EU-Recht

SF: Justizminister muss nachweisen, dass die Grenzkontrollen legal sind

SF: Justizminister muss nachweisen, dass die Grenzkontrollen legal sind

SF: Regierung muss Legalität der Grenzkontrollen nachweisen

Kopenhagen/Nordschleswig
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SF-Sprecherin Karina Lorentzen sieht durch ein EU-Urteil die Rechtmäßigkeit der Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze hinterfragt (Archivfoto). Foto: Ida Marie Odgaard/Ritzau Scanpix

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Die Justizsprecherin der Sozialistischen Volkspartei, Karina Lorentzen, verlangt von Justizminister Peter Hummelgaard Klärung über die Rechtmäßigkeit der Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze. Expertinnen der Europa-Universität in Flensburg kommen in einem Gutachten zu dem Ergebnis, sie würden gegen EU-Recht verstoßen.

Die Sozialistische Volkspartei (SF) verlangt Klarheit darüber, ob die Grenzkontrollen legal oder illegal sind. Das sagt die Justizsprecherin der Partei, Karina Lorentzen, nachdem zwei Rechtsexpertinnen von der Europa-Universität in Flensburg zu dem Ergebnis kommen, sie seien rechtswidrig.

„Wir erwarten, dass der Justizminister nach diesem Gutachten nachweist, dass die Kontrollen legal sind“, sagt Lorentzen dem „Nordschleswiger“.

Expertinnen hinterfragen Gefahren

In dem Papier kommen Anna Katharina Mangold und Anna Kompatscher zu dem Ergebnis, die von der dänischen Regierung angeführten Gründe für die Kontrollen seien nicht stichhaltig, sondern würden den Eindruck eines Vorwandes erwecken. Die Gefahren, vor denen sie schützen sollten, seien zu vage beschrieben.

„Wichtig ist, dass angebliche Gefahren konkretisiert und substantiiert werden. Das gelingt den Notifikationsschreiben der dänischen Regierung, auch den jüngsten und gründlichsten, nicht ansatzweise“, heißt es in dem Gutachten.

Alternativen mit parlamentarischer Anfrage

Auch habe die Regierung nicht nachgewiesen, dass die Kontrollen das beste Mittel seien, um das Land vor Terror und organisierter Kriminalität zu schützen.

Die Alternativen werden kommenden Mittwoch Justizminister Peter Hummelgaard (Soz.) unter anderem auf Grundlage des Gutachtens zu den Grenzkontrollen befragen.

„Immer mehr deutet darauf hin, dass die Kontrollen gegen EU-Recht verstoßen. Der Minister muss erklären, warum er anderer Auffassung ist“, sagt Fraktionssprecher Torsten Gejl dem „Nordschleswiger“.

Torsten Gejl (Foto) will Justizminister Peter Hummelgaard zu den Grenzkontrollen befragen (Archivfoto). Foto: Jens Dresling/Ritzau Scanpix

Dänische Experten sehen ebenfalls Rechtswidrigkeit

Die Flensburger Rechtsexpertinnen sind nämlich bei Weitem nicht die Einzigen, die die Kontrollen als rechtswidrig einstufen. Drei dänische Juristen kommen laut „Information“ zu demselben Ergebnis.

„Ich neige eindeutig dazu, dass auch die jüngste Verlängerung gegen das EU-Recht verstößt. Die Regierung hat nicht nachgewiesen, dass es eine real neue Grundlage gibt, die ernst genug ist, und sie hat auch nicht die erforderliche Proportionalität nachgewiesen“, sagt Jens Vedsted Hansen, Professor für Migrations- und EU-Recht an der Universität Aarhus, der Tageszeitung.

EU-Urteil mit Bedeutung für Dänemark

Im April hatte der EU-Gerichtshof (EuGH) in einem Fall aus Österreich geurteilt, dass ein Staat die temporären Kontrollen an den Binnengrenzen nicht mit der immer gleichen Begründung verlängern darf. Eine Verlängerung sei nur zulässig, wenn eine neue ernsthafte Bedrohung besteht.

Laut dem Urteil sind die derzeitigen Kontrollen nicht legal.

Karina Lorentzen (SF)

Der österreichische EU-Rechtler Stefan Salomon hatte das Verfahren gegen Österreich geführt. Nach seiner Einschätzung bedeutet das Urteil, dass auch die dänischen Grenzkontrollen illegal sind.

„Wenn Grenzkontrollen über sechs Monate hinaus verlängert werden sollen, muss eine neue Bedrohung entstanden sein. Hier ist das Urteil vollkommen eindeutig. Und diese Bedrohung muss sich von früheren Bedrohungen unterscheiden“, sagt er zu „Information“.

„Nach den Regeln spielen“

SF-Justizsprecherin Karina Lorentzen meint, die dänische Regierung müsse das EuGH-Urteil ernst nehmen.

„Laut dem Urteil sind die derzeitigen Kontrollen nicht legal. Der Justizminister muss belegen, dass Dänemark nach den Regeln spielt. Die Verlängerungen mit Copy-paste-Begründungen sind nicht zulässig“, meint sie.

Hinterlandpatrouillen

Lorentzen betont, dass sie nicht grundsätzlich gegen Grenzkontrollen sei. Entscheidend sei jedoch, dass Kriminalitätsbekämpfung das eindeutige Ziel sein soll.

„Ich bin mir nicht sicher dass die feste Bewachung von vier Grenzübergängen, der sinnvollste Einsatz von Polizei-Ressourcen ist. Die Polizei sollte in viel höherem Maß selbst beurteilen, mit welchen Mitteln sie am effektivsten Kriminalität bekämpft“, so die Sprecherin der linken Partei.

Sie verweist auf die Hinterlandpatrouillen, die bereits vor der Wiedereinführung der Grenzkontrollen 2016 im Einsatz waren. Diese verstoßen nicht gegen die Schengen-Regeln, wie auch Mangold und Kompatscher betonen.

„Trotz Abschaffung systematischer und dauerhafter Grenzkontrollen dürfen die Mitgliedsstaaten weiterhin polizeiliche Kontrollen durchführen“, schreiben sie in dem Gutachten.

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