Lokalpolitik

Ghetto-Plan sorgt für Streit im Stadtrat

Ghetto-Plan sorgt für Streit im Stadtrat

Ghetto-Plan sorgt für Streit im Stadtrat

Hagenberg/Havnbjerg
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Während der Stadtratssitzung am Mittwochabend im HR-