Tarifabkommen

Pläne für EU-Mindestlohn: Keine Ausnahmen für Dänemark

Pläne für EU-Mindestlohn: Keine Ausnahmen für Dänemark

Pläne für EU-Mindestlohn: Keine Ausnahmen für Dänemark

Ritzau/nb
Brüssel/Kopenhagen
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Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments hat am Donnerstagnachmittag für einen Vorschlag der EU-Kommission über einen gemeinsamen europäischen Mindestlohn gestimmt. Foto: Eric Lalmand

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Der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments hat am Donnerstag dem Vorschlag der EU-Kommission für die Einführung eines EU-weiten Mindestlohns zugestimmt. Ein Änderungsvorschlag, der Ausnahmen für Dänemark vorsah, fand keine Mehrheit. Die dänische Regierung fürchtet nun, dass das nordische Arbeitsmarktmodell unter Druck geraten könnte.

Am Donnerstagnachmittag erhielt der Vorschlag der EU-Kommission für die Einführung eines europäischen Mindestlohns eine Mehrheit im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten. Damit können die Verhandlungen über die Ausgestaltung der umstrittenen Direktive für einen durch die Europäische Union bestimmten Mindestlohn weitergeführt werden.

Ein Änderungsvorschlag, der Ausnahmen für Dänemark vorsah, bekam im Ausschuss keine Mehrheit.

Sorge um nordisches Arbeitsmarktmodell

Es ist ungewiss, ob das Europäische Parlament noch direkt Stellung zu der Direktive beziehen wird, bevor die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten darüber beginnen. In diesem Falle würde das EU-Parlament erst am Ende der Verhandlungen über den Vorschlag abstimmen.

Aus diesem Grunde befürchten die dänische und die schwedische Regierung, dass das nordische Arbeitsmarktmodell, bei dem die Arbeitsmarktparteien und nicht die Politiker die Lohnverhandlungen führen, unter Druck geraten kann.

Kein Mindestlohn in Dänemark

Mit dem Vorschlag möchte die EU-Kommission Lohndumping bekämpfen.

Zwar legt der Vorschlag keinen bestimmten Satz für einen Mindestlohn fest, jedoch sollen die Mitgliedsstaaten, die bereits über eine Mindestlohnregelung verfügen, für eine angemessene Höhe des Mindestlohns sorgen, indem sie ein Berechnungsmodell entwickeln, das nationale Besonderheiten berücksichtigt. Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten schlägt einen Satz von 60 Prozent des mittleren Einkommens vor.

In Dänemark gibt es keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Stattdessen verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Lohn- und Arbeitsbedingungen ohne Einmischung der Regierung. Die weitgehende Nichteinmischung durch die öffentliche Hand wird als das dänische Arbeitsmarktmodell bezeichnet. Grundlage hierfür ist unter anderem die hohe Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Gewerkschaften organisiert sind.

Vor diesem Hintergrund haben sich wechselnde dänische Regierungen stets gegen EU-Gesetzgebungsinitiativen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik ausgesprochen, da das dänische Arbeitsmarktmodell als gut funktionierend bewertet wird.

Die Kommission hat vorgeschlagen, Länder, in denen mindestens 70 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Tarifvereinbarungen abgesichert sind, von einer Mindestlohnregelung auszunehmen. Der Ausschuss für Beschäftigung schlägt 80 Prozent als Grenze vor.

In Dänemark sind etwas mehr als 80 Prozent der Arbeitnehmer durch einen Tarifabschluss abgesichert, weshalb die Regelung für Dänemark zunächst nicht in Kraft treten würde. Kritiker befürchten jedoch, dass das Land bei einem leichten Absinken schnell unter die Mindestlohnregelung fallen könnte. Außerdem könnte die Arbeitnehmerseite vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Dänische EU-Parlamentarier halten Mehrheit für wahrscheinlich

Nach Einschätzung der dänischen Abgeordneten im Europäischen Parlament ist es wahrscheinlich, dass die Direktive eine Mehrheit im Parlament findet.

Die Direktive soll zwar nur für Mitgliedsstaaten gelten, die bereits einen Mindestlohn haben. Dies ist weder in Dänemark noch in Schweden der Fall. Zudem haben beide Länder die Zusicherung erhalten, dass die Regelung zunächst keine Bedeutung für sie haben wird.

Allerdings besteht die Befürchtung, dass der Mindestlohn auch in Dänemark oder Schweden Wirklichkeit werden könnte, sofern ein Arbeitnehmer in einem der Länder den Fall vor den Europäischen Gerichtshof bringt. Dieser könnte gegebenenfalls Dänemark oder Schweden zur Einführung eines Mindestlohns zwingen.

EU sollte sich nicht in Tarifabsprachen einmischen

Die dänischen EU-Parlamentarier sind hingegen der Auffassung, dass sich die EU nicht in Lohn- und Tarifabsprachen einmischen sollte.

Für den Abgeordneten des Europäischen Parlaments Nikolaj Villumsen (Einheitsliste) geben die Nachrichten aus Brüssel Anlass zur Sorge. „Dies ist ein schwarzer Tag für das dänische Arbeitsmodell. Wir befinden uns jetzt in einer sehr schweren Situation, in der eine Mehrheit im Beschäftigungsausschuss nicht nur den Vorschlag eines EU-bestimmten Mindestlohns unterstützt, sondern auch das Parlament umgehen möchte. Das ist sehr tragisch und undemokratisch“, sagt er.

Seiner Einschätzung nach steht Dänemark damit sehr schlecht da.

Die EU-Parlamentarierin Marianne Vind (Soz.) möchte versuchen, den Prozess mithilfe einer prozessualen Finte zu verzögern. „Die Chancen sind nicht groß, aber es wäre nicht das erste Mal, dass ein Ausschussbeschluss von den EU-Abgeordneten überstimmt wird. Alle Methoden sind erlaubt, um unser dänisches Modell zu beschützen“, sagt sie.

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