Filmkritik

„Ganz einfühlsam und still der Trauer genähert“

Ganz einfühlsam und still der Trauer genähert

Ganz einfühlsam und still der Trauer genähert

Tondern/Tønder
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Kirsten Lützen (l.) und ihre Tochter Lotte (2. v. r.) stellten ihren Laden Christian X. als Drehort zur Verfügung. Die beiden Geschäftsfrauen bei der Vorpremiere mit der Hauptdarstellerin Jette Søndergaard und Regisseur Frelle Petersen Foto: Jane Rahbek Ohlsen

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Es ist eine berührende Geschichte, die alle – egal ob in Tondern, in Nordschleswig, in Dänemark oder auf der ganzen Welt – zu irgendeinem Zeitpunkt begegnet, die Regisseur Frelle Petersen in seinem neuesten Film „Resten af livet“ zeichnet. Sogar die wechselnden Jahreszeiten an der Westküste haben die Kameras eingefangen.

111 Minuten nehmen Regisseur Frelle Petersen und sein Team die Kinogäste im Film „Resten af livet“ mit an die Westküste, der am Donnerstag, 7. Juli, in 100 Kinos in Dänemark kommt. Ganz einfühlsam, still und authentisch nähert man sich dem Thema Trauer um einen geliebten Menschen, also eine Situation, die weltweit berührt und jeden trifft.

Die Trauerbewältigung scheint zunächst als ein zu ernstes Thema für einen Kinofilm. Doch Frelle Petersen und seine Crew nähern sich behutsam und einfühlsam dem Tod eines geliebten Menschen – dargestellt von einem Elternpaar und dessen Tochter, als der Sohn beziehungsweise der Bruder stirbt. Wie er ums Leben kommt, bleibt offen, genauso wie das Ende des Films.

 

Vater und Tochter feiern den Familientraditionen getreu den Geburtstag des verstorbenen Sohnes und Bruders auf dem Friedhof. Foto: Filmplakat

Im Kinofilm erlebt man die unterschiedlichen individuellen Weisen, mit diesem Verlust. Jeder für sich auf seine Art, aber nicht als Familie. Ich dachte bei der Vorpremiere an die eigene Situation, als Großeltern, eine Kusine und später dann auch meine Eltern als nächste Angehörige von dieser Welt gingen. Ich reflektierte: Wie bin ich mit meiner eigenen Trauer umgegangen? Plötzlich erlebt man sich im Film wieder oder andere Familienmitglieder und kann die Charaktere des Films in diesen Personen wiedererkennen. Der Film geht stark unter die Haut. Kein Wunder, dass er nur für kleinere Kinder als ungeeignet eingestuft wird und erst  ab 11 Jahren zugelassen ist.

Gemeinsame Trauer am Grab. Ohne die Mutter wird die Grabstätte angelegt. Foto: Bildschirmfoto

Das Besondere an dieser Geschichte ist aber, dass die Darstellerinnen und Darsteller durch die Bank sønderjysk reden, mal mit Westküstenakzent, mal nach Sonderburger oder Haderslebener Art. Für die, die diese Mundart nicht verstehen, sind die Untertitel außerordentlich hilfreich. Für Frelle Petersen war die Beherrschung des Sønderjysk ein Muss, um vor der Kamera stehen zu dürfen. Schließlich geht es ihm bei seiner Nordschleswig-Trilogie um die echte Ware – seine eigene Heimat Nordschleswig. Das hat er schon beim ersten und sehr erfolgreichen Film „Onkel“ unter Beweis gestellt.

Die Tragödie spielt in Tondern. Drehorte sind unter anderem ein einfaches Einfamilienhaus sowie ein Kaffee- und Teegeschäft in der Fußgängerzone, wo die echte Besitzerin Kirsten Lützen als Kundin auf der anderen Seite des Tresens auftaucht.

Neben den vier Schauspielprofis Jette Søndergaard, Mette Munk Plum, Ole Sørensen und Lasse Lorenzen stehen viele Laien im Aufgebot, einige schon bekannt vom ersten Teil der Trilogie „Onkel“. Bei der Galapremiere in Tondern am 24. Juni zeigten sich die Leute vom Fach ohne Starallüren und die Statisten als eine große Familie. Und auch das macht das Gesamtwerk so sympathisch.

Bei den Laiendarstellern fällt die Leistung von Eskil Tonnesen aus Tondern in der Rolle als Ehemann der Tochter Chris besonders ins Auge. Der Musiker und Filmmensch hat hinter den vier Hauptpersonen eine der tragenden Rolle übernommen und füllt diese äußerst bemerkenswert aus. Erfrischend ist auch das Mitwirken von mehreren jungen Menschen mit ihrer freundlichen und ehrlichen Art, die in der Behindertenwerkstatt Vidåværkstedet arbeiten.

Ehrlicher Film

Apropos ehrlich: Ehrlichkeit und Einfühlsamkeit kann man „Resten af Livet“ bescheinigen. Das Einzige, was vielleicht stören könnte, sind die „grau-trüben, melancholischen“ Stimmungsbilder des Films, was vermutlich dem Thema geschuldet ist. Ähnlichkeiten zu „Onkel“ gibt es da. Auf dem Friedhof ist dieses Licht aufgrund des Filmthemas angebracht.

Aber warum sind die Vorhänge im Haus der Familie und oder der Tochter und ihrem Mann ganz beziehungsweise teils zugezogen. Dafür hat Frelle Petersen bestimmt eine Erklärung. Unmittelbar sehe ich diese aber nicht. Schließlich wird der Film als lebensbejahendes Drama aus Nordschleswig angekündigt. Interessant ist wiederum, dass der Film die Westküste im Wechsel der Jahreszeiten zeigt. Die Filmemacher drehten nicht alles in einem Rutsch, sondern kehrten nach den ersten Aufnahmen vom Vorjahr 2021 zurück, um die letzten Aufnahmen in den Kasten zu bekommen.

 

Auch Nutzer der Behindertenwerkstatt Vidåværkstedet (auf dem Foto Andreas Schwartz, Søren Clausen und Peter Ellekjær) wirken im Film mit – hier mit ihren Eltern bei der Vorpremiere. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Als Steuerzahler in der Kommune finde ich es gut investiertes Geld, dass die Filmproduktion aus kommunaler Kasse mit 500.000 Kronen gefördert wurde. Gemessen an den 21 Millionen Kronen, die die Kommune Sonderburg (Sønderborg) für die Tour de France investiert hat, ist die halbe Million Kronen eher ein Griff in die Portokasse. Resten af Livet ist zwar keine Weltbegebenheit wie das größte Radrennen der Welt, aber für unsere eher bescheidenen Verhältnisse eine gute Investition.

 

Was kommt als Nächstes?

Es wird spannend, was sich Frelle Petersen für den dritten und letzten Teil seiner Trilogie aus Nordschleswig einfallen lässt, die in ihren ersten beiden Beiträgen die ganz normalen, menschlichen Eigenarten in einer bestimmten Lebens- und Familiensituation in einem unhektischen Nordschleswig vorkommen.

Seinen Film hätte er auf der ganzen Welt in ruhigeren Gegenden als in den schicken Millionenmetropolen drehen können. Frelle Petersen ging es aber um seinen Landesteil.

Nicht so international wie die Tour de France, aber eben auf ihre ganz persönliche, sympathische Art und Weise. Die Radsportler sprinteten in wenigen Minuten durch die nordschleswigschen Städte und an den Menschen vorbei. Der Film aber geht ins Herz und beschäftigt einen nicht nur eine Stunde und 51 Minuten, sondern auch, wenn der Vorhang schon gefallen ist.

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