Leitartikel

„Die Waffen nieder!“

Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch befasst sich in seinem Leitartikel mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und unternimmt in seinem Kommentar auch Rückblicke in die Vergangenheit, um seine Forderung nach einem Ende des Blutvergießens zu untermauern.

Die Aufforderung „Die Waffen nieder“ ist in diesen schrecklichen Tagen des Überfalls russischer Truppen auf die Ukraine so aktuell wie 1889, als die aus Böhmen stammende Pazifistin, Schriftstellerin und Journalistin Bertha von Suttner (1843-1914) unter diesem Titel ihren pazifistischen Roman veröffentlichte.

Die Mitbegründerin der weltweit wirkenden Friedensbewegung hat die Einberufung der ersten Friedenskonferenz in Den Haag 1899 mit vorbereitet, deren Nachfolgeeinrichtungen bis heute existieren, beispielsweise in Form des Internationalen Strafgerichtshofs in der niederländischen Hauptstadt.

Dieser ist zuständig für die Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und Kriegsverbrechen. Bertha von Suttner, die entscheidend Alfred Nobel zur Stiftung des Friedensnobelpreises motiviert hat und selbst mit diesem renommierten Preis ausgezeichnet worden ist, verstarb kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs.

Ihr Pazifismus hat weder diesen Krieg, noch den Zweiten Weltkrieg verhindert.

Auch angesichts des zutiefst ungerechten Krieges auf dem Territorium der Ukraine klingen die Reaktionen in diesen Tagen oft so, als wenn allein Waffen und Armeen Figuren wie in der russischen Staatsführung Einhalt gebieten können.

Es ist erschütternd, aus Russland, wo die Meinungsfreiheit seit Jahren immer weiter zurückgedrängt worden ist, von Menschen zu hören, die nur per Anruf aus dem Ausland vom Überfall ihres Landes auf das „Bruderland“ erfahren haben. Und die tief unglücklich über die Gewalttaten in einem Land sind, in dem im 20. Jahrhundert schlimmste Verbrechen im Namen von verschiedenen Machthabern begangen worden sind.

Die Gedanken gehen hin zu meinem eigenen Vater, der vor fast genau 79 Jahren als 18-jähriger deutscher Soldat die aktuell in den Medien als Kriegsschauplatz genannte Stadt Charkiw auf Befehl der NS-Kriegsmaschinerie „erobert“ hat.

Die Bilder des Geschehens 1943 in der jetzt wieder von Straßenkämpfen gepeinigten Metropole haben ihn bis ans Ende seines langen Lebens verfolgt.

Von Militär und Militarismus sind viele Menschen seitdem bedient – gerade auch in einem Gebiet wie Nordschleswig, wo die zurückliegenden Debatten über das eigene Gedenken der toten Soldaten aus den Weltkriegen zeigen, dass unzählige junge Leute ihr Leben für keinen guten Zweck geopfert haben.

In Nordschleswig wie im übrigen Dänemark ist eine Welle von Solidarität mit der Ukraine zu verspüren. Viele haben Menschen aus der Ukraine als Mitarbeiter und Kollegen kennengelernt. Gerade Schilderungen aus ukrainischen Familien durch hier lebende Menschen geben Anstoß, Unterstützung zu leisten.

Und es gibt auch Mahnungen humanitärer Organisationen, bei aller Bereitschaft, jetzt die Ukraine mit Abwehrwaffen zu versorgen, nicht die humanitäre Unterstützung durch die Anti-Putin-Staaten zu kurz kommen zu lassen.

Die Alarmglocken schrillen auch im Zusammenschluss der europäischen Minderheitenorganisationen FUEN, zu der zahlreiche Verbände aus der Vielzahl der in der Ukraine beheimateten Minoritäten zählen.

Es darf nicht vergessen werden, dass es bei der Aggression Russlands gegen die Ukraine auch um die Durchsetzung einer als Nationalismus getarnten Politik geht, die der Ukraine eine nationale Eigenständigkeit abspricht.

Das Geschehen dort ist eine Mahnung an ganz Europa, die Nationalstaatsideologie, auch in ihren harmlosen Ausführungen, infrage zu stellen. Die Erfahrungen in unserem Grenzland erinnern uns daran, dass auch in unserer Region gewalttätige Politik wie die Besetzung Dänemarks 1940 und der folgende deutsche Besatzungsterror erst wenige Generationen zurückliegt.

Als Konsequenz sind speziell auch in Deutschland neue politische Wege beschritten worden, die gemeinsam mit anderen demokratischen Staaten zur Gründung von Friedensprojekten wie der Europäischen Union, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, aber auch der Ausrichtung der Nato als Verteidigungsbündnis und dem Fall des Eisernen Vorhangs geführt haben.

Selbstkritisch wird jetzt festgestellt, man habe Putins Aggressivität unterschätzt und die Verteidigungsanstrengungen schleifen lassen.

Aber nicht vergessen werden darf, dass zur Installierung des schrecklichen Systems Putins auch die Kumpanei in westlichen Finanzmetropolen mit russischen Oligarchen zählt, deren Raubgut aus dem eigenen Land in Systeme der Geldwäsche eingeschleust wurden.

Es wird nicht reichen, dem Pazifismus die Verantwortung für die jetzt so schlimme Situation zuzuschieben.

Neben Waffen darf die Macht der Worte nicht unterschätzt werden, auch zur Unterstützung der friedliebenden Menschen in Russland.

Und es bleibt der Appell an die russische Machtelite, auch nach dem Beginn des Krieges Mut zu fassen und den Kriegstreibern in den Arm zu fallen, mit Bertha von Suttners Aufruf, die Waffen nieder!

Und einer Clique in Moskau, die hoffentlich recht bald in Den Haag auf der Anklagebank sitzt. 

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