EU-Recht

Deutsches Gutachten: Dänische Grenzkontrollen „rechtswidrig“

Deutsches Gutachten: Dänische Grenzkontrollen „rechtswidrig“

Deutsches Gutachten: Dänische Grenzkontrollen „rechtswidrig“

Flensburg/Brüssel
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Die Grenzkontrollen sind seit vielen Jahren ein Streitthema. Ein neues Gutachten soll der Debatte um die Kontrollen Aufwind verschaffen. Foto: Karin Riggelsen

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Seit mehr als sieben Jahren gibt es an der deutsch-dänischen Grenze „vorübergehende Grenzkontrollen“. Die Rechtsexpertinnen Anna Katharina Mangold und Anna Kompatscher von der Europa-Universität Flensburg kommen in einem Bericht zu dem Schluss, dass die Kontrollen „nicht verhältnismäßig“ sind. Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen will nun die nächsten Schritte einleiten.

Bewohnerinnen und Bewohner des Grenzlandes wissen, dass sie besonders im Sommer Geduld mitbringen müssen, wenn sie nach Dänemark fahren. Vor den Kontrollpunkten in Krusau (Kruså), Pattburg (Padborg) und Fröslee (Frøslev) können sich besonders sonnabends kilometerlange Staus bilden. Doch sind die dänischen Grenzkontrollen überhaupt mit den Vorgaben der Europäischen Union vereinbar? Die Zusammenfassung eines neuen Gutachtens, das am Montag vorgestellt wurde, lautet: Nein.

Die Verfasserinnen Anna Katharina Mangold und Anna Kompatscher von der Europa-Universität Flensburg haben die Begründungen untersucht, die Dänemark jedes halbe Jahr vorlegt, um die Kontrollen zu begründen und sind zu dem Schluss gekommen, dass diese „nicht als verhältnismäßig bewertet werden können.“ Bei den Kontrollen handelt es sich um eine „schwerwiegende und tiefgreifende Beschränkung der Freizügigkeit von Unionsbürgerinnen und Unionsbürger.“

Anna Katharina Mangold und Rasmus Andresen Foto: ket

Dänemark beziehe sich auf vage, aber nicht näher definierte angebliche Gefahren. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes müsste Dänemark diese Gefahren jedoch nachweisen können. „Der fehlende Nachweis der behaupteten Gefahren ebenso wie die nur oberflächliche Prüfung alternativer Maßnahmen anstelle von Grenzkontrollen bedeutet, dass Dänemark seine unionsrechtliche Pflicht verletzt hat“, heißt es in dem Gutachten. Letztlich bedeutet dies aus der Sicht der Autorinnen eindeutig: „Die Grenzkontrollen sind unionsrechtswidrig.“

Wir werden der Kommission das Gutachten vorlegen und sie damit konfrontieren.

Rasmus Andresen, Europaabgeordneter der Grünen

Wie es mit diesen Erkenntnissen weitergehen soll, erklärt Europaabegordneter der Grünen Rasmus Andresen, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat: „Es ist die Aufgabe der EU-Kommission, dafür zu sorgen, dass das EU-Recht eingehalten wird. Wir werden der Kommission das Gutachten vorlegen und sie damit konfrontieren.“

In Dänemark stößt die Kritik an den Kontrollen seiner Meinung nach jedoch auf Taube Ohren. „Aber die Dynamik würde sich verändern, wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einschreitet“, so der Politiker, der die Debatte in Brüssel in Schwung bringen will. „Es ist die Pflicht der Kommissionspräsidentin, die Kontrollen zu stoppen. Sie hat es in der Hand: Wenn die Kommission sie nicht immer wieder genehmigt, muss Dänemark die Kontrollen einstellen.“

Wie am Montag ebenfalls bekannt wurde, hält auch der ehemalige Justizminister Søren Pind (Venstre) die Grenzkontrollen für rechtswidrig.

Minderheiten setzten sich für Ende der Kontrollen ein

Auch die Schleswigsche Partei (SP) wünscht sich ein baldiges Ende der Grenzkontrollen in seiner jetzigen Form, so Rainer Naujeck, kommissarischer Vorsitzender der SP. „Wir sind froh über das Ergebnis des Gutachtens. Es ist eine große Unterstützung für unsere Argumentation, dass die festen Kontrollpunkte in Krusau, Pattburg und Fröslee abgeschafft werden müssen.“

„Die Kontrollen haben einen einschneidenden Einfluss auf den Alltag der Menschen bei uns im Grenzland. Sie sind nicht haltbar und inakzeptabel“, sagt auch der Bundestagsabgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW), Stefan Seidler. „Jetzt lernen wir von ausgewiesenen Rechtsexpertinnen an der Universität Flensburg, dass die gegenwärtigen Kontrollen Dänemarks außerdem auch noch rechtlich zu beanstanden, sind“, so Seidler weiter.

Pass nicht mehr vorzeigen

Doch wer kann dieses Recht einklagen? Anna Katharina Mangold findet dafür deutliche Worte: „Es ist die Aufgabe der Kommission, als Hüterin der Verträge darauf zu achten, dass die Mitgliedsstaaten sich unionsrechtskonform verhalten. Das macht die Kommission nicht, aus Gründen, über die wir nur spekulieren können, aber es passiert nicht.“ Um auf das Recht auf Freizügigkeit durchzusetzen, hat Mangold eine andere Idee.

Juristisch könnten Grenzpendlerinnen und Grenzpendler ihrer Meinung nach gegen die Kontrollen vorgehen, wenn sie den dänischen Beamtinnen und Beamten beim Grenzübertritt nicht ihre Ausweispapiere zeigen, dafür möglicherweise eine Strafe bekommen, diese nicht bezahlen und sich dann durch alle Instanzen klagen. Das hatte etwa ein Slowene getan, der gegen die Kontrollen seines Landes an der Grenze zu Österreich vor Gericht gezogen war. Der Europäische Gerichtshof hatte daraufhin geurteilt, dass die in der Flüchtlingsbewegung 2015 zwischen den Staaten eingeführten Grenzkontrollen europarechtswidrig sein dürften.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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