Schengener Abkommen

Terrorexperten: Grenzkontrollen bieten Schutz

Terrorexperten: Grenzkontrollen bieten Schutz

Terrorexperten: Grenzkontrollen bieten Schutz

Nordschleswig/Kopenhagen
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Stau an der Grenze. Laut Experten können die Kontrollen jedoch Terroranschlägen vorbeugen. Foto: Karin Riggelsen

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Die dänische Regierung verlängert am Sonnabend die Kontrollen mit der Begründung, man wolle das Land vor Terror schützen. Und das Argument ergibt durchaus Sinn, so die Einschätzung von zwei Experten.

Am 12. November verlängert Dänemark die Kontrollen an den Grenzen um weitere sechs Monate. Als Begründung hat die Regierung in einem Schreiben an die EU-Kommission erneut angegeben, dass die Bedrohung durch Terror vom Zentrum für Terroranalyse (CTA) des polizeilichen Nachrichtendienstes PET weiterhin als hoch eingeschätzt wird.

Zwei Terrorexperten, die das Schreiben gelesen haben, meinen, die Argumentation ergebe Sinn.  

„Das sieht vernünftig aus. Mit den Stichprobenkontrollen hat man meiner Ansicht nach eine gute Abwägung zwischen Sicherheitsanliegen und den Unannehmlichkeiten, die die Kontrollen auslösen“, sagt der international anerkannte schwedische Terrorexperte Magnus Ranstorp, der an der schwedischen Militärakademie „Försvarshögskolan“ arbeitet.

Magnus Ranstorp

Dr. Magnus Ranstorp ist Dozent an der schwedischen Militärakademie „Försvarshögskolan“. Er forscht seit mehr als 30 Jahren im Bereich Terrorismusabwehr. Er hat sich unter anderem mit islamistischem und rechtsextremem Terror befasst. Ranstorp hat in den 90er Jahren das „Centre for the Study of Terrorism & Political Violence“ an der University of St Andrews in Schottland mit aufgebaut. Er ist Spezialberater des EU-Netzwerkes gegen Radikalisierung (RAN).

Breiter Einsatz gegen Terror

Der Nachrichtendienst PET hat im August mitgeteilt, dass ihm keine Statistiken vorliegen, die belegen, dass die derzeitigen Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Dänemark dazu beitragen, die Terrorgefahr in Dänemark zu verringern. Daraufhin hat „Der Nordschleswiger“ eine Akteneinsicht in die Beratung der Regierung durch die Polizei zum Terrorschutz durch die Kontrollen beantragt.

Magnus Ranstorp und der ehemalige operative Chef von PET, Frank Jensen, haben sich diese Dokumente durchgelesen.

„Bei der Sichtung der Akten wird für mich deutlich, dass es nicht nur um die Sorge vor Terroranschlägen geht, sondern um die Bedrohung durch Terror im breiten Verständnis. Es geht also auch um Menschen, deren Ziele Radikalisierung von Menschen, Anstiftung zu sozialer Unruhe, logistische Unterstützung oder Anwerbung ist“, so Jensens Einschätzung.

Vorbeugende Wirkung

Beide Experten betonen, die Kontrollen könnten bedeuten, dass potenzielle Terroristen gar nicht erst versuchen, einzureisen.  

„Sie haben eine abschreckende Wirkung, denn du kannst nicht wissen, ob du kontrolliert wirst oder nicht. Diese Ungewissheit für mögliche Terroristen bietet Schutz“, meint Ranstorp.

„Die Kontrollen haben meiner Einschätzung nach einen vorbeugenden Effekt beim Einsatz gegen Terror. Man wird es sich mehr als zweimal überlegen, zum Beispiel mit Waffen oder Sprengstoff einzureisen, wenn man weiß, dass das Risiko besteht, dass man angehalten und kontrolliert wird“, ergänzt Jensen.

