Krieg in der Ukraine

Notunterkunft für 400 Geflüchtete in Startposition

Notunterkunft für 400 Geflüchtete in Startposition

Notunterkunft für 400 Geflüchtete in Startposition

Scherrebek/Skærbæk
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Per Birk Buhl (l.) hat sein Mitarbeiterteam zusammen. Foto: Elise Rahbek

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In der alten Schule in Scherrebek werden aus Klassenzimmern Schlafsäle. Das drahtlose Internet spielt in der zwischenzeitlichen Stätte für Schutzsuchende eine wichtige Rolle. Der Mitarbeiterstab steht bereit.

In der ehemaligen Kommunalschule an der Skolegade in Scherrebek wird an allen Enden und Ecken gewerkelt.

Dort, wo die Schulkinder und das Kollegium im Februar 2021 zugunsten eines Neubaus auszogen, wird Klarschiff für den Empfang von 400 Flüchtlingen aus der Ukraine gemacht.

Für die Menschen aus dem kriegsgebeutelten Land, die vom Empfangscenter Sandholm aus Birkerød auf Seeland anreisen, wo sie registriert werden, wird es eine Zwischenstation sein.

Sie dürfen in dem Notquartier maximal fünf Tage verweilen, bevor es für sie in ein Asylbewerberheim geht.

Die frühere Skærbæk Distriktskole wird zur Asylstätte. Foto: Elise Rahbek

Nicht für Übernachtung bestimmt

„Das hängt mit den Brandschutzbestimmungen zusammen, da das Gebäude nicht für Übernachtung vorgesehen ist“, berichtet Niels Bøgskov Frederiksen, Betriebschef der Betreibergesellschaft AsylSyd.

Die Gesellschaft läuft seit August 2015 in Regie der Kommune Tondern. Auftraggeber für die Unterbringung von Menschen auf der Flucht ist die Ausländerbehörde.

Gestern herrschte hier noch das reine Chaos. 20 Personen befassten sich mit dem Aufbau der 200 Betten, die auf großen Sattelschleppern anrückten und den ganzen Schulhof füllten.

Per Birk Buhl, Leiter

„Es ging darum, schnell ein zwischenzeitliches Quartier auf die Beine zu stellen, damit Sandholm entlastet werden kann und bis es in neuen Asylheimen Platz gibt“, so Bøgskov Frederiksen.

Vierte Stätte öffnet am Dienstag

Während in dieser Woche 100 Geflohene in den neu eröffneten Stätten in Bollersleben (Bolderslev) und in der Vorwoche 116 Personen in Toftlund aufgenommen wurden, wird das Asylbewerberheim im ehemaligen Krankenhaus in Hadersleben (Haderslev) am Dienstag kommender Woche öffnen.

Dort gibt es Platz für mehr als 500 Asylbewerber.

Ein Wandbild aus der Schul-Ära zeigt den verstorbenen dänischen Musiker Kim Larsen. Foto: Elsie Rahbek

Kapazität voll ausgelastet

In den „alten“ Asylheimen in Hviding bei Ripen (Ribe) und Lügumkloster (Løgumkloster) ist die Kapazität mit insgesamt 783 Bewohnerinnen und Bewohnern bei einer vorgesehenen Normierung von 705 Personen voll ausgeschöpft.

„In Lügumkloster haben wir Räume miteinbezogen, die wir gewöhnlich nicht für Übernachtung nutzen“, erläutert Frederiksen, der seit Mai 2021 Chef von AsylSyd ist.

Unter die Fittiche von AsylSyd gehört außerdem das Heim für unbegleitete Kinder und Jugendliche in Tondern. Dort gibt es eine 20-köpfige Bewohnerschaft.

Gebäude-Koordinator Brian Jensen (l.) im Gespräch mit Per Birk Buhl. Foto: Elise Rahbek

Ein neues Team

In Scherrebek besprechen die neu angeworbenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Donnerstagmorgen bei einem gemeinsamen Frühstück an ihrem neuen Wirkungsort, welche Aufgaben es bis Freitag zu bewältigen gibt, um den Geflüchteten den bestmöglichen Empfang zu bereiten.

Sie hoffen auf eine Benachrichtigung im Laufe des Tages, welche Personen anreisen, um dies mit der Aufteilung in den Zimmern abzustimmen. Die Klassenräume sind in Schlafsäle umfunktioniert.

An der Spitze der zwischenzeitlichen Unterkunft steht Per Birk Buhl, der auch Chef des Asylbewerberheims in Hviding ist.

Brandschutz im Blick

Es erfordere schon einiges, mit einem komplett neuen Mitarbeiterstab eine solche Stätte auf den Weg zu bringen, sagt Buhl.

Acht Mitarbeitende sorgen im Schichtdienst dafür, dass die Notunterkunft rund um die Uhr besetzt ist.

„Die Leute kommen selbst klar, es müssen aber bei Fragen Ansprechpartner da sein. Zudem werden nachts externe Feuerwehrleute wegen des Brandschutzes Wache schieben“, so der Leiter.

Brian Jensen, Koordinator für Liegenschaften, zieht für die Einrichtung der Zentren an den Fäden. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass es Leute gibt, die die Betten aufbauen. Außerdem ordert er erforderliches Material.

Auch in den langen Gängen wird geputzt. Foto: Elsie Rahbek

 

Bestellungen im Großformat

 „Ich habe eben bei Abena für Scherrebek eine Palette Toilettenpapier bestellt“, erklärt er am Laptop sitzend und mit dem Handy in Reichweite.

Das ist mittlerweile die dritte Einrichtung, die binnen kurzer Zeit errichtet wird, und auch in Hadersleben werden die Weichen gestellt.

