Traditionsbewegung

Europas reisende Gesellen treffen sich in Sonderburg

Europas reisende Gesellen treffen sich in Sonderburg

Europas reisende Gesellen treffen sich in Sonderburg

Düppel/Dybbøl
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Fahnenübergabe 2020 von den Rechtschaffenen Maurern und Steinmetzen an die SCUK-Naver Foto: Pressefoto

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In Dänemark gibt es derzeit nur einen traditionell reisenden Handwerker auf der Walz. Der skandinavische Naver-Verbund will die alte Tradition wiederbeleben, verrät Christian Riedel, Mitglied der Sonderburger Naververeinigung.

In charakteristischer Kluft, mit Weste und Hut unterwegs, traf man früher so manchen reisenden Handwerker auf den Straßen des Landes. Doch die Tradition der reisenden Handwerker ist in Dänemark nahezu in Vergessenheit geraten. Derzeit gibt es nur einen einzigen Naver, erzählt Christian Riedel, Mitglied der Sonderburger Naververeinigung.

Nordschleswig wird Ende Oktober zum Zentrum der europäischen Wandergesellen-Kultur: Vom 22. bis 24. Oktober findet in Sonderburg die Generalversammlung der CCEG statt, das ist die Dachorganisation der wandernden Gesellen in Westeuropa.

Rund 100 Reisende und Gereiste, Wandergesellen und Compagnons (Frankreich) kommen dann zusammen, um sich auszutauschen und die Tradition zu beleben.

Wandergeselle, Naver, Compagnon

Was ist das eigentlich, ein Naver? Und worin besteht der Unterschied zum deutschen Wandergesellen und zum Compagnon in Frankreich? Jedes Land hat seine eigene Tradition der arbeitenden Reisenden, erläutert Christian Riedel.

„Der Ausdruck Naver ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff Wandergeselle. Es bedeutet reisender Skandinavier. Ein CUK-Naver ist jemand, der mindestens zwölf Monate und einen Tag im Ausland gearbeitet hat, das muss nicht unbedingt als Handwerker sein. Es geht um den Naver-Geist: dass man freiwillig ins Ausland geht, um zu arbeiten und etwas Neues kennenzulernen“, so Christian Riedel.

 

Christian Riedel vor der „Höhle“ der Sonderburger Naver bei Düppel Foto: Sara Wasmund
Naver Malte Hoppen arbeitete 2019 in der Gamle By Aarhus. Foto: Kim Haugaard/Jysk Fynske Medier/Ritzau Scanpix

21 SCUK-Naver-Vereinigungen gibt es derzeit in Dänemark. SCUK bedeutet „Skandinaviske Centrale Understøttelseskasse“, es ist der Dachverband der Naver im Norden. Die Vereinshäuser werden als Herberge oder Höhle („hule“) bezeichnet. Die Höhle der Sonderburger Reisegesellen liegt bei Düppel in einem alten kommunalen Kindergarten neben der Bülow-Schule.

Wände und Möbel erzählen Geschichte. Alte Handwerkszeuge und Wanderstöcke, alte Tücher von 1936, die „Charlies“, die ein jeder Wandernder besitzt und exotische Mitbringsel wie Schildkrötenpanzer, die vom Arbeitseinsatz in fernen Ländern zeugen und einst als Gastgeschenke nach Sonderburg reisten.

Freiheit pur: Telefon ist auf der Walz verboten

Längst nicht jeder Naver war auf der Walz, erklärt Riedel. „Derzeit haben wir nur einen reisenden Handwerker, der derzeit in Dänemark unterwegs ist“, sagt Christian Riedel. Drei Jahre ist man auf der eigentlichen „Tippelei“ unterwegs, ohne Mobiltelefon und von Ort zu Ort reisend, um zu arbeiten und sich in seinem Handwerk verdient zu machen.

Drei Jahre und einen Tag dauert die Walz, dabei darf man seinem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen.

In der Sonderburger Naver-„Höhle“ Foto: Sara Wasmund

Im Dachverband der skandinavischen Naver, der SCUK, sind derzeit 325 Personen organisiert.

Die SCUK ist seit 2016 Teil des CCEG, der „Confederation Compagnonnages Européens/Europäische Gesellenzünfte“. Von diesem Beitritt erhoffen sich die Skandinavier einen Schub für die eigene Nachwuchsarbeit in Sachen Walz. Die Naver wollen in Berufsschulen und über die Gewerkschaft 3F Werbung für die Walz machen.

Keine Kinder und keine Schulden

„Denn im Grunde ist es eine Weiterbildung. Man geht als Person und Handwerker mehrfach über Grenzen, auch über seine eigenen. Man hat die Möglichkeit, drei Jahre lang eine echte Freiheit zu erleben und sich fachlich weiterzubilden“, sagt Riedel.

Wer auf die Walz geht, darf keine Schulden und keine Kinder haben und nicht verheiratet sein. Außerdem muss eine ausgelernte Handwerksausbildung vorliegen.

Ein Naver auf Seeland Foto: Keld Navntoft/Ritzau Scanpix

Der 51-jährige Christian Riedel lebt in Nordfriesland und arbeitet in Dänemark, derzeit in Tondern (Tønder). Für ihn ist das Naver-Leben ein Lebensstil. „Ich habe es selten länger als ein oder zwei Jahre an einem Arbeitsplatz ausgehalten. Die Tradition der Gesellen ist eine der ältesten überhaupt und ist nicht ohne Grund Teil des Unesco-Weltkulturerbes“, sagt Riedel.

Tradition zu neuem Leben erwecken

Beim Jahrestreffen in Sonderburg sollen Kontakte aufgefrischt und neue Initiativen besprochen werden. Ein frommer Wunsch von Christian Riedel: „Bevor ich abtrete, möchte ich erleben, dass es in Dänemark 22 reisende Handwerker auf der Straße gibt, und nicht nur einen. Wir wünschen uns, dass die Tradition in Skandinavien wieder zu neuem Leben erweckt wird.“

Die Walz

  • Wanderschaft, Walz oder Tippelei – alle drei Begriffe stehen für dieselbe Tradition. Im Mittelalter war es üblich, dass der ausgelernte Handwerksgeselle seinen Heimatort, in dem meistens auch der Meister, der ihn ausgebildet hatte, seinen Betrieb führte, für mehrere Jahre verließ.
  • Diese Regelung war für beide Seiten vorteilhaft. Da jeder Handwerksmeister eigene Tricks kannte, konnte der Geselle bei anderen Meistern Erfahrungen sammeln und sich so fortbilden. Für den ausbildenden Meister war es die Sicherheit, dass er nicht sofort junge Konkurrenz im selben Ort hatte.
  • In Deutschland ist das Wandergesellentum an deutlich mehr Regeln gebunden als in Skandinavien. In der Öffentlichkeit ist der Wandergeselle immer durch seine Reisekluft zu erkennen: Zimmererhose mit großem Schlag, Staude, Weste, Jackett, Hut, Gepäck und Stenz, der Wanderstab. Auch hier unterscheidet sich die Kluft – die deutschen Kleidungsvorschriften sind deutlich feinmaschiger.
  • In Europa gibt es die Wanderschaft in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Dänemark, Schweden und Norwegen.

 

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