Grüne Umstellung

Deutsche Minderheit nach zwei Jahren nahezu fossilfrei

Deutsche Minderheit nach zwei Jahren nahezu fossilfrei

Deutsche Minderheit nach zwei Jahren nahezu fossilfrei

Apenrade/Aabenraa
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Generalsekretär Uwe Jessen (links) und Hauptgeschäftsführer Bernd Søndergaard haben die grüne Umstellung in der deutschen Minderheit in die Hand genommen (Archivbild). Foto: Karin Riggelsen

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THEMA GRÜNE MINDERHEIT: Der Bund Deutscher Nordschleswiger hat Tempo vorgelegt bei der energetischen Sanierung der Gebäude der deutschen Minderheit. Generalsekretär Uwe Jessen und Hauptgeschäftsführer Bernd Søndergaard über den Stand der grünen Umstellung im Bereich des BDN.

„Wir sind überhaupt noch nicht am Ende“, sagt der Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Uwe Jessen, beim Blick auf eine Präsentation an der Wand. Die grüne Umstellung in der deutschen Minderheit hat der BDN in den vergangenen zwei Jahren mit dem Fokus auf das Energiesparen in die Hand genommen – mit Erfolg. „Wir sind quasi binnen zwei Jahren fossilfrei geworden“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernd Søndergaard.

Uwe Jessen Foto: Nils Baum

Wärmepumpen und Solaranlagen

Mit Rückendeckung durch den Hauptvorstand wurde massiv investiert, um etwa neue Fenster einzubauen und alte Öl- und Gasheizungen durch Photovoltaik-Anlagen (PV) und Luft-Wasser-Wärmepumpen zu ersetzen. Die letzten Gebäude seien in diesem und im kommenden Jahr dran, so Søndergaard.

Hintergrund für die häufig zu findende Kombination aus Wärmepumpe und PV-Anlage ist der Stromverbrauch. „Die Pumpen arbeiten mit Strom, durch Zubau von Solar können wir hier kompensieren und sparen“, so der Hauptgeschäftsführer.

Eigentlich sollte es schon 2021 richtig losgehen mit dem Energieprojekt der Minderheit. Durch Corona und den anschließenden Ukraine-Krieg stiegen die Energiepreise, Material war teuer und die Lieferzeiten lang. Die Liste der Projekte war zu diesem Zeitpunkt lang. „Und es war auch immer eine Abwägungssache. Muss zuerst ein Dach saniert werden, oder kaufen wir eine PV-Anlage“, so Jessen. 

Bernd Søndergaard
Bernd Søndergaard Foto: Karin Riggelsen

Start für grüne Energie im Jahr 2022

Eine Sonderrolle spielte die alte Kommune Tingleff (Tinglev), wo Öl- und Gasheizungen lange zum Standard gehörten. Betroffen waren etwa die Schulen in Tingleff, Burkall (Burkal) und Rapstedt (Ravsted), die bereits 2022 auf Luft-Wasser-Wärmepumpen umgestellt wurden. Hier wurde in dem Zusammenhang auch die Technik erneuert, und es wurden zusätzlich PV-Anlagen installiert.

Ebenfalls 2022 bekamen die Kindergärten in Jeising (Jejsing) und Bülderup (Bylderup) eine Wärmepumpe. 

Wärmepumpen
Wärmepumpen an der deutschen Schule in Burkall. Foto: BDN

Austausch alter Ölanlagen bis Ende 2024

In diesem Jahr steht der Austausch der alten Ölanlagen noch in den deutschen Kindergärten in Loit Schauby (Løjt Skovby) und Wilsbek (Vilsbæk) an. In Wilsbek ist bereits eine PV-Anlage mit 50 kW aufs Dach gekommen. 

Auch die Deutsche Nachschule Tingleff (DNT) hat bereits eine große Solaranlage und neue Luft-Wasser-Wärmepumpen bekommen. 

Investitionen auf dem Knivsberg

Auch auf dem Knivsberg steht die weitere energetische Sanierung an. Hier wurde bereits massiv investiert. Neue Fenster, eine neue Kühlanlage für die in die Jahre gekommenen Kühlgeräte, eine PV-Anlage und zum Schluss der Austausch der alten Ölheizung gegen moderne Luft-Wasser-Pumpen tragen künftig zu geringeren Kosten bei. 

„Wenn man bedenkt, dass wir jährlich allein 20.000 bis 25.000 Liter Öl auf dem Knivsberg verbrennen, dann stecken wir das gesparte Geld künftig lieber in die Jugendarbeit“, so Jessen. Die grüne Umstellung sei ein positiver Nebeneffekt, in erster Linie gehe es aber darum, Verbräuche zu senken und so Geld einzusparen.  