Vom Chaos zu geordneten Verhältnissen

„Heute sieht es hier weit besser aus als am vergangenen Freitag, als wir das erste Mal hier waren“, berichtet Per Birk Buhl.

„Gestern herrschte hier noch das reine Chaos. 20 Personen befassten sich mit dem Aufbau der 200 Betten, die auf großen Sattelschleppern anrückten und den ganzen Schulhof füllten“, sagt Per Birk Buhl beim Rundgang durch das Gebäude.

10 bis 15 angeheuerte Reinigungskräfte und auch Handwerker seien im Einsatz gewesen.

Übung macht den Meister: Bei den zwei Kollegen sitzt jeder Handgriff. Foto: Elsie Rahbek

Verpflegung auf vier und mehr Rädern

Mit dem Heranschleppen der schweren Holzbettböden und dem Zusammenbauen der Stockbetten kennen sich die zwei Kollegen von der Haderslebener Umzugsfirma inzwischen aus.

Der Vortag brachte 13 Arbeitsstunden und extrem viele Schritte.

Die Verpflegung liegt in den Händen des Freizeitcenters in Scherrebek, das täglich drei Mahlzeiten liefert.

„Es muss versetzt in verschiedenen Gruppen gegessen werden, da im Speisesaal nur Platz für 150 Personen ist“, sagt Buhl.

Auch im Speisesaal muss das drahtlose Internet funktionieren. Foto: Elise Rahbek

Drahtlose Internetverbindung wichtig

Indes sorgen die Techniker dafür, dass es auch im Speisesaal Wi-Fi gibt. Ein Großeinsatz ist für die IT-Abteilung der Kommune Tondern angesagt.

„Es ist wichtig, dass es überall eine Wi-Fi-Verbindung gibt. Dem räumen wir hohe Priorität ein. Denn es ist sehr wichtig, dass Flüchtlinge Kontakt zu den Menschen zu Hause bekommen können“, sagt Simon Nielsen, Spezialist in der IT-Abteilung.

„Ich bin noch nicht dazu berechtigt, Elektrowerkzeug zu nutzen“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln, während er auf einem Stockbett kniet und per Handkraft den Schraubenzieher einsetzt.

IT-Experte Simon Nielsen (r.) weiß vom Stellenwert der drahtlosen Verbindung. Foto: Elsie Rahbek

Alle Hände voll zu tun

„Obgleich die Leute extrem viel zu tun haben und nahezu rund um die Uhr schuften, bleibt Platz für eine lustige Bemerkung und ein Lächeln“, so Buhl.

„Viele Abteilungen in der Kommune Tondern haben derzeit viel zu tun", so Nielsen zur aktuellen Lage.

In der IT-Abteilung machen sich Lieferengpässe bemerkbar, wie der Experte berichtet. Somit werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das erforderliche Zubehör heranzuschaffen.

„Wir haben zum Beispiel im November 150 Computer bestellt. Die werden erst im Mai geliefert“, nennt Jensen ein Beispiel.

Mobile Duschmöglichkeiten

Toiletten gebe es in dem weitläufigen Gebäude genügend. Anders sehe es jedoch mit den Duschen aus. Daher stehen nun zwei Duschwagen mit fünf Kabinen und ein Exemplar mit drei Kabinen bereit.

Von dem benachbarten Kindergarten gibt es die Zusage, dass der Spielplatz genutzt werden kann, wenn die Stätte geschlossen ist.

„Wir müssen sehen, wie das läuft. Es wird spannend, wie wir das steuern können. Man braucht hier nur direkt herauszuspazieren“, so Buhl bei dem Blick aus dem Fenster.

Duschwagen stehen bereit. Foto: Elise Rahbek

Wunsch nach Ruhe

Mag die Stätte auch mit den Schlafsälen in drei Gebäudeflügeln als eine Art Landschulheim vergangener Tage anmuten, so vermag sie nicht über den ernsten Hintergrund für diese Maßnahme hinwegzutäuschen.

Beim Empfang der Geflüchteten in Toftlund und Bollersleben ist Asyl-Chef Niels Bøgskov Frederiksen zeitweise dabei gewesen.

„Es ist mein Eindruck, dass die Leute froh sind, dass sie an einen Ort kommen, wo sie etwas zur Ruhe kommen können. Bei ihrer Einreise nach Dänemark kommen sie erst durch das Registrierungscenter in Bau, wo die Polizei sie empfängt. Dann geht es weiter nach Sandholm und von da aus dann in ein Asylheim“, so Frederiksen.

Vom Alltag ins Kriegsgeschehen

„Es ist wichtig, dass wir uns die ganze Zeit vor Augen halten, dass diese Menschen vor drei Wochen ein ganz gewöhnliches Leben wie du und ich lebten. Sie hatten ihre Familien und gingen zur Arbeit. Nun wird überall gebombt. Sie müssen flüchten und ihre Ehemänner und andere Angehörige zurücklassen", beschreibt Frederiksen die dramatische Lage.

Augenzeugen von Kriegshandlungen

„Die Menschen, die zurzeit kommen, haben reale Kriegshandlungen erlebt. Die meisten von ihren haben schreckliche Sachen gesehen, und sie wissen nicht, ob sie wieder nach Hause können. Das merkt man ihnen an“, sagt Frederiksen.

Als er am Dienstagnachmittag zum ehemaligen Pflegeheim in Bollersleben kam, liefen dort Kinder draußen herum und spielten. „Das war schön zu erleben“, sagt er.

Das Außengelände wird hergerichtet. Foto: Elise Rahbek

Indes wird in Scherrebek auf dem Außengelände der Schule der große Rasen aus dem Winterschlaf wachgerüttelt, um während des befristeten Aufenthalts für die Einziehenden bereit zu sein.

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