Leitartikel

„‚Venner igen‘: Hat Facebook doch noch einmal gewonnen?“

‚Venner igen‘: Hat Facebook doch noch einmal gewonnen?

‚Venner igen‘: Hat Facebook doch noch einmal gewonnen?

Apenrade/Aabenraa
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In der vergangenen Woche machte die Schlagzeile die Runde, dass Facebook alle Nachrichteninhalte auf seiner Plattform für australische Nutzer blockiert. Die australische Regierung wollte das Unternehmen zur Zahlung von journalistischen Inhalten verpflichten. Jetzt kommt es doch ein wenig anders. Hat Facebook noch einmal gewonnen, fragt Nils Baum.

Am Mittwoch vergangener Woche ging ein Aufschrei durch die australischen Nutzer des als soziales Netzwerk getarnten Werbegiganten Facebook, die ihren Newsfeed nicht nur zum Lesen der neuesten Posts von Freunden und dem Ignorieren der zahlreichen Werbeeinblendungen nutzen, sondern auch zum Konsumieren von journalistischen Nachrichteninhalten.

Vor allem jungen Menschen wird nachgesagt, dass diese Art der Nachrichtenbeschaffung der einzig noch genutzte Weg sei, um zu erfahren, was sich im Lande tut.

Doch damit war in Australien plötzlich Schluss. Zwar konnten sich die Nutzer noch gegenseitig virtuelle Rosen zuschicken, und auch die neuesten Wellnesstipps von Gwyneth Paltrow waren weiterhin verfügbar, doch von Nachrichtenmeldungen australischer Medien keine Spur mehr. Stattdessen erschien bei dem Versuch, die Meldung einer Nachrichtenseite zu teilen, ein Pop-up-Fenster, das einen darüber informierte, dass Facebook aufgrund der australischen Gesetzgebung momentan das Teilen von Nachrichtenlinks begrenzen würde.

Hintergrund war ein geplantes Gesetz, mit dem die australische Regierung Facebook zwingen will, für das Zeigen von lokalen Medieninhalten bezahlen zu müssen.

Hatte da eines der nach Marktkapitalisierung größten börsennotierten Unternehmen der Welt wieder einmal zugeschlagen und einfach Beiträge blockiert, so wie es vor Kurzem auch einfach das Konto von US-Präsident a. D. Donald Trump dauerhaft geschlossen hatte? Und jetzt den nächsten Schritt vollzogen und ohne Rücksicht auf seine besondere Marktmacht gleich in ganzen Ländern bestimmte Inhalte blockiert, indem es statt einzelner Nutzer(-beiträge) schlichtweg sämtliche unabhängigen Nachrichtenmedien eines Landes verbannt hat?

Facebook verteidigte sich damit, dass der Gesetzesvorschlag der australischen Regierung das Verhältnis zwischen den lokalen Medienunternehmen und Facebook grundlegend missverstanden hätte, schließlich würden die traditionellen Medienunternehmen gerade daran verdienen, dass sie ihre Inhalte über den Newsfeed von Facebook für ein breites Publikum sichtbar machen könnten.

Währenddessen argumentieren die Medienunternehmen, dass ihnen durch das Verbreiten von Nachrichten über die sozialen Medien vor allem Werbeeinnahmen wegbrechen würden, weil es keinesfalls so sei, dass die Nutzer von Facebook auf die eigenständige Internetseite des Nachrichtenmediums wechseln würden. Darum sei es nur fair, dass Facebook für ihren Inhalt bezahlen würde.

Facebook hingegen fürchtet, dass es künftig für das Teilen von Links und das Zeigen von Artikelüberschriften und kurzen Anrissen bezahlen soll. Das würde dann richtig teuer werden. Dahinter steht auch die Frage, welches Verständnis man der Dynamik des Internets zuschreibt. Ist es gerade die Tatsache, dass der Inhalt lokaler Nachrichtenmedien auf Facebook auftaucht, der erst dafür sorgt, dass die Seiten der Nachrichtenmedien von den Nutzern angeklickt werden? Und diese somit einen Rückgang erleben würden, wenn Facebook künftig keine Nachrichteninhalte mehr anzeigen würde?