Knivsberg
Auf dem Knivsberg gibt es bereits eine große PV-Anlage – neue Fenster und Wärmepumpen sollen folgen. Foto: BDN

Nicht alles wird genehmigt

Gerne hätte der BDN auf dem Knivsberg auch ein Windrad aufgestellt, aber das sei wegen der küstennahen Lage nicht genehmigt worden. Gleiches gelte etwa für eine PV-Anlage am Haus Quickborn. „Unter anderem die Reflektionen durch die Sonne erlauben dort keine Aufstellung“, so Jessen. 

Eine Analyse habe für das Haus Quickborn, wo noch mit Gas geheizt wird, gezeigt, dass dort PV und Luft-Wasser-Wärmepumpen sinnig sind, so Jessen. „Es gibt dort aber einige Herausforderungen, etwa den geplanten Fernwärme-Ausbau und die Lage in einer Küstenschutzzone.“ Daher habe man sich bisher auf den Fenster- und Leuchtmitteltausch beschränkt und warte ab. 

Wenn man bedenkt, dass wir jährlich allein 20.000 bis 25.000 Liter Öl auf dem Knivsberg verbrennen, dann stecken wir das gesparte Geld künftig lieber in die Jugendarbeit.

Uwe Jessen

Jeder Sanierung geht eine Analyse voraus

„Wir lassen uns immer beraten, wenn es um die energetische Sanierung geht und machen Analysen, was zuerst getan werden muss und was sich nicht lohnt“, so Jessen. „Wenn wir etwas machen, dann wollen wir es richtig machen“, ergänzt Søndergaard. Dabei habe der BDN als Dachverband gegenüber den anderen Institutionen und Vereinen kein Weisungsrecht, sieht sich aber als Berater für Bau- und Energieprojekte. „Die grüne Umstellung ist ja freiwillig, aber es kommen mehr und mehr Anfragen“, so der Hauptgeschäftsführer.

So wurden am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) in den Schulferien zunächst die Fenster ausgetauscht, um die Grundlage für die weitere Sanierung zu schaffen. Außerdem wurde eine Solaranlage mit 100 kW Leistung installiert, um den Stromverbrauch zu reduzieren. Im Gebäude sorgen LED-Leuchten für einen geringeren Verbrauch. Sie können durch eine Messanlage automatisch in ihrer Helligkeit angepasst werden. „Eine Wärmepumpe hat dort zu Beginn keinen Sinn gemacht“, sagt Jessen. „Daher haben wir nach Analysen zunächst die anderen Punkte abgearbeitet und mit den Fenstern begonnen.“

Deutschen Gymnasium für Nordschleswig
Neue LED-Technik und Solaranlagen auf dem Dach: Am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig tut sich einiges. Foto: BDN

Umfassende Sanierung im Haus Nordschleswig

So werden beispielsweise im Haus Nordschleswig in diesem Jahr zunächst die Fenster erneuert, im kommenden Jahr kommt das Dach an die Reihe. Wie berichtet, ist das Flachdach unter anderem im Bereich der Bücherei undicht. Bei Regenfällen werden dort Eimer aufgestellt. 

„Wir haben im gesamten Haus bereits die Beleuchtung ausgetauscht. Bisher hat jede Lampe 85 Watt verbraucht, mit neuer LED-Technik sind es nur noch 8 bis 10“, so Søndergaard.

Großprojekt Schwimmhalle Tingleff

In der Sporthalle in Tingleff, die mit dem dazugehörigen Schwimmbad ohnehin einen hohen Stromverbrauch hat, wurde ebenfalls auf der Dachfläche eine große PV-Anlage mit 140 kW installiert. Damit soll die Halle einen Großteil des Jahres autark sein. Um den Stromüberschuss für weniger ertragreiche Tage zu speichern, waren bereits Batteriespeicher im Gespräch. „Diese sind bislang aber zu teuer“, so Jessen. Zudem sei die Frage, ob Batterien, deren Herstellung umstritten ist, die richtige Lösung seien. 

Wir lassen uns immer beraten, wenn es um die energetische Sanierung geht und machen Analysen, was zuerst getan werden muss und was sich nicht lohnt.

