Fördefischerei

„Wir brauchen die Muschelbänke. Warum tut niemand was?“

„Wir brauchen die Muschelbänke. Warum tut niemand was?“

„Wir brauchen die Muschelbänke. Warum tut niemand was?“

Rinkenis/Rinkenæs
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Frede und Flemming Krause leben von der Fischerei auf der Flensburger Förde. Doch ihre Existenz und die Existenz des Ökosystems in der Förde ist bedroht. Foto: Karin Riggelsen

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Frede und Flemming Krause sind die letzten gewerblichen Fischer an der Flensburger Förde. Seit drei Generationen leben sie vom Meer. Doch sie haben Angst, dass die Förde bald zum „Toten Meer“ wird. Ein Besuch bei Vater und Sohn.

Glasklar liegt das Wasser über dem Sand, die kleinen Muscheln und Algen am Meeresboden sind deutlich zu erkennen. Flemming und Frede Krause stehen auf ihrem Bootsanleger, der zu ihrem Arbeitsplatz führt: den Fischkuttern Nordstjernen und Svanen. Die Boote liegen einige Meter vom Steg entfernt im Wasser und warten darauf, dass Frede und Flemming an Bord steigen, um zu fischen.

Die letzten Fischer auf der Flensburger Förde

Frede Krause ist 75 Jahre alt. Sein erstes Fischerboot hat er sich von seinem Konfirmationsgeld gekauft, seitdem fischt er auf der Flensburger Förde. Sohn Flemming ist 30 – und hat den Beruf des Fischers von seinem Vater gelernt. Seit sechs Jahren besitzt er die Gewerbelizenz zum Fischen. Die Krauses sind die letzten gewerblichen dänischen Fischer auf der Flensburger Förde.

Frede Krause geht täglich zu seinem Steg, auch wenn er nicht raus aufs Meer fährt. Foto: Karin Riggelsen

„Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen. Das hier ist mein Leben“, sagt Frede Krause und zeigt mit seinem Spazierstock auf das Wasser der Förde. Links in der Ferne sind Brücke und Hafen von Ekensund (Egernsund) zu erkennen, gegenüber der Förde liegt Deutschland.

Seit drei Generationen leben die Krauses hier von der Fischerei. In Rente zu gehen kommt für den alten Fischer überhaupt nicht infrage. „Ich habe mir gerade einen neuen Fischkutter gekauft“, verrät er und lächelt schelmisch. „Was soll ich denn sonst tun?“

„Wir sind jeden Tag hier unten am Strand“, sagt Frede Krause. „Demnächst müssen wir unsere Pfähle für die Netze in den Meeresboden klopfen, Manchmal sitzen wir einfach hier am Wasser und reden. Das ist unser Leben.“

Beim Vater in der Lehre

Auch Flemming ist ein geborener Fischer, buchstäblich. „Ich wollte nie etwas anderes machen“, sagt er, und Vater Frede erzählt lachend, wie Flemming schon als Junge auf Schulausflügen am Strand die Fische mit der Hand gefangen hat.

Flemming hat einige Jahre auf einer Werft gearbeitet und Schiffsbau gelernt – dann ist er bei seinem Vater als Fischer in die Lehre gegangen. Vor rund sechs Jahren erhielt er die Genehmigung, die gewerbliche Fischerei gemeinsam mit seinem Vater ausführen zu dürfen.

Die Kutter der Familie Krause liegen vor Dalsgård. Mit der Jolle rudern die Fischer zu ihren Arbeitsplätzen. Foto: Karin Riggelsen
Demnächst müssen die Pfähle für die Netze neu gesetzt werden. Foto: Karin Riggelsen

Das Leben als Fischer sei hart – aber schön. „Natürlich kann es auch sehr barsch und kalt da draußen sein, aber daran gewöhnt man sich schnell“, sagt Flemming. „Dafür ist man sein eigener Herr, ist für sich selbst verantwortlich und ist dauernd hier draußen in dieser schönen Natur. Und diese Ruhe. Schöner geht es doch nicht.“

Es könnte alles so idyllisch sein in Dalsgård

Vater Frede hat sich auf das Fangen von Aalen spezialisiert, Flemming fischt hauptsächlich nach Plattfischen, Dorsch und Meerforelle. Sie verkaufen ihre Fänge an Fischhändler – und wer privat Fisch oder Aal kaufen möchte, kann bei den Krauses am Dalsgårdvej 15 vorbeikommen und sich die Ware abholen – vorausgesetzt, man hat das vorher telefonisch vereinbart.

Es könnte alles so idyllisch sein in Dalsgård. Doch die Existenz der Fischer und die Existenz der Flensburger Förde ist bedroht, sagen Frede und Flemming Krause. Der Grund: gewerbliche Muschelfischer, die den Grund der Förde mit ihren Schleppwerken kahlschlagen und verwüsten.

