Schengen-Regeln

Ex-Minister: Grenzkontrollen wurden gegen Empfehlung der Polizei eingeführt

Ex-Minister: Grenzkontrollen wurden gegen Empfehlung der Polizei eingeführt

Ex-Minister: Polizei war gegen Grenzkontrollen

Kopenhagen/Nordschleswig
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Der ehemalige Justizminister Søren Pind (Venstre) meint, die Grenzkontrollen seien rechtswidrig. Foto: Jens Dresling/Ritzau Scanpix

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Der damalige Justizminister Søren Pind (Venstre) sagt, die Regierung habe die Grenzkontrollen 2016 ausschließlich aus taktischen und symbolpolitischen Gründen eingeführt. Das schreibt „Information“.

Es habe keine sachlichen Gründe gegeben, 2016 die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze einzuführen. Politisches Taktieren und Symbolpolitik hätten die eindeutigen Einwände der Polizei übertrumpft. Das sagt der ehemalige Venstre-Politiker Søren Pind in einem Interview mit der Tageszeitung „Information“.

Als Justizminister war Pind am Beschluss der Regierung, die temporären Grenzkontrollen einzuführen, beteiligt. Die Venstre-Regierung begründete die Kontrollen mit dem großen Zustrom an Geflüchteten als Folge des Krieges in Syrien.

„Die Polizei war dagegen und sagte, sie könne auf andere Weise einen besseren Einsatz leisten. Das war der eindeutige Bescheid“, so Pind laut „Information“.

Pind: Kontrollen sind illegal

Eine andere Quelle, die ebenfalls an dem Beschluss beteiligt war, bestätigt gegenüber der Tageszeitung die Darstellung des ehemaligen Justizministers. Dieser hat den Prozess zur Einführung der Kontrollen bereits in seinem 2019 erschienenen Buch „Frie Ord“ geschildert. Das hat jedoch damals nicht zu großen Schlagzeilen geführt. Jetzt vertieft er seine Darstellung, nachdem „Information“ in einer Reihe von Artikeln die Legalität der Kontrollen hinterfragt hat.

Vier Experten kommen laut der Zeitung übereinstimmend zu dem Ergebnis, wechselnde Regierungen hätten direkt illegal gehandelt, indem sie die Kontrollen mit gleichlautenden Begründungen verlängert haben. Zuletzt hat die damalige sozialdemokratische Regierung im Herbst mitgeteilt, dass sie um ein weiteres halbes Jahr verlängert werden.

Pind kommt zu demselben Ergebnis: „Mir war klar, dass sie immer offensichtlicher illegal werden würden, je mehr Zeit verstreicht“.

Grenzkontrollen dürfen nur letzter Ausweg sein

Sofern Pinds Informationen korrekt seien, sei dies für die damalige Regierung belastend, meint Jens Vedsted-Hansen, Professor für EU- und Migrationsrecht bei der Universität Aarhus.

„Hat der Reichspolizeichef sich offiziell wie beschrieben geäußert, ist es meiner Ansicht nach kaum möglich, an der Behauptung festzuhalten, die Wiedereinführung der Grenzkontrollen sei mit den Schengen-Regeln konform gewesen“, sagt er er zu „Information“.

Laut Schengener Abkommen dürfen Grenzkontrollen nur als letzter Ausweg bei einer ernsten Bedrohung eingeführt werden. Sie müssen proportional und zielführend sein.

Flensburger Professorin sieht EU-Recht übertreten

Auch Prof. Dr. Anna Katharina Mangold und Anna Kompatscher von der Europauniversität Flensburg kommen in einem Gutachten, das sie am Montag vorgestellt haben, zu dem Ergebnis, die Kontrollen seien unionsrechtswidrig. Sie seien eine tiefgreifende Beschränkung der Freizügigkeit der EU-Bürgerinnen und -Bürger.

„Diese Beschränkung kann nicht gerechtfertigt werden, weil die Grenzkontrollen auf Basis der von Dänemark vorgebrachten Gründe nicht als verhältnismäßig bewertet werden können“, heißt es in dem Gutachten

Regierung uneinig über Kontrollen

Intern in der damaligen Venstre-Regierung war man sich uneins über den Beschluss. Søren Pind und der damalige Außenminister Kristian Jensen waren gegen die Kontrollen. Finanzminister Claus Hjorth Frederiksen und Ausländer- und Integrationsministerin Inger Støjberg waren dafür.

Støjberg, die heute Vorsitzende der Dänemarkdemokraten ist, äußert sich in einer schriftlichen Antwort an die Zeitung nicht auf die angebliche Einschätzung der Polizei.

Weder der damalige Staatsminister und heutige Vorsitzende der Moderaten Lars Løkke Rasmussen, der damalige Außenminister Kristian Jensen noch der damalige Reichspolizeichef Jens Henrik Højbjerg wollen sich zu der Frage äußern.

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