Natur und Umwelt

Video: So sieht der Meeresboden nach der Muschelfischerei aus

Video: So sieht der Meeresboden nach der Muschelfischerei aus

Video: Meeresboden nach der Muschelfischerei

Kollund
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Muschelfischer nah am Strand vor Kollund Foto: Privat

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Das Abfischen von Muschelbänken in der Flensburger Förde ist seit geraumer Zeit ein Ärgernis nicht nur bei Umweltverbänden, werden der Meeresboden und das dortige Ökosystem doch beschädigt. Zu den Kritikern gehören auch Hobbytaucher wie der ehemalige Tingleffer Jens Egon Jørgensen. Er ist den Schäden buchstäblich auf den Grund gegangen.

Die Muschelfischerei auf deutscher Seite der Flensburger Förde ist mittlerweile verboten, auf dänischer Seite nicht. Das führt dazu, das immer wieder Kutter bei Kollund und bei den Ochseninseln vor Süderhaff (Sønderhav) auftauchen und Schleppnetze über den Boden ziehen, um Muschelbänke „abzugrasen“.

„Es schreit doch zum Himmel, dass es auf deutscher Seite verboten, auf dänischer aber immer noch erlaubt ist. Ich finde es peinlich, dass man in Deutschland erkannt hat, dass diese Form der Fischerei schädlich für die Förde ist, Dänemark es aber immer noch zulässt“, sagt Jens Egon Jørgensen.

Jens Egon Jørgensen ist um den Zustand der Flensburger Förde besorgt. Foto: kjt
Jens Egon Jørgensen ist begeisterter Taucher und Tauchlehrer. Foto: Privat

Der ehemalige Tingleffer, der mittlerweile in Großsolt bei Flensburg lebt, ist begeisterter Hobbytaucher und auch zertifizierter Tauchlehrer.

Trauriger Anblick

Sein bevorzugtes Tauchrevier ist die Flensburger Förde vor Kollund.

Er kennt die dortige Unterwassergegend und den Boden fast schon so gut wie die eigene Westentasche und weiß daher, welche Auswirkungen die Muschelfischerei hat und wie es um den Meeresgrund vor Kollund und Süderhaff bestellt ist.

Der Sauerstoffschwund vor allem in den warmen Monaten sei schon schlimm genug.

Dass aber auch noch der Boden durchgewühlt und die Muscheln abgefischt werden, die eine wichtige Filterfunktion haben, mache die Sache noch schlimmer, so Jørgensen, der im Flensburger Tauchcenter aktiv ist.

Intakte Muschelbank Foto: Privat
Abgegraster Meeresgrund der Flensburger Förde Foto: Privat

Erst kürzlich hat er gleich mehrmals wieder einen Kutter im Bereich der Ochseninseln nach Muscheln fischen gesehen.

Als das Boot seiner Ansicht nach die Tiefengrenze von vier Metern nicht einhielt, wurde es dem passionierten Taucher zu bunt.

Er setzte sich mit der Fischereiaufsicht in Verbindung.

Schutzzone nicht eingehalten

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Muscheln in einer Tiefe von nur 2,5 bis 3 Metern gefischt wurden und dadurch die Pufferzone zum Schutz von Seegras nicht eingehalten wurde“, so der 68-Jährige.

Wie es der Zufall wollte, war das Schiff „Havternen“ der Fischereibehörde gerade in der Nähe. Das Schiff eilte herbei und kontrollierte den Muschelfischer.

„Bei der Kontrolle lag das Fischerboot gerade noch innerhalb der 4-Meter-Grenze. Bei Tauchgängen ist aber deutlich zu erkennen, dass diese Grenze nicht immer eingehalten wird“, ärgert sich Jørgensen etwas über den „falschen Moment" der Kontrolle.

Tiefenmesser am Grund der Flensburger Förde vor Kollund. Muscheln dürfen dort erst ab einer Tiefe von vier Metern gefischt werden. Foto: Privat

Dass das Boot dort Muscheln einsammelt – auch wenn es legal ist –, sei ärgerlich genug. Wenn dann aber auch noch Schutzzonen nicht eingehalten werden, „dann ist es des Guten zu viel“, so Jørgensen.

Über und unter Wasser ein Auge darauf

Er hat sich bei der Fischereibehörde über die Vorschriften schlau gemacht und stehe mit ihr wegen möglicher Verstöße im Dialog.

„Am Kontakt zur Behörde kann man wirklich nichts aussetzen. Sie melden umgehend zurück“, sagt Jens Egon Jørgensen.

Mit seiner Forderung, dass die Muschelfischerei auch auf dänischer Seite der Förde und in den Gewässern um Alsen (Als) aus Natur- und Umweltschutzgründen untersagt werden muss, ist Jørgensen nicht allein.

Es schreit doch zum Himmel, dass es auf deutscher Seite verboten, auf dänischer aber immer noch erlaubt ist. Ich finde es peinlich, dass man in Deutschland erkannt hat, dass diese Form der Fischerei schädlich für die Förde ist, Dänemark es aber immer noch zulässt.

Jens Egon Jørgensen

Der dänische Naturschutzverband „Danmarks Naturfredningsforening“ (DN), seine Ortsvereine und andere Interessensorganisationen monieren die Schäden durch den Muschelfang schon länger.

Auch aus den Kommunen Apenrade (Aabenraa) und Sonderburg (Sønderborg) mehren sich die Stimmen gegen den Fang auf dänischer Seite der Förde, ist er doch im Kleinen Belt bereits untersagt.

Kommunen schlagen Alarm

In einem redaktionellen Beitrag der Naturschutzorganisation sprechen sich sowohl Sonderburgs Bürgermeister Erik Lauritzen als auch der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsausschusses der Kommune Apenrade, Erik Uldall Hansen (Soz.), gegen den Muschelfang in den hiesigen Küstengebieten aus.

„Es ist doch sinnlos, dass der Muschelfang mit Zerstörung der Fauna und des Meeresbodens im nördlichen Bereich der Flensburger Förde fortsetzen kann, während er auf der deutschen Seite weiter südlich verboten ist. Hier sind die Deutschen ambitionierter gewesen bei dem Bestreben, für eine gute Wasserqualität in unserer gemeinsamen Förde zu arbeiten“, sagt Erik Uldall.

Lebloser Boden in der Flensburger Förde (Archivfoto) Foto: Privat

Ähnlich formuliert es Sonderburgs Bürgermeister Erik Lauritzen: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn das gesamte Fahrwasser um Alsen herum und die Flensburger Förde frei von bodenschleppenden Gerätschaften wie bei der Muschelfischerei ist. Es ist unglaublich, dass es nicht schon längst gestoppt wurde.“

Dringender Handlungsbedarf

Äußerungen, die bei Jens Egon Jørgensen Freude hervorrufen.

„Das liest sich sehr schön, und es ist zu hoffen, dass die Kommunen im Verbund mit den Naturschutzgruppen dem Muschelfang in der Förde endlich einen Riegel vorschieben können“, so Jens Egon Jørgensen.

Er war einst selbst Stadtratsmitglied in Tingleff und Apenrade und würde sich freuen, wenn aktuelle Kommunalpolitiker ihres zu einem Muschelfangverbot in der Förde beitragen können.

Nichts gegen die Branche

Es gehe ihm gar nicht darum, den Muschelfischern eins auszuwischen und auch nicht darum, die Branche zu verteufeln, betont Jørgensen.

„Die Fischereibehörde hat mich gefragt, ob ich bei meinen Meldungen anonym bleiben möchte. Ich habe geantwortet, dass ich das nicht möchte. Warum auch?“

Jens Egon Jørgensen Foto: kjt

Es gebe an anderen Küstenabschnitten wie etwa am Limfjord Muschelbestände, deren Abfischen weniger gravierende Auswirkung haben.

Für die dänische Seite der Flensburger Förde sei es aber schon fünf vor zwölf, oder gar darüber.

„Es sieht wirklich nicht gut aus. Große Muschelbänke sind komplett abgetragen, und im Boden ist kaum Leben drin. Wir sehen das bei jedem Tauchgang“, so Jørgensen mit einem Seufzer.

Lange Erholungszeit

Es dauere mindestens vier oder fünf Jahre, bis sich wieder größere Muschelbänke gebildet haben und mit ihren Filtereigenschaften einen wichtigen Beitrag zum Ökosystem und zu besseren Sauerstoffwerten im Meer leisten können.

Das müsse das Minimalziel des hiesigen Naturschutzes sein, denn die Förde hat unter weiteren Einflüssen zu leiden.

„Verglichen mit vor zehn Jahren, gibt es auch viel weniger Fische. Der Gesamtzustand ist nicht gut, und dagegen muss unbedingt etwas getan werden“, sagt Jens Egon Jørgensen.

Miesmuschel: „Kläranlage“ der Meere

Die Miesmuschel (Mytilus edulis) wird auch als „Kläranlage“ der Meere bezeichnet. Die blauschwarze Muschel saugt Meerwasser an – bis zu zwei Liter pro Stunde – und filtert Plankton sowie kleine organische Partikel heraus. Diese Reinigungsfunktion macht sie so wichtig für unsere marinen Ökosysteme. Ein Quadratmeter Miesmuschelbank kann innerhalb einer Stunde bis zu 140 Liter Wasser filtern. Eine einzelne ausgewachsene Muschel schafft bis zu zwei Liter pro Stunde.
Dicht an dicht liegen die Muscheln auf Steinen, Kies und Sand. Ihre klebrigen Byssusfäden, das sind sehr zugfeste Eiweißfäden, die die Muschel mit Hilfe einer Drüse an ihrem Fuß bildet, sorgen dabei für einen sicheren Halt. Nach und nach entstehen so Muschelbänke – ein reich strukturierter Lebensraum und das Zuhause von bis zu 50 anderen Arten – Würmern, Krebsen und Fischen.
Die Miesmuschel, auch Pfahlmuschel genannt, hat eine langgestreckte, schlanke Schalenform und eine blau-schwarze Färbung. Ihre Schalen bestehen aus zwei fast gleichen Hälften, sodass man Ober- und Unterseite nur schwer unterscheiden kann. 
Miesmuscheln stammen ursprünglich aus der Nordsee. Inzwischen sind sie jedoch auch in der Ostsee weit verbreitet. Aufgrund des geringeren Salzgehaltes werden die Muscheln in der Ostsee nur bis zu fünf Zentimeter groß, und sind damit nur etwa halb so groß wie ihre Nordsee-Verwandten. Auch ihre Schale ist dünner. Mit dem abnehmenden Salzgehalt der Ostsee nimmt dann auch die Verbreitung und Dichte der Miesmuschelvorkommen ab. Stimmt das Sauerstoffangebot, können Miesmuscheln in bis zu 20 Meter Wassertiefe leben. Quelle: „NABU"

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