Frede Krause hat sich von seinem Konfirmationsgeld sein erstes Fischerboot gekauft. Mit 75 Jahren ist er noch immer aktiv. Foto: Karin Riggelsen
Der Arbeitsplatz der Fischerfamilie Krause liegt direkt an und auf der Flensburger Förde. Foto: Karin Riggelsen

Während im deutschen Teil der Förde das Muschelfischen längst verboten ist, dürfen die dänischen Muschelfischer unter Auflagen weiterhin mit ihren Schleppkörben den Meeresboden abrasieren und Muscheln „fischen“. In einem Gewässer, das die EU als Natura-2000-Fläche zum Schutzgebiet erklärt hat.

„Wir finden die verkrüppelten und zerquetschten Aale am Strandsaum“

„Es ist grauenvoll, was da passiert. Und niemand greift ein. Der Fischereiverband sitzt zwischen den Stühlen – denn sie vertreten sowohl die Muschelfischer als auch die Fischer. Aber wir hier können direkt und unmittelbar erleben, was die Trawler am Meeresboden anrichten. Wir finden die verkrüppelten und zerquetschten Aale am Strandsaum“, sagt Flemming Krause.

„Wir erleben, wie die Förde im Sommer an Sauerstoffschwund leidet. Wir brauchen die Muschelbänke am Meeresboden. Die Muscheln sind die Filter der Förde. Und die Aale ziehen sich in den Muschelbänken zurück. Eine Förde eignet sich nicht zum Muschelfischen, und wir können nicht verstehen, warum die Trawler weitermachen dürfen. Alle können sehen, dass sie unsere Förde zerstören. Warum tut niemand etwas?“, fragt sich Flemming.

In ihrer Freizeit bauen sich Frede und Flemming Krause in ihrer eigenen privaten kleinen Werft ein Segelboot. Foto: Karin Riggelsen

Er und sein Vater beobachten regelmäßig, dass sich die Muschelfischer nicht mal an die Vorgaben halten – sprich nicht nur dort fischen, wo das Wasser mindestens vier Meter tief ist. „Wir können ja sehen, dass sie rein in die geschützten Zonen fahren und dort die Muschelbänke plündern.“ Außerdem trawlern die Muschelschiffe illegalerweise auch nachts – wenn die Aale zwischen den Muscheln schlafen.

„Die Aale befinden sich über den Winter in einer Art Ruhezustand und ziehen sich in die Muschelbänke zurück. Die Trawler pflügen ihr Winterquartier einfach um. Wir finden massenweise Aale, die tiefe Kerben haben oder zweigeteilt sind.“

Laut Informationen der Fischereibehörde habe der zuständige Muschelfischer eine saftige Geldstrafe zahlen müssen, seitdem sei es besser geworden, sagt Flemming Krause.

Man kann sich ausmalen, wie es am Meeresboden aussieht, wenn so ein Schleppnetz darüberzieht. In den Muschelbänken wachsen zudem die jungen Fische auf. Auch ihnen nimmt man die Lebensgrundlage.

Flemming Krause, Fischer
Flemming Krause besitzt seit sechs Jahren die Lizenz zum gewerblichen Fischen auf der Förde. Foto: Karin Riggelsen

Statt Fischen finden die Krauses Ziegelsteine in ihren Netzen, wenn der Trawler an ihren Fischgründen vorbeigeschabt ist. Ziegel und zerquetschte Aale. „Man kann sich ausmalen, wie es am Meeresboden aussieht, wenn so ein Schleppnetz darüberzieht“, sagt Flemming. „In den Muschelbänken wachsen zudem die jungen Fische auf. Auch ihnen nimmt man die Lebensgrundlage.“

Als gewerbliche Fischer wollen auch die Krauses mit den Früchten des Meeres Geld verdienen. Doch sie wollen in Einklang mit der Natur arbeiten – sodass sowohl Fische und Aale als auch Fischer an der Flensburger Förde leben können.

„Dann leben wir am Toten Meer“

Fredes Umsatz ist im vergangenen Jahr um rund 50.000 Kronen zurückgegangen. Wegen der Muschelfischerei, sagt der alte Fischer. „Die haben Nacht für Nacht den Meeresboden abgeschabt. Aale sind scheu, die werden verscheucht – oder zerquetscht.“

„Man kann ganz klar sagen: Dort, wo die Muschelfischer aktiv sind, wird die Förde zum Toten Meer“, sagt Flemming. Sie hoffen noch immer, dass auch Dänemark die Muschelfischerei in der Flensburger Förde verbietet. „Sonst hat bald niemand mehr etwas von der Förde. Dann leben wir am Toten Meer.“

Ihre Fänge verkaufen die Krauses auch von zu Hause aus. Foto: Karin Riggelsen
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