Fachunterricht-Projekt

Verliebtheit und Volkszorn: Anne versteht beide Seiten

Verliebtheit und Volkszorn: Anne versteht beide Seiten

Verliebtheit und Volkszorn: Anne versteht beide Seiten

Sonderburg/Sønderborg
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Die Achtklässlerin Anne Scavenius Andersen nahm für die DSS am Finale der DM in Geschichte teil. Foto: Sara Eskildsen

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An der Deutschen Schule Sonderburg haben Jugendliche in den Fächern Deutsch und Geschichte an den Dänischen Meisterschaften teilgenommen. Am Rande war die Frage erlaubt: Was bringt euch der Fachunterricht eigentlich?

Dänische Mädchen, die sich während der Besatzungszeit in einen deutschen Soldaten verliebt haben und dadurch Schimpf und Schande ernteten – die Dänischen Meisterschaften (DM) im Geschichtsunterricht forderten die Jugendlichen auf, Stellung zu beziehen und einen Standpunkt einzunehmen.

Fünf Jugendliche der DSS im DM-Finale

Am Dienstag nahmen fünf Jugendliche der Deutschen Schule Sonderburg an der DM im Fachunterricht teil – online aus dem Klassenzimmer und verbunden mit Schülerinnen und Schülern im ganzen Land.

In den Fächern Deutsch und Geschichte stellten die Jugendlichen ihr Können unter Beweis. Mit dabei waren Anne Scavenius Andersen in Geschichte sowie Hector Svensson, Karoline Køhler, Philip Eising Schmidt und Theo Bick in Deutsch.

Die fünf Finalistinnen und Finalisten der DSS nahmen per Laptop an der DM teil. Foto: Sara Eskildsen

Karoline Køhler kommt aus einem dänischen Elternhaus, hat aber immer eine deutsche Schule besucht. Zunächst die Förde-Schule in Gravenstein (Gråsten), jetzt die achte Klasse an der DSS.

Was bringt ihr der Deutschunterricht? „Ich erlebe oft, dass ich einen Vorteil habe. Wenn ich beispielsweise mit Freunden von dänischen Schulen oder Familie in Flensburg bin. Dann kann ich mich fließend unterhalten – das ist doch ein großer Vorteil, auch für später im Leben“, sagt die 14-Jährige, die in Gravenstein lebt. „Ich bin dann immer die, die übersetzt“, lacht Karoline.

„Da ist es einfach klug, mehrere Sprachen zu können"

Warum ihre Eltern eine deutsche Schule für die ausgesucht haben, leuchtet der 14-Jährigen ein. „Wir wohnen so nah an der Grenze dran, da ist es einfach klug, mehrere Sprachen zu können. Und es war eine sehr gute Schule, so wurde es eine deutsche Schule.“

Sie musste am Dienstag bei der Fach-DM so tun, als würde sie als Mitarbeitende den Besuchenden im wissenschaftlichen Erlebnispark Universe die Attraktionen beschreiben und mit ihnen kommunizieren.

Karoline und Anne gaben in Deutsch und Geschichte ihr Bestes. Foto: Sara Eskildsen

Ich war, ich bin, ich bin gewesen – die deutsche Sprache sei nicht immer einfach, sagt Karoline. „Gerade was die Grammatik angeht, zum Beispiel die Personalpronomen. Aber auch die Aussprache ist nicht immer einfach – S und Z fallen manchmal schwer. Aber es hilft auf jeden Fall, dass wir hier jeden Tag Deutsch reden. Ich finde das super, dass ich hier so gut Deutsch lerne.“

Dass sie sich für die Dänische Meisterschaft in Deutsch qualifiziert hat, habe sie ein wenig überrascht. „Aber es nehmen ja viele dänische Schulen teil, und wir sind vermutlich besser in der deutschen Sprache.“

Die fünf Jugendlichen hatten sich in vorhergehenden Aufgaben für die Teilnahme am Finale qualifiziert.

Karoline Køhler nahm im Fach Deutsch an der DM teil. Foto: Sara Eskildsen

Die Frauen wurden bespuckt und beschimpft. Und dabei waren sie einfach nur verliebt.

Anne Scavenius Andersen, Schülerin der DSS

Im Fach Geschichte ging es für Anne Scavenius Andersen um ein sensibles Thema der deutsch-dänischen Geschichte: die Besatzungszeit. Die Jugendlichen sollten sich in die Lage einer „Tysker pige“ hineinversetzen, aber auch in die der dänischen Bevölkerung. Geschichtsunterricht zwischen Verliebtheit und Volkszorn.

Was hat eine dänische Frau erlebt, die während der Besatzungszeit eine Beziehung zu einem deutschen Soldaten einging? Und was hat Menschen dazu gebracht, diese „Tysker piger“ auf offener Straße anzugreifen?

„Wir sollten uns in beide Seiten hineinversetzen“

Anne Scavenius Andersen sollte beide Seiten der Medaille kennenlernen – und entsprechende Tagebucheinträge in Ich-Form verfassen. „Wir sollten uns in beide Seiten hineinversetzen und schildern, was wir erleben“, erzählt sie. „Wir sollten auch darüber nachdenken, wie die Lage der Mädchen im Laufe der Besatzungszeit war und wie während und nach der Befreiung.“

„Die Frauen wurden bespuckt und beschimpft. Und dabei waren sie einfach nur verliebt“, stellt die Schülerin nüchtern fest. Kann sie eine Seite besser verstehen als die andere?

„Ich bin da etwas geteilt. Ich kann gut verstehen, wie es aus Sicht des Volkes aussah, die Nazis waren ja die Bösen. Aber ich kann verstehen, wenn sich ein dänisches Mädchen wirklich in einen deutschen Soldaten verliebt hat.“

Anne Scavenius Andersen hat im Fach Geschichte einiges hinzugelernt – auch an Verständnis. Foto: Sara Eskildsen

Sind die Menschen heutzutage besser darin geworden, Verschiedenheiten zu akzeptieren? „Ich glaube, wir haben dazugelernt. Es wird wohl immer einige geben, die sich damit schwertun, aber ich denke, Leute sind offener geworden.“

Die Geschichte der „deutschen Mädchen“ war für Anne keine Unbekannte. „Mein Vater und mein Bruder haben ein Interesse für die Kriegszeit, und wir haben Filme über das Thema gesehen.“

Dass sie im deutsch-dänischen Grenzland lebt, empfindet sie durch die besondere Geschichte von damals als spannend. „Es gibt hier so viel Geschichte, auch das mit der Grenzziehung 2020!“, so die Jugendliche, die als Zweitklässlerin an die Deutsche Schule Sonderburg kam und in Düppel (Dybbøl) lebt.

„Ich finde es sehr unterhaltsam, dass ich Deutsch sprechen kann“

„Mein großer Bruder hatte die Schule besucht – und die Schule hatte einen richtig guten Ruf. Daher haben sie auch mich hierher geschickt. Ich finde es sehr unterhaltsam, dass ich Deutsch sprechen kann, wenn wir zum Beispiel in Flensburg oder Hamburg sind.“

„Die Jugendlichen können schon jetzt stolz auf sich sein“

Erstmals in diesem Jahr stand das Fach Deutsch auf dem Programm der DM. „Die Jugendlichen können schon jetzt stolz auf sich sein“ , findet Fachlehrerin Inke Hansen. „Sie sind unter den besten 50 Schülerinnen und Schülern des Landes, das ist schon toll.“

Der Wettbewerb gebe den Jugendlichen eine andere Motivation, sich in die Themen und Aufgaben einzuarbeiten, sagt Inke Hansen. Bei der Fach-DM treten junge Menschen aus den Jahrgängen 7, 8 und 9 gegeneinander an.

Die Schülerinnen und Schüler der DSS haben im Rahmen der DM jede Menge gelernt. Am Freitag werden die landesweiten Gewinner bekannt gegeben. Verständnis für das Grenzland haben die fünf Jugendlichen auf jeden Fall schon jetzt.

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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