Porträt

Hans Christian Schmidt wird wütend, wenn er Ungerechtigkeit wahrnimmt

Hans Christian Schmidt wird wütend, wenn er Ungerechtigkeit wahrnimmt

Hans Christian Schmidt: Ungerechtigkeit macht mich wütend

Kopenhagen
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Hans Christian Schmidt spricht anlässlich des 40. Jubiläums des Kopenhagener Sekretariats des BDN. Foto: Walter Turnowsky

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Mit 29 Jahren im Folketing ist der Venstre-Politiker aus Woyens einer der Dienstältesten. Er macht Politik, weil er es nicht lassen kann. Das Ende seiner Laufbahn will der 70-Jährige noch nicht bekannt geben.

Hans Christian Schmidt entschuldigt sich dafür, dass sich das Interview um ein paar Minuten verspätet hat.

Der Venstre-Veteran aus Woyens (Vojens) hatte eben noch ein Telefonat mit Menschen aus Djernis (Diernæs), deren Sommerhäuser bei der Sturmflut im Oktober beschädigt wurden. Er legt Wert auf solche Gespräche, und begegnet so häufig wie möglich Menschen vor Ort.

„Ich finde diese Schnacks ausgesprochen wichtig“, sagt er dem „Nordschleswiger“.

Anders Fogh Rasmussen als Vorbild

Schmidts Eltern waren Landwirte, doch sein Vater starb, als er noch ein Kind war. Er sieht die Wurzeln seines Interesses für gesellschaftliche Zusammenhänge und für die Anliegen von Menschen in den Dingen, die ihm seine alleinerziehende Mutter mit auf den Weg gegeben hat.

„Ich kann es nicht lassen, mich einzumischen“, begründet er sein jahrzehntelanges politisches Engagement.

Er wurde zunächst Mitglied der Jugendorganisation VU der liberalen Bauernpartei Venstre. 1982 zog er in den Stadtrat in Woyens ein, 1994 in das Folketing, wo er seither seine Partei ohne Unterbrechung vertreten hat. Als Grund, eine politische Karriere anzustreben, nennt er einen bestimmten Namen: „Anders Fogh Rasmussen“.

Schmidt hatte den damaligen zweiten Vorsitzenden von Venstre während seiner VU-Zeit getroffen. Seither übernahm Fogh Rasmussen den Vorsitz und war von 2001 bis 2009 Staatsminister.

Hans Christian Schmidt

  • Am 25. August 1953 in Nustrup bei Woyens als Sohn von Ingrid und Holger Schmidt geboren
  • Lehrerexamen am Haderslev Seminarium 1977
  • Lehrer an der Nustrup Skole und der Sommersted Skole. Ab 1981 Konrektor.
  • Vorsitzender von VU Vojens von 1977 bis 1979
  • Mitglied des Stadtrates in Woyens von 1982 bis 2001
  • Mitglied des Folketings seit 1994
  • Umweltminister von 2001 bis 2004
  • Nahrungsmittelminister von 2004 bis 2007
  • Transportminister von 2010 bis 2011 und von 2015 bis 2016
  • Fraktionsvorsitzender von 2007 bis 2010
  • Derzeit Sprecher für den ländlichen Raum, Senioren, Luftfahrt und Post

Ich kann es nicht lassen, mich einzumischen.

„Er war ein großes Vorbild für mich. Bereits bei der ersten Begegnung empfand ich ihn als ehrlich, mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und außerdem war er ein eminent tüchtiger Politiker“, so Schmidt.

Ungerechtigkeit macht Schmidt wütend

Insbesondere die Frage der Gerechtigkeit spielt für ihn eine große Rolle. Das eingangs erwähnte „nicht lassen können“ begründet er genau damit.

„Wenn ich Ungerechtigkeit sehe, empört mich das. Ja, ich kann richtiggehend wütend werden“, sagt Schmidt.

 

Wer die Macht hat, hat auch die Pflicht, sie sorgfältig zu verwalten, doch das geschieht nicht immer.

Das ist auch der Grund, weshalb er sich der Sache der Sommerhausbesitzerinnen und -besitzer in Djenis annimmt. Weil ihre Sommerhäuser angeblich vor einem „Deich“ liegen, meint die staatliche Küstenbehörde, dass sie kein Anrecht auf eine Entschädigung haben. Die Betroffenen selbst sehen nur einen kleinen Erdwall.

„Hier sind Menschen in die Zwickmühle geraten, und dann reagiere ich. Behörden müssen auch einmal einen Fehler eingestehen können.“

Lärmbelastung durch F-35

Ein anderer Fall, bei dem sich Schmidt für die Lokalbevölkerung starkgemacht hat, war die erhöhte Lärmbelastung durch die F-35-Fighterjets am Luftwaffenstützpunkt Skrydstrup. Schmidt setzte sich für eine Entschädigung für die Anwohnenden ein, deren Häuser an Wert verloren.

„In so einem Fall sage ich zu den Behörden, Entscheidungsträgerinnen und -trägern: Ihr müsst euch anständig benehmen. Wer die Macht hat, hat auch die Pflicht, sie sorgfältig verwalten, doch das geschieht nicht immer.“

Hans Christian Schmidt setzt sich häufig für Belange in Nordschleswig ein. Foto: Karin Riggelsen

Schmidt war viermal Minister

Schmidt hat sich vor allem immer für „seine“ Wählerinnen und Wähler eingesetzt. Er ist Nordschleswiger und Woyenser mit Leib und Seele. Und die Wählerschaft hat es ihm gedankt: Er war wiederholt einer der großen Stimmmagneten seiner Partei.

„Letztendlich entscheidet man nicht selbst, ob man Politikerin oder Politiker ist, das entscheiden die Menschen an den Wahlurnen.“

Und ausreichend von ihnen haben seit 29 Jahren hinter seinem Namen ihr Kreuzchen gesetzt. Nur Pia Kjærsgaard von der Dänischen Volkspartei sitzt länger im Folketing als er. Er ist Umwelt-, Nahrungsmittel- und sogar zweimal Verkehrsminister gewesen. Vor allem die beiden letzteren Ministerien haben ihm Freude bereitet.

Es ist selbstverständlich traurig, diesen Rückgang meiner Partei mitzuerleben.

„Man ist für konkrete Fragen, nah an der Bevölkerung, zuständig. Ich bin viel durchs Land gereist und bin den Problemen des wirklichen Lebens begegnet“, beschreibt er die Aufgaben, die für das schmidtsche Gemüt fast maßgeschneidert erscheinen.

Venstremand aus Überzeugung

Gleichzeitig mit Schmidt zog ein gewisser Lars Løkke Rasmussen ins Folketing ein. Er war bekanntlich seither Venstre-Vorsitzender. Nachdem er erst die Wahl 2019 und dann den Vorsitz verloren hatte, trat er aus der Partei aus und gründete seine eigene Partei.

Schmidt würde es im Traum nicht einfallen, Venstre zu verlassen: „Niemals. Wenn mir etwas nicht passt, bleibe ich, um es zu ändern“.

Ich bin wirklich dankbar, dass so viele Freiwillige hart für mich arbeiten.

Ungefähr gleichzeitig mit Løkke trat auch die ehemalige zweite Vorsitzende Inger Støjberg aus und gründete ihrerseits die Dänemarkdemokraten. Dies hat den Niedergang der ohnehin schon geplagten Partei weiter beschleunigt.

Unterstützung des Wählerverbandes

Unter Schmidts Vorbild Anders Fogh Rasmussen schaffte Venstre es 2007, der Sozialdemokratie den Rang als stärkste Partei abzulaufen. Jetzt hat die rechtsliberale Partei in den Umfragen nur die Hälfte der Stärke des derzeitigen Koalitionspartners.

„Es ist selbstverständlich traurig, diesen Rückgang meiner Partei mitzuerleben.“

Ein Schulklasse der Deutschen Schule Sonderburg besucht Hans Christian Schmidt im Folketing. Foto: DSS

Freude bereitet ihm dagegen die Unterstützung der lokalen Parteifreundinnen und -freunde. Die Freiwilligen, die sich Wahl für Wahl für Hans Christian Schmidt als ihren Abgeordneten eingesetzt haben.

„Ich bin wirklich dankbar, dass so viele Freiwillige hart für mich arbeiten. Ohne sie wäre ich nichts, denn alleine hat man in der Politik keine Chance.“

Ende der Laufbahn in Sicht?

Das mag wohl auch ein wesentlicher Grund dafür sein, dass der 70-Jährige das Ende seiner politischen Laufbahn bisher nicht ins Auge gefasst hat – noch nicht so ganz zumindest.

„Ich bin von meinem Kreisverband erneut aufgestellt worden. Aber ich kenne natürlich auch mein Alter. Keiner weiß, wie lange diese Regierung weitermachen wird. Ich gebe meinen Rückzug aus der Politik bekannt, wenn ich ihn bekannt gebe. Näher kommen wir einer Antwort nicht“, sagt Hans Christian Schmidt.

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