Leitartikel

„Niemand stoppt die sinnlose Zerstörung der Flensburger Förde“

Niemand stoppt die sinnlose Zerstörung der Flensburger Förde

Niemand stoppt die sinnlose Zerstörung der Flensburger Förde

Apenrade/Aabenraa
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Noch immer gibt es aus Kopenhagen kein Signal, ob das bedrohte Ökosystem zwischen Nord-und Südschleswig endlich vor den Trawlern geschützt wird, die kommen, um die lebenswichtigen Muschelbänke am Meeresboden zu roden. Cornelius von Tiedemann wundert sich.

Unglaublich aber wahr: Es ziehen noch immer Trawler mit Schleppkörben durch die Flensburger Förde und schaben den Meeresgrund in diesem empfindlichen Ökosystem ab, als wäre er ein Selbstbedienungsmenü.

Weshalb das unglaublich ist? Weil rund um die Förde niemand ein Interesse daran hat. Im deutschen Teil des Gewässers ist das rücksichtslose Muschelfischen längst verboten.

Und auch im nördlichen Teil, entlang der Küsten der dänischen Kommunen Apenrade und Sonderburg, will niemand die Trawler sehen, die nichtmal aus der Region kommen, sondern, berichten örtliche Fischer, ganz aus Horsens angetuckert kommen, um hier Muscheln abzuschaben.

Der Kollege Kjeld Thomsen hat jüngst mit Hobbytauschern gesprochen, hier nachzulesen, die Kollegin Sara Eskildsen mit den letzten verbliebenen Fischern in Dalsgaard, der Artikel erscheint in Bälde.

Alle sind sich einig: Was hier passiert, geht einfach nicht. Nicht nur aus Prinzip – sondern auch, weil das Ökosystem Flensburger Förde längst auf der Kippe steht.

Nicht nur wegen des Muschelschwundes. Auch die dänische Landwirtschaft trägt ihren Teil dazu bei, dass es der Förde nicht gut geht – und dass wir die eigentlich aus der Nordsee stammenden Muscheln dort überhaupt als Filteranlage brauchen.

Eine zentrale Ursache für den Sauerstoffmangel in der Förde, die sich so für viele Arten nicht mehr als Lebensraum anbietet, liegt nämlich in der intensiven Landwirtschaft und der Massentierhaltung. Dung und andere Schadstoffe sickern in die Förde und beschleunigen dort einen tödlichen Kreislauf.

Eine einzelne Miesmuschel schafft es, bis zu zwei Liter Wasser pro Stunde zu filtern. Doch nicht nur das: Die Muschelbänke an sich sind ein Lebensraum für zahlreiche andere Arten. Darunter auch Fische, von denen es in der Förde immer weniger gibt.  

Sie sind auch Nahrung für Tauchenten, weshalb große Teile der Förde als Natura-2000-Fläche als EU-Schutzgebiete gemeldet sind.

Sollten sich Vorwürfe erhärten, dass die Muschelfischerinnen- und Muschelfischer sich auf der dänischen Seite nicht einmal an die dänische Vorschrift halten, nur dort die schweren Eisenschaber an ihren Schleppkörben einzusetzen, wo das Wasser mindestens vier Meter tief ist, würde das nur bestätigen, wie gleichgültig ihnen nicht nur die Förde, sondern der Zustand unserer Lebensumwelt insgesamt ist.

Dass diese sinnlose Muschelfischerei, die ihrerseits durch Aufwirbelungen den Sauerstoffschwund zusätzlich begünstigt, hier noch immer legal ist, liegt nicht an der örtlichen Politik. Aus den Rathäusern in Sonderburg wie aus Apenrade kommen immer wieder deutliche Signale. Doch entschieden wird auf staatlicher Ebene.

Beziehungsweise: Nicht entschieden wird auf staatlicher Ebene. Denn obwohl zum Beispiel Sonderburgs Bürgermeister Erik Lauritzen es schon lange „unglaublich“ findet, dass die Bodenschlepper weiter machen dürfen, ist seit Jahren nichts passiert.

Und so schleppen sie weiter ihre Körbe über den Grund der Förde und zerstören mit den Muschelbänken die Filteranlage und den Lebensraum für die grenzüberschreitende Vielfalt unter der Wasseroberfläche.

Ob die zuständige Fischereibehörde dem endlich bald einen Riegel vorschiebt, wie örtliche Fischer, Naturschützerinnen und Politikerinnen und Politiker hoffen, hängt sicherlich auch von dem politischen Druck ab, der auf Christiansborg jetzt ausgeübt wird.

Denn dass eine Trawlerfreie Zone kommt, ist sicher, das wurde bei den Haushaltsverhandlungen für 2022 beschlossen.

Nur, ob auch die Flensburger Förde dazugehören wird, ist noch immer unklar.

Deshalb sind jetzt die Folketingspolitikerinnen und -politiker aus der Region und alle, die sich ansonsten so gerne als grün bezeichnen, gefragt, Tatsachen zu schaffen.

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