Schengener Abkommen

Grenzkontrollen auch gegen Bandenkriminalität

Grenzkontrollen auch gegen Bandenkriminalität

Grenzkontrollen auch gegen Bandenkriminalität

Nordschleswig/Kopenhagen
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Am 12. November sind die Grenzkontrollen erneut um sechs Monate verlängert worden. Foto: Karin Riggelsen

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Als die dänische Regierung im Mai die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze verlängerte, hat sie die Bedrohung durch Terror als Ursache genannt. Für die Verlängerung, die seit Sonnabend gilt, zieht sie auch die organisierte Kriminalität als Begründung heran.

Am Sonnabend hat die dänische Regierung die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze um weitere sechs Monate verlängert. Die Begründung ist erneut die Sorge vor Terror. Doch nun wird auch die organisierte Kriminalität genannt.

In einem Schreiben vom 14. Oktober an die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johannsen, schreibt der amtierende Justizminister Mattias Tesfaye, die Sicherheitslage würde die Kontrollen notwendig machen.

„Wir sind zu der Entscheidung gelangt, um der bedeutenden Bedrohung unserer öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit, verursacht durch Terroristen und organisierte Kriminelle …, effektiv entgegnen zu können“, heißt es in dem Schreiben.

Neue Begründung

Neu dabei ist die organisierte Kriminalität. Als die Regierung im Mai die Kontrollen verlängerte, wurde diese nur als Problem an der dänisch-schwedischen Grenze genannt.

„Ziel der Grenzkontrollen ist auch der Einsatz gegen organisierte Bandenkriminalität. Hier muss man bedenken, dass der Einsatz gegen kriminelle Banden in Dänemark deutlich härter ist, als es in den Nachbarländern Deutschland und Schweden der Fall ist“, sagt der ehemalige operative Chef des polizeilichen Nachrichtendienstes PET, Frank Jensen.

„Effektives Mittel“ gegen herumreisende Kriminelle

Jensen hat eine Akteneinsicht, die „Der Nordschleswiger“ zur Verlängerung der Kontrollen im Mai erhalten hat. Und obwohl zu dem Zeitpunkt die Bandenkriminalität nicht als offizielle Begründung für die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze genannt wird, spielt sie bei der Einschätzung der Polizei eine Rolle. Das geht aus einem Schreiben der Reichspolizei vom 21. März 2022 an das Justizministerium hervor.

„Insgesamt – im Licht des Krieges in der Ukraine und den Migrationsströmen, die er auslöst – ist es die Einschätzung der Reichspolizei, dass die temporären Grenzkontrollen ein effektives Mittel zum Beispiel gegen herumreisende Kriminelle sind, die die unsichere Situation nutzen, um unrechtmäßig nach Dänemark einzureisen“, heißt es in dem Schreiben.

Messer und Pfeffersprays

Laut Jensen geht es unter anderem auch um Waffen.

„Waffen für kriminelle Banden und Terroristen kommen typisch aus Osteuropa und dem Balkan über Deutschland nach Dänemark und von hier zum Teil weiter nach Schweden. Es gibt Beispiele, dass Kriminelle aus Schweden wiederum nach Dänemark einreisen, um Mordanschläge zu verüben“, erläutert er.

Hier ist jedoch anzumerken, dass die Polizei an der Grenze in erster Linie Messer und Pfeffersprays beschlagnahmt. Schusswaffen bilden die seltene Ausnahme. Unter mehr als 1.000 Waffen, die die Polizei im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Juli 2022 an der deutsch-dänischen Grenze beschlagnahmt hat, waren lediglich acht Schusswaffen.

Kritik aus Reihen der Polizei

Insgesamt meint Frank Jensen jedoch, dass die Kontrollen Sinn ergeben.

„Man muss den Effekt der Grenzkontrollen somit als ein Gesamtbild betrachten, bei dem sowohl organisierte Kriminalität als auch Terror eine Rolle spielen,“ sagt er.

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Heino Kegel, sieht das anders. Er sieht sie als Verschwendung von kostbaren Polizeiressourcen. Laut „Berlingske“ haben die Kontrollen, seit sie 2016 eingeführt wurden, 1,5 Milliarden Kronen gekostet. Wie „Der Nordschleswiger“ berichtet hat, setzt die Polizei jährlich 300 Vollzeitstellen dafür ein.

„Die Polizei kann immer nur an einem Ort zur Zeit sein, und wenn man von politischer Seite beschließt, die Grenzkontrollen aufrechtzuerhalten, dann nimmt man die Ressourcen anderen Bereichen weg“, sagt Kegel zu „Berlingske“.

Kontrollen nur als Ausnahme

Laut der Schengener Abkommen sind vorübergehende Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengenraumes ausschließlich „unter außergewöhnlichen Umständen“ und als „letztes Mittel“ gestattet.

„Der Umfang und die Dauer der vorübergehenden Wiedereinführung solcher Maßnahmen sollten auf das zur Bewältigung einer ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit unbedingt erforderliche Mindestmaß begrenzt werden“, heißt es in Punkt 22 des Schengener Grenzkodex.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kam in einem Urteil im April dieses Jahres zu dem Ergebnis, dass die EU-Staaten Grenzkontrollen nicht mit der immer gleichen Begründung verlängern dürfen.

„Der Unionsgesetzgeber hat nämlich einen Zeitraum von sechs Monaten für ausreichend gehalten, damit der betreffende Mitgliedsstaat gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedsstaaten Maßnahmen erlässt, mit denen einer solchen Bedrohung begegnet werden kann; nach Ablauf dieses Zeitraums von sechs Monaten bleibt der freie Personenverkehr gewahrt“, heißt es in einer Pressemitteilung des EuGH zu dem Urteil.

 

 

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