Auch hierzulande möchte die Politik den Medienunternehmen künftig einen finanziellen Beitrag von Facebook sichern, wenn der amerikanische Werbegigant journalistische Inhalte auf seiner Plattform publiziert. Nach Auffassung von Kulturministerin Joy Mogensen (Soz.) sei die Gesellschaft zu naiv gewesen, wenn man Facebook ein Verständnis für die Bedeutung von Nachrichtenmedien unterstellt hätte.

Vor diesem Hintergrund will sie nun mit einem Gesetz gegensteuern. Das, was bisher über den Entwurf bekannt ist, soll dänischen Medienunternehmen die Möglichkeit geben, im Verbund in Verhandlungen mit den Technikgiganten zu treten. Eine edle Absicht, aber schaut man sich die Marktmacht der beiden großen dänischen Nachrichtenmedien „J/P Politikens Hus“ und „Berlingske Media“ an, stehen 343 Millionen Kronen Gewinn im vergangenen Jahr 180 Milliarden Kronen bei Facebook gegenüber.

Deshalb ist der Vorschlag einer Urheberrechtskomiteekommission, die in Streitfällen aktiv werden soll, vielversprechend. Denn im Zweifelsfall helfen nur eine klare rechtliche Regelung und die konkrete Möglichkeit ihrer sanktionierten Durchsetzung bei der künftigen Sicherung der für eine demokratische Gesellschaft unerlässlichen unabhängigen Nachrichtenmedien.

Doch am Dienstag dieser Woche kam dann die Nachricht, dass Facebook künftig wieder die Inhalte lokaler Nachrichtenmedien in seinem News-Feed auch für seine Nutzer in Australien anzeigen würde. Die australische Regierung hatte in der Zwischenzeit nämlich ihren Gesetzesentwurf dahingehend geändert, dass Plattformen wie Facebook zunächst keine Abgaben an die Medien abführen müssen, wie zunächst vom Gesetz vorgesehen.

Stattdessen soll Facebook nun innerhalb der kommenden zwei Monate Vereinbarungen mit den verschiedenen lokalen Medienunternehmen in Australien eingehen. Erst wenn es dabei zu keiner Einigung kommt, soll die finanzielle Kompensation vonseiten Facebooks verpflichtend in Kraft treten.

Hat Facebook also doch noch einmal gewonnen? Für den Augenblick scheint es so. Denn nun kann das Unternehmen in den Verhandlungen mit den Nachrichtenmedien selber die Bedingungen mitgestalten.

Damit werden den Nutzern von Facebook aller Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft noch Nachrichten lokaler Medien angezeigt werden. Unabhängig von der Frage, ob dies nun gut oder schlecht für die einzelnen Nachrichtenunternehmen ist, bleibt die andere Herausforderung: die der demokratischen Kontrolle, basierend auf von den Netzwerken selbst festgelegten Regeln, wann ein Beitrag gelöscht wird und wann nicht.

Deshalb ist es aller gesetzlichen Regelungen zum Trotz unerlässlich, dass wir vor allem eine Wertedebatte führen und uns dabei an eine der Stärken der dänischen Gesellschaft erinnern: den Zusammenhalt über breite Bevölkerungsschichten hinweg, den Willen zur Einigung statt zur Polarisierung. Auf diesem Feld haben wir zwar inzwischen auch Nachholbedarf, aber noch sind diese Grundwerte in unserer Gesellschaft verankert.

Und aus diesem Grunde ist es an der Zeit, dass wir uns noch viel mehr über den Wert der unabhängigen und sorgfältig durchgeführten Recherche und Berichterstattung durch eine Vielzahl an lokalen Nachrichtenanbietern und Medienunternehmen bewusst werden. Wenn eine gesetzliche Regelung dazu einen Anstoß geben kann, soll sie willkommen sein, doch wäre es zu kurz gedacht, sie bereits als ein Allheilmittel auch für die künftige Sicherstellung einer pluralistischen Medienlandschaft und differenzierten Debatte zu postulieren.

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