Volksgruppen-Institut am Freitag in Husum auf den Punkt. Etwa zwei Drittel dieser rund 360 Minderheiten würden schrumpfen. „Sie gibt es kein zweites Mal.“ Mit anderen Worten: Wenn sie und ihre Sprachen nicht jetzt geschützt werden, sterben sie aus.
Und das meint der Wissenschaftler genau so. Teils gebe es nur noch die Großelterngeneration, die die Minderheiten-Identität in sich trägt, und oft sind sie die Letzten, mit denen ihre Kinder oder vielleicht auch noch Enkel eine Minderheitensprache sprechen.
Der Trend ist leider – so lautet die wichtige Botschaft fast aller Rednerinnen und Redner des Kongresses in Husum –, dass Minderheitenrechte immer öfter ignoriert statt gestärkt werden.
Für Menschen aus Nord- und Südschleswig klingt das vielleicht etwas dramatisierend. Hier haben die Generationen aber auch gut reden. Dänisch und Deutsch sind nicht gerade gefährdete Sprachen. Und es gibt deutsche und dänische Schulen beiderseits der Grenze. Wenn der kleine Hans im familiären Umfeld eigentlich nur noch mit seiner Oma Lotta Deutsch spricht, ist Deutsch in Nordschleswig nicht sofort vom Aussterben bedroht. Schließlich gibt es deutsche Schulen.
Das ist ein Privileg, auf dem sich die Minderheiten hier im Grenzland niemals ausruhen sollten. Die deutsche Minderheit in Polen kann ein Lied davon singen. Inzwischen hat die neue Regierung die von der Vorgängerregierung gestrichenen Mittel für den Deutschunterricht wieder bereitgestellt. Aber der Fall hat gezeigt, dass die Existenz der Minderheit alles andere als selbstverständlich ist. Vielmehr ist sie vom Wohlwollen der Regierung in ihrem Herbergsstaat abhängig.
Die FUEN ist also wichtig. Sie kämpft dafür, dass der Schutz von Minderheitenrechten auf europäischer Ebene gesichert wird. Eben damit die Minderheiten nicht mehr vom Engagement der Mächtigen ihres Landes abhängig sind.
Es mag manchmal banal klingen, wenn die Vertreter oder potenziellen Vertreterinnen vom Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) mit dänischen Politikerinnen und Politikern über zweisprachige Ortsschilder oder eine offizielle deutschsprachige Ansprechperson in den Kommunen reden, wenn es in der Praxis doch so ist, dass sich schon irgendwer findet, der oder die auch auf Deutsch weiterhelfen kann.
Doch: Jede Errungenschaft, die die Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger erzielen, ist immer auch eine Errungenschaft für alle Minderheiten in Europa.
Das vergisst man hier leicht. Gut also, dass die FUEN uns dieser Tage in Husum zurück auf den Boden der Tatsachen holt.