Uwe Jessen

Finanzierung aus mehreren Töpfen

Finanziert werden die energetischen Sanierungen aus verschiedenen Töpfen. Da sind etwa Bundesmittel, externe Förderungen oder eigene Betriebsmittel, die in Energieprojekte investiert werden. In Sonderburg (Sønderborg) konnten durch eine Erbschaft die Rudervereine Norderharde und Germania auf grüne Energie umgestellt werden. 

Vorgaben von Land und Kommune gebe es keine, so Søndergaard. Einzig beim Bau neuer Gebäude, beispielsweise beim Kindergarten in Gravenstein (Gråsten), gelten dänische Richtlinien zum Bau. Das sorge manchmal für Mehrarbeit, da die Zuschüsse aus Berlin etwa an deutsches Recht gekoppelt seien, so Jessen.

Das Knivsbergfest soll einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Foto: Archivfoto: Karin Riggelsen

Grüne Umstellung nicht immer leicht

Dass die Umstellung auf umweltfreundliche Lösungen nicht immer einfach ist, skizziert Jessen an einem Beispiel. „In einem Gebäude wurden Wasserspartoiletten eingebaut, doch das vertrug sich nicht mit alten Rohrleitungen. So gab es Verstopfungen, und am Ende mussten die alten Toiletten wieder eingebaut werden.“

Weitere Projekte für mehr Nachhaltigkeit

Um richtige Lösungen geht es auch in anderen Bereichen beim BDN. 

  • Verbrauchsmaterialien: Analyse zum Verbrauch von Kopierpapier. Es wird hinterfragt, warum er in verschiedenen Abteilungen höher oder niedriger ausfällt. 
  • Knivsbergfest: Bambusteller und Besteck aus Holz wurde bereits eingeführt. Es wurde sich gegen Mehrwegbecher entschieden. Der Grund: Mehrwegbecher müssen gespült werden, wofür es wieder Personal benötigt, das zum Knivsbergfest fahren muss. „Da hat unsere Analyse ergeben, dass Einwegbecher für diesen einen Tag im Jahr sinnvoller sind“, sagt Uwe Jessen. 
  • Catering: Der BDN setzt bereits länger auf lokale Lieferantinnen und Lieferanten.
  • Fuhrpark: Die Dienstwagen des „Nordschleswigers“ fahren derzeit mit fossilen Treibstoffen. Sie sollen in Zukunft durch ein oder zwei E-Fahrzeuge ersetzt werden. Einen Austausch der fossilen Fahrzeuge der Bücherei überlegt man beim BDN ebenfalls. „Bisher war ein elektrischer Bücherbus zu teuer, aber das kann sich geändert haben“, so Hauptgeschäftsführer Søndergaard. Überlegt wird beim Lieferwagen. Dieser könnte künftig elektrisch angetrieben sein und dann vor Ort in Apenrade laden. 
  • Ladesäulen für E-Autos: Eine gesetzliche Neuerung ab dem 1. Januar 2025 schreibt vor, dass Einrichtungen mit mehr als 20 Parkplätzen eine Ladesäule haben müssen. Je weitere fünf Parkmöglichkeiten muss eine zusätzliche Ladesäule her. Laut Analyse des BDN betrifft dies das Haus Nordschleswig und einige Schulen. Insgesamt hätten zehn Institutionen den Wunsch dazu geäußert, neun davon bekommen eine Ladesäule.
Der nächste Bücherbus könnte elektrisch betrieben werden – wenn der Preis stimmt. Foto: Sara Eskildsen

Blick geht in den November

Wie viel im kommenden Jahr investiert werden kann, ist derzeit noch offen. „Hier müssen wir die Haushaltsverhandlungen der Bundesregierung abwarten“, so Jessen. Geld aus Berlin bekommt die deutsche Minderheit für den laufenden Betrieb, Investitionen und Sozialleistungen. 2024 lagen die investiven Mittel, aus denen der Bau der Kita in Gravenstein und die neuen Fenster für das Hauptgebäude auf dem Knivsberg finanziert wurden, bei 1 Million Euro (7,4 Mio. Kronen).

„Wir hoffen natürlich immer auf mehr Gelder“, sagt Jessen. Die weitere Sanierung im Haus Nordschleswig und der Masterplan für die Deutsche Schule Sonderburg sollen mit dem kommenden Budget angegangen werden. 

Stünde unbegrenzt Geld zur Verfügung, so wüsste Jessen auch, was damit geschehen könnte. „Die energetische Sanierung von Dächern und Fassaden würden wir angehen, aber auch schauen, wie man die Wassernutzung reduzieren könnte – etwa durch Sanierung von Toiletten und Duschen sowie der Anschaffung neuer Geschirrspüler.“

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Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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