Mensch & Natur

Grönlands Eis schmilzt schneller als gedacht

Grönlands Eis schmilzt schneller als gedacht

Grönlands Eis schmilzt schneller als gedacht

Ritzau/hm
Kopenhagen/Grönland
Zuletzt aktualisiert um:
Inlandeis in der Nähe von Nuuk auf Grönland Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Laut Weltklimarat und neusten Erkenntnissen einer internationalen Forscherguppe wird der Meeresspiegel im Jahr 2100 mehr als 60 Zentimeter höher sein als heute. Deichgraf Friedrich Hindrichsen bleibt ruhig, setzt auf Vorbeugung und blickt nach Süden.

In der angesehenen Fachzeitschrift „Nature“ stellt ein internationales Forscherteam fest, dass das Eis auf Grönland zurzeit rund siebenmal schneller schmilzt als noch 1990. Die Wissenschaftler – 96 Polarforscher von 50 Universitäten und Forschungseinrichtungen – gehen davon aus, dass Grönland seit 1992 etwa 3,8 Billionen Tonnen Eis verloren hat und der Meeresspiegel dadurch um 10,6 Millimeter gestiegen ist.

Das Tempo des Schmelzens hat deutlich zugenommen: Waren es in den 1990er Jahren 33 Milliarden Tonnen Eis im Jahr, sind es im laufenden Jahrzehnt 254 Milliarden Tonnen. Am stärksten war die Eisschmelze im Jahr 2011, danach nahm sie ab, 2018 waren es 111 Milliarden Tonnen. Das aktuelle große Schmelzereignis von 2019 wurde nicht berücksichtigt.

Laut videnskab.dk  rutscht damit das tatsächliche Schmelzen etwas unter die Schmelzkurve, die der Weltklimarat als schlimmstes Szenario annimmt – aber immer noch oberhalb der beiden IPCC-Kurven liegt für den aus Menschensicht günstigsten bzw. zweitgünstigsten Fall.

Überschwemungen weder unwahrscheinlich noch klein

Sollte das Tempo anhalten, wird dem Forscherteam zufolge im Jahr 2100 rund 400 Millionen Menschen von Überschwemmungen betroffen sein – mehr als bisher angenommen. „Dies sind weder unwahrscheinliche noch kleine Ereignisse. Es wird passieren und es wird die Gesellschaften an den Küsten zerstören“, so Professor Andrew Shepherd, Co-Leiter der Wissenschaftlergruppe von der University of Leeds.

In die Studie flossen direkte Messungen, Klimamodellierungen und Satellitendaten ein. Etwa die Hälfte des Eisverlustes lässt sich auf wärmere Luft zurückführen, die andere Hälfte auf das wärmere Meerwasser.

60+

Nach konservativer Schätzung des Weltklimarates IPCC wird der Meeresspiegel im Jahr 2100 60 Zentimeter höher liegen als heute – es könnte mehr werden. Grönlands Beitrag wurde bislang auf etwa neun Zentimeter geschätzt. Nach den nun vorliegenden Ergebnissen könnten es 16 Zentimeter werden, damit liegt die geschätzte Meeresspiegelerhöhung bei 67 cm im Jahr 2100.

Der IPCC geht im schlechtesten Fall von einem Meeresspiegelanstieg um mehr als einen Meter aus, sollte der Mensch nicht gegensteuern.

Deichgraf „nicht nervös"

In Nordschleswig lässt ein Plus von 60 Zentimeter vor allem tiefliegende Gebiete in der Kommune Tondern als überschwemmungsgefährdet erscheinen – das zeigt die  Internetseite „Klimatilpasning“ der Umweltbehörde.

Deichgraf Friedrich Hindrichsen  aus Mögeltondern  mahnt aber zu einer Art gelassener Weitsicht. „Wir sind hier nicht nervös“, sagt er. Bereits jetzt, so Hindrichsen gebe es Gebiete in der Kommune, die 0,5 Meter unterhalb des Meeresspiegels liegen – seiner Meinung nach kein Vergleich zu den Niederlanden, wo sich Landstriche weitaus tiefer unter Normalnull befinden. Spitzenreiter ist dort die Gemeinde Nieuwkerk aan den Yssel mit einem Minus von 6,74 Meter unter Null. 

Pumpen und Deiche halten in Nieuwkerk das Wasser draußen. Damit dies in Zukunft auch in  der Kommune Tondern so bleibt, müssen nach Meinung des Deichgrafen Deiche erhöht werden – auch im Landesinneren an den Auen. Seiner Ansicht nach ist das Süßwasser das Hauptproblem, das bei hohen Wasserständen nicht aus der Marsch ins Wattenmeer strömen kann.

Regenrückhaltebecken sollen dem Wasser in Zukunft im Notfall Raum geben. Man müsse aber auch über Pumpen nachdenken, die das Wasser trotz hoher Wasserstände ins Meer fördern, so Hindrichsen, der die Küstenschutzarbeit südlich der Grenze lobt.  Dort sei man sich der Toten  der Sturmflut von 1962 noch bewusst und der Staat nehme dort Geld in die Hand, so Hindrichsen. Hier sei der Weg zwischen Kopenhagen und Tondern lang.

Eis schmilzt schneller

Das Tempo des Schmelzens auf Grönland hat indes deutlich zugenommen: Waren es in den 1990er Jahren 33 Milliarden Tonnen Eis im Jahr, sind es im laufenden Jahrzehnt 254 Milliarden Tonnen. Am stärksten war die Eisschmelze im Jahr 2011, danach nahm sie ab, 2018 waren es 111 Milliarden Tonnen.
Laut videnskab.dk rutscht damit das tatsächliche Schmelzen etwas unter die Schmelzkurve, die der Weltklimarat als schlimmstes Szenario annimmt.

Aktualisierte und ergänzte Fassung, Sonntag, 20 Uhr

Von dänischer Seite aus waren an der Studie beteiligt:

  • DTU Space – eine Abteilung der Dänischen Technischen Universität (DTU),
  • das Geologische Amt Dänemarks Geus,
  • das Dänische Meteorologische Institut (DMI),
  • das Institut für Geowissenschaften und Umweltmanagement an der Universität Kopenhagen
Mehr lesen