Frank Jensen

Frank Jensen war von 2007 bis 2012 operativer Chef des polizeilichen Nachrichtendienstes PET. In dem Zeitraum war die Terrorbedrohung Dänemarks als Folge der 2005 veröffentlichten Mohammed-Karikaturen besonders groß. Bereits 1988 wurde Jensen Leiter der Anti-Terrorabteilung von PET. Er ist der Autor mehrerer Romane, hält Vorträge und kommentiert regelmäßig Sicherheitsfragen in dänischen Medien.

Zusammenarbeit und Scanner sind wichtig

Mit Polizeibeamtinnen und -beamten an den Übergängen sei es jedoch nicht getan, so die übereinstimmende Einschätzung.

„Die Grenzkontrollen sind in der Kombination mit nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit zwischen den Ländern effektiv. Und ohne dass ich das vertiefen kann, kann ich bestätigen, dass diese selbstverständlich stattfindet“, meint Jensen.

Die dänische Polizei will laut dem Schreiben an die EU-Kommission den Einsatz von Kennzeichenscannern an der deutsch-dänischen Grenze bis 2023 deutlich ausbauen. Laut Ranstrop sind diese eine wichtige Voraussetzung für einen effektiven Terrorschutz.

„Mithilfe der Scanner kann man gezielt verdächtige Fahrzeuge anhalten und kontrollieren. Das ist ein wesentlicher Teil des Einsatzes“, erläutert er.

Auch Jensen nennt sie „ausgesprochen effektives Mittel“ in Kombination mit der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit.

„Wenn sich zum Beispiel ein Auto mit verdächtigen Personen aus Deutschland Richtung Norden bewegt, können die dänischen Behörden von den deutschen Kollegen benachrichtigt worden sein. Der Wagen wird dann nicht unbedingt an der Grenze angehalten, sondern man folgt ihm möglicherweise, oder die Hinterlandpatrouille fängt ihn ab“, schildert er eine mögliche Situation.

Sollte jemand im Netz nach Grenzübergängen suchen, wird dies sowohl von den dänischen als auch von den deutschen Nachrichtendiensten registriert werden.

Frank Jensen, ehemaliger operativer Chef von PET

Kritik von der Gewerkschaft

Im Gegensatz zu den beiden Terrorexperten hat der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Heino Kegel, gegenüber „Berlingske“ die Kontrollen als „Zeitverschwendung“ und „Symbolpolitik“ bezeichnet.

„Die, die böse Absichten haben, fahren ja nicht über die drei Grenzübergänge, an denen dauerhaft kontrolliert wird – das sagt sich von selbst. Die finden einen anderen Ort, an dem sie die Grenze überqueren können, und wenn sie dann in Dänemark sind, kommt die Hinterlandkontrolle der Polizei zum Einsatz, um diese Verbrecherinnen und Verbrecher zu stellen“, sagte er zu „Berlingske“.

Nachrichtendienste überwachen Internet-Aktivität

Ranstorp meint dagegen, dass es Sinn ergibt, an den drei Übergängen zu kontrollieren: „Es bedarf Lokalkenntnis, um die kleinen Übergänge zu finden. Potenzielle Terroristen aus dem Ausland kennen eher die großen Straßen und werden diese nutzen.“

„Sollte jemand im Netz nach Grenzübergängen suchen, wird dies sowohl von den dänischen als auch von den deutschen Nachrichtendiensten registriert werden“, ergänzt Frank Jensen.

Alternativen müssen geprüft werden

Die Kontrollen sind demnach den Terrorexperten zufolge ein brauchbares Mittel für Polizei und Nachrichtendienste, um Terror zu bekämpfen. Laut Schengener Abkommen dürfen Grenzkontrollen jedoch ausschließlich als letzter Ausweg gewählt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Aus der Akteneinsicht, die „Der Nordschleswiger“ erhalten hat, geht jedoch nicht hervor, ob und welche alternativen Methoden zu Grenzkontrollen in Betracht gezogen wurden. 

Das Medium „Føljeton“ hat ebenfalls eine Akteneinsicht erhalten und diese dem Juristen Bugge Thorbjørn Daniel von der Universität Süddänemark (SDU) vorgelegt. Er hält es laut „Føljeton“ für möglich, dass Alternativen tatsächlich nicht geprüft wurden, obwohl dies erforderlich ist. 

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