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Wald-Management: Deshalb fällen wir alte Buchen

Wald-Management: Deshalb fällen wir alte Buchen

Wald-Management: Deshalb fällen wir alte Buchen

Norburg/Nordborg
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Im Nørreskov sind in den vergangenen Wochen viele große Bäume gefällt worden. Foto: Sara Eskildsen

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In zwei großen Waldgebieten der Kommune Sonderburg hat die Naturbehörde viele alte Laubbäume fällen lassen. Warum das sein muss, und wie die Behörde dabei vorgeht, erläutert Försterin Inge Gillesberg.

Wie überdimensionale Mikado-Stäbe liegen sie am Waldboden: Dutzende alte Buchen sind hier im Nørreskov auf der Insel Alsen kürzlich gefällt worden.

Die Schnitte der Motorsägen riechen noch nach frischer Sägespäne. Dicke Baumstämme warten nun darauf, abtransportiert und verarbeitet zu werden – ein Sägewerk auf Fünen wird die knapp 100 Jahre alten Buchen zu Holzmaterial verarbeiten. Heute ein Baum – morgen eine Schrankwand.

Der Nørreskov ist ein Staatswald

Försterin Inge Gillesberg ist an diesem Montagvormittag in den Nørreskov gekommen, um die Arbeit der Naturbehörde zu erklären. Der Wald ist ein Staatswald, und so ist die dänische Behörde für das Waldmanagement zuständig. Wo wächst was und welche Gebiete müssen ausgedünnt werden, um optimales Wachstum für bestimmte Baumarten zu schaffen? – Inge Gillesberg und ihr Team verwalten den Wald.

Inge Gillesberg mit einer Karte der Behörde, in der alle Baumbestände aufgelistet sind. Foto: Sara Eskildsen

Doch warum braucht ein Wald überhaupt den Eingriff von außen – und in welchem Maße? Ohne Waldmanagement geht es nicht, sagt die Leiterin der Naturbehörde Nordschleswig.

„Zunächst einmal ist es eine Wahl, die getroffen werden muss. Was will man mit dem Wald? Der Nørreskov ist ein staatlicher Wald, in dem Holz produziert wird und den wir entsprechend verwalten“, sagt Inge Gillesberg.

Anhand einer mitgebrachten Karte erläutert sie, wie die Behörde den Überblick behält. Der Nørreskov ist darauf in viele kleine Abschnitte eingeteilt. Die verschiedenen Farben zeigen, was vor Ort wächst. Grün wie die Buche und rosa für Eichen. Eine Jahreszahl verrät, von wann der Baumbestand stammt.

„Dann würde es hier bald sehr dunkel sein“

„Anhand dieser Übersicht können wir den Wald managen. Wir planen, wann ein Bestand ausgedünnt werden muss, und wo wir Bäume fällen. Unsere Förster fahren raus in die einzelnen Abschnitte, und sehen sich die Bäume genau an. Hier zum Beispiel“, sagt Inge Gillesberg und zeigt auf den Buchenwald, der auf der Karte die Nummer 15 trägt, „haben wir den Bestand ausgedünnt, sodass die verbleibenden Buchen genug Platz haben. Würde man die Buchen einfach wachsen lassen, dann würde es hier bald sehr dunkel sein. Buchen werfen starke Schatten, ihre Blätter legen sich wie ein Umhang über das Waldstück.“

Der Nørreskov ist ein staatlicher Wald, in dem Holz produziert wird. Foto: Sara Eskildsen
Die Schnittstelle der Motorsäge ist noch frisch. Foto: Sara Eskildsen

Dass regelmäßig Bäume gefällt werden, hat also verschiedenen Gründe. Zum einen, um ein kontrolliertes Wachstum zu sichern und allen Baumarten Platz und Lebensbedingungen zu sichern. Zum anderen, um eine bestimmte Menge Holz zu produzieren. „Die Naturbehörde verdient mit dem Verkauf von Holz viele Millionen. Würde man die Holzproduktion im Nørreskov beenden, hätte die Behörde durch den wegfallenden Verdienst weniger Geld zur Verfügung, und müsste kompensiert werden. Das ist ein Rechenstück, das man durchführen muss, bevor man entscheidet.“

Einfach wachsen lassen und die Holzproduktion beenden – das Szenario könnte in Zukunft jedoch durchaus auch für den Nørreskov gelten.

Vorschlag: 30.000 Hektar Wald verwildern lassen

Die dänische Regierung hat im Oktober 2021 den Vorschlag gemacht, 385 Areale im Land in neue, unberührte  „Ur-Wälder“ umzuwandeln. Insgesamt 30.000 Hektar könnten so zu wilden Wäldern werden. Auf der Liste mit Vorschlägen stehen unter anderem 624 Hektar im Nørreskov, 392 Hektar im Sønderskov und das Waldgebiet Rodes Skov bei Gravenstein (Gråsten).

Aber auch hier wären gezielte Eingriffe der Naturbehörde nötig, um den Wald sich selbst zu überlassen.

„Man würde Gräben schließen, sodass es zu Wasseransammlungen kommt. Auch würde man bislang gesunde Bäume so bearbeiten, dass sie vorzeitig absterben, um so den gewünschten Lebensraum für Käfer und Pilze zu schaffen. Man ritzt dafür beispielsweise den Stamm eines Baumes auf – oder man brennt die Rinde ab, dass der Baum geschwächt wird und vorzeitig stirbt“, erläutert Inge Gillesberg.

Insgesamt ist der Nørreskov 740 Hektar groß. Ein Teil des Waldes ist bereits unberührt.

Zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern hat die Naturbehörde im ganzen Landesteil sogenannte Lebensbäume ausgeschildert. Diese Bäume werden nicht gefällt. Foto: Sara Eskildsen

Eichen hätten es im „Ur-Wald“ nicht leicht. „Die Buchen würden das Wachstum im Wald vermutlich ganz schön dominieren“, sagt Inge Gillesberg.

Wann die Holzproduktion im Nørreskov tatsächlich eingestellt wird, ist noch nicht beschlossen. „Dann gäbe es eine Übergangszeit, um den Wald auf den neuen Abschnitt vorzubereiten. Die Sägewerke müssen sich ja auch nach neuen Holzquellen umschauen. Und die Regierung muss herausfinden, wie das dann fehlende Geld aus dem Holzverkauf kompensiert werden kann. Das muss also gründlich vorbereitet sein“, so die Leiterin der Naturbehörde in Nordschleswig.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Inge Gillesberg ist seit 1997 Teil der Naturbehörde in Nordschleswig. Sie kam aus der Personalabteilung der Naturbehörde in Kopenhagen nach Süddänemark, zuvor arbeitete sie unter anderem im „Waldpolitischen Büro“ und als Bevollmächtigte der Naturbehörde in Mitteljütland.

„Und dann kann man wohl sagen, hatte ich das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein“, sagt Gillesberg über ihren Umzug nach Nordschleswig, wo die Naturbehörde ihren Sitz in Gravenstein hat.

Damals hieß ihr Einsatzgebiet noch „Gravensteiner Staatswalddistrikt“. 2004 fusionierte der Distrikt mit Apenrade (Aabenraa) und seit 2009 gibt es die „Naturbehörde Nordschleswig“, inklusive einem Teil der Haderslebener Kommune. Die Abteilung verwaltet 10.500 Hektar Wald und Natur.

Inge Gillesberg zeigt eine kleine Buche, die im Waldboden wächst. Foto: Sara Eskildsen
Das Fällen von großen Laubbäumen ist Teil eines sorgsam ausgearbeiteten Plans. Foto: Sara Eskildsen

Zurzeit sind zwölf Angestellte und acht Waldarbeiter der Naturbehörde Nordschleswig angeschlossen.

„Mir macht die Arbeit großen Spaß. Weil es so abwechslungsreich ist. Kein Tag gleicht dem anderen und die Breite der Arbeit ist enorm. Wir planen das Baumfällen, schaffen neue Möglichkeiten für Menschen, die Natur zu genießen, wir renaturieren Seebereiche oder pflanzen neue Wälder – es ist eine große Mischung voll verschiedener Projekte, die etwas mit Natur zu tun haben“, sagt Gillesberg.

Das Baumfällen im Nørreskov ist vorerst abgeschlossen. Die verbliebenen Buchen in Abschnitt 15 haben jetzt wieder Platz und Licht, um gerade in die Höhe zu wachsen. Ob auch sie eines Tages gefällt und verarbeitet werden, hängt von der Politik – und vom Status des Waldes ab.

Hier informiert die Naturbehörde über die Fällung der Bäume: www.naturstyrelsen.dk.

 

Eine Karte, mit der die Naturbehörde den Nørreskov verwaltet Foto: Sara Eskildsen
Am Rande des Nørreskovs liegt die Naturschule der Naturbehörde. Foto: Sara Eskildsen
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