Krieg in der Ukraine

Hadersleben hilft: Die ersten Busse brechen auf zur Grenze

Hadersleben hilft: Die ersten Busse brechen auf zur Grenze

Hadersleben hilft: Die ersten Busse brechen auf zur Grenze

Hadersleben/Haderslev
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Ein letztes Foto vor der Abfahrt: Mia Gade Møller schickt die freiwilligen Helfer aus Hadersleben mit dem ersten Bus in Richtung polnisch-ukrainische Grenze. Am Freitag wird sie sich selbst auf den Weg machen. Foto: Annika Zepke

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Nicht nur in der Schlossstadt Gramm bereiten sich die Bürgerinnen und Bürger auf Flüchtlinge aus der Ukraine vor. Auch in Hadersleben gibt es eine groß angelegte Flüchtlingsinitiative. Am Montag brach dort der erste Bus zur polnisch-ukrainischen Grenze auf, um Menschen in Sicherheit zu bringen. „Der Nordschleswiger“ war bei der Abfahrt dabei.

Kurz nach 17 Uhr rollte der Bus von dannen: Etwa 1.400 Kilometer und gut 16 Stunden Fahrt liegen vor Busfahrer Benny Karger und einer Handvoll freiwilliger Helferinnen und Helfer. Sie haben sich am Montag von Hadersleben aus auf den Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze gemacht.

Dort wollen sie so viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgabeln wie möglich, oder besser gesagt, wie in den Bus passen. Denn mehr Menschen als Plätze im Bus – das geht nicht, da ist der erfahrene Busfahrer konsequent.

Ziel: Dänemark

Mit im Bus sitzt auch der 24-jährige Ivan. Seinen Nachnamen möchte der gebürtige Ukrainer zu seiner eigenen Sicherheit lieber nicht nennen. Seit etwa zwölf Jahren wohnt er in der Domstadt. Doch nun begibt er sich als ehrenamtlicher Übersetzer zusammen mit den anderen Freiwilligen aus Hadersleben gen Polen.

Busfahrer Benny Karger ist seit 20 Jahren in der Branche tätig. Eine Nothilfe wie diese ist jedoch auch für den erfahrenen Busfahrer eine neue Erfahrung. Die Tour zur polnisch-ukrainischen Grenze ist für den 69-Jährigen aber eine Herzensangelegenheit, wie er erzählt: „Mein Großvater ist 1914 auch vor den Russen aus der Ukraine geflohen.“ Foto: Annika Zepke

Ivan, der neben Dänisch und Ukrainisch auch Russisch und Polnisch spricht, hat von Hadersleben aus bereits Kontakt zu einigen ukrainischen Geflüchteten aufgenommen, die an der Grenze zu Polen auf eine Mitfahrgelegenheit nach Dänemark hoffen. „Ich habe zu wissen bekommen, dass etwa 2.500 Ukrainerinnen und Ukrainer am Grenzübergang in Medyka nach Dänemark wollen“, so der 24-Jährige bei der letzten Lagebesprechung im Reformhaus Frk. Helsekost kurz vor der Abfahrt.

Weitere Busse folgen

Für sie alle wird in dem Bus aus Hadersleben kein Platz sein: „Aber sagt den Leuten, dass wir wiederkommen“, betont Mia Gade Møller, bei der die Fäden der Haderslebener Flüchtlingsinitiative zusammenlaufen. Am Freitag wird sie selbst mit in einen Bus steigen, um Geflüchtete an der ukrainischen Grenze abzuholen.

Den Anstoß für die Initiative hatte ihre 16-jährige Tochter gegeben, berichtet die Miteigentümerin von Frk. Helsekost; „Meine Tochter und ihre Freundin meinten zu mir als der Krieg los ging: Mama, du must irgendetwas tun.“ Gesagt, getan: Kurze Zeit später hatte die Haderslebener Geschäftsfrau die Facebook-Seite „Hjælp Ukrainere i Haderslev“ erstellt damit und eine wahre Welle der Hilfsbereitschaft in der Domstadt losgetreten.

Im Reformhaus Frk. Helsekost trafen sich die Ehrenamtlichen zu einer letzten Lagebesprechung vor der Abfahrt. Foto: Annika Zepke

Haderslev Butikker hilft bei der Koordination

Mittlerweile ist nicht nur der erste Bus in Richtung Polen aufgebrochen, es sind auch 200 Gastfamilien und andere Unterkünfte für die Geflüchteten aus der Ukraine gefunden worden. In der Kantine des ehemaligen Rathauses an der Gåskærgade wurde zudem eine Sammelstelle für Artikel des täglichen Bedarfs eingerichtet, damit alles bereit ist, wenn die ersten ukrainischen Flüchtlinge in Hadersleben eintreffen.

Auch der Einzelhandelsverein „Haderslev Butikker“ unterstützt die Aktion und kümmert sich um die Koordination der Spenden und die technischen Details. „Wir haben bereits ein Konto eingerichtet, und in Kürze bekommen wir auch MobilePay, sodass es für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger noch einfacher wird, die Initiative finanziell zu unterstützen“, erklärt Handelskoordinator Christian Schulz.

Keine leichte Aufgabe

Besonders an Diesel beziehungsweise dessen Finanzierung mangele es derzeit, erzählt Mia Gade Møller, die ihre ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer vor der Abfahrt noch einmal auf die Situation an der Grenze einzuschwören versucht: „Passt auch auf euch selbst auf“, sagt sie, „das wird auch hart für euch, wenn ihr dort seid und entscheiden müsst, wer mitdarf und wer nicht.“

Bei Mia Gade Møller, Miteigentümerin des Reformhauses Frk. Helsekost, laufen die Fäden der Haderslebener Flüchtlingsinitiative zusammen. Foto: Annika Zepke

Von zwei Hochschwangeren wissen sie schon, auch zwölf Kinder aus einem ukrainischen Kinderheim sollen in dem Bus, den das Woyenser Taxiunternehmen VTS kostenlos zur Verfügung gestellt hat, Platz finden – vorausgesetzt sie schaffen es rechtzeitig zur Grenze. Ansonsten gelte jedoch: „Wir lassen keine Kinder zurück! Und passt auf, dass ihr möglichst keine Familien trennt“, so Gade Møller.

Ein letztes Mal winken sie Familie und Freunden zu, dann steigen Benny Karger, Ivan und die anderen Ehrenamtlichen in den Bus. „Ich freue mich darauf zu helfen“, sagt Ivan, „aber ich bin auch etwas nervös zu sehen, wie die Leute reagieren.“ Lautes Hupen ertönt, der Bus setzt sich in Bewegung.

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