Kriminalität

Angeklagter im Fall Nathalie Minuth war Sex-Date – Keine Beweise für Mord

Keine Beweise für Mord im Fall Nathalie Minuth

Keine Beweise für Mord im Fall Nathalie Minuth

Inga Gercke und Eckard Gehm, shz.de/hm
Südtondern/Flensburg
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Viele Menschen legten Blumen und Kerzen an der Stelle nieder, an der die tote Nathalie Minuth (23) gefunden wurde. Foto: Inga Gercke

Das Rätsel um die Tötung von Nathalie Minuth im Sommer vergangenen Jahres im Grenzland ist noch nicht gelöst. Kürzlich hat die Anklage neue Details offenbart.

Im August vergangenen Jahres wurde die 23-jährige Nathalie Minuth als vermisst gemeldet. Ihr Tod im Sommer 2019 hat viele Fragen aufgeworfen. Warum traf sich mit einem Mann, der doppelt so alt war wie sie? Warum fuhr sie mit ihm auf einen einsamen Feldweg? Die Staatsanwaltschaft Flensburg ist jetzt sicher, die Antwort zu kennen, hat Anklage erhoben.

Elektroschocker mit Nathalies DNA-Spuren

Es soll um käuflichen Sex gegangen sein. Die Ermittler werfen dem Beschuldigten vor, sich mit der jungen Frau verabredet zu haben. Bei dem Treffen soll Lkw-Fahrer Thomas P. die Kellnerin getötet haben. Die Ermittler stützen sich unter anderem auf DNA-Spuren an einem Elektroschocker und die Chats bei einem Online-Sexportal.

Kontakt über eine Internetplattform

„Es steht fest, dass der Angeschuldigte und die Getötete vor der Tat über eine Internetplattform Kontakt hatten“, so Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp und führt aus: „Im Auto des Angeschuldigten und an einem Elektroschocker, der bei einer Durchsuchung gefunden wurde, konnten DNA-Spuren der Getöteten gesichert werden." Zudem gehe man nach Auswertung der digitalen Spuren davon aus, dass sich der Angeschuldigte zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe des mutmaßlichen Tatorts aufgehalten hat.

Nathalies Geheimnis

Nathalie Minuth aus Stadum im Kreis Nordfriesland arbeitete als Kellnerin. Gleichzeitig bot sie bei einem Internet-Portal Dates mit Geschlechtsverkehr an. Nathalies Mutter wusste, dass ihre Tochter seit einigen Jahren mit fremden Männern chattete. „Sie wollte sich so etwas Geld dazuverdienen“, sagte sie heute. Und: „Ich habe mich lange mit Nathalie über diese Art von Chats unterhalten.“ Begeistert sei sie von dem Nebengeschäft ihrer Tochter nicht gewesen, habe es aber akzeptiert. Die Mutter betont, ihr sei nicht klar gewesen, dass Nathalie sich auch mit den fremden Männern treffe. Nathalie hielt das offenbar vor ihrer Familie geheim. Was die Familie jedoch wusste: Nathalie hatte immer ein Pfefferspray dabei.

Mutmaßlicher Täter war der Polizei bekannt

Retten konnte sie das nicht, als sie am 17. August 2019 mit dem Bus  ins zehn Kilometer entfernte Schafflund fuhr und in den VW Golf von Thomas P. (47) aus Humptrup stieg. Von den Vorstrafen des verheirateten Lkw-Fahrers für Fleischabfälle wusste Nathalie Minuth nichts. So soll P. 2004 eine Frau sexuell bedrängt, stranguliert und im letzten Moment von ihr abgelassen haben. „Im März 2006 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt“, so Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp.

Nathalie und Thomas P. fuhren gemeinsam zur Bank

Nathalie Minuth und Thomas P. fuhren zu einer Bankfiliale, wo er am EC-Automaten 100 Euro abhob. Von dort ging es dann in einen Waldweg, wo später ihr Ausweis und ihre Versichertenkarte gefunden werden.

Was auf dem Waldweg passierte, konnten die Ermittler nicht rekonstruieren. Nathalie Minuth wurde zwei Wochen später vom Hund eines Spaziergängers entdeckt. Ihre unbekleidete Leiche lag an einem Wirtschaftsweg der Gemeinde Süderlügum unter einer Reihe Silberpappeln, abgedeckt mit einer Plane. Weil die Verwesung in der Sommerhitze weit fortgeschritten war, konnte die Todesursache nicht geklärt werden.

Kein Mord – Totschlag

„Auch der konkrete Tathergang und das Tatmotiv sind trotz umfangreicher Ermittlungen unklar“, so Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp. „Deshalb erfolgt die Anklage wegen Totschlags und nicht wegen Mordes. Es ist menschlich und moralisch nachvollziehbar, dass dies für die Angehörigen schwer ist“, so Gropp. „Wir sind jedoch an die Kriterien des Gesetzes gebunden.“

Die sehen für Mord bestimmte Merkmale vor. Dazu zählen unter anderem niedrige Beweggründe (Habgier, Befriedigung des Geschlechtstriebs) oder eine verwerfliche Begehungsweise (Heimtücke, Grausamkeit) und die Zielsetzung (Verdeckung einer anderen Straftat). Doch um einen dieser Punkte belegen zu können, fehlen den Ermittlern Fakten. Und der Tatverdächtige, der in Untersuchungshaft sitzt, schweigt zu den Vorwürfen.

Weitere Hinweise

Verdächtig machen ihn jedoch nicht nur die DNA-Spuren und die Chats in dem Sexportal. Der Fundort von Nathalies Leiche liegt nur rund zweieinhalb Kilometer vom Resthof von Thomas P. entfernt. Und am Tag ihres Verschwindens meldete er sich von der Sex-Plattform ab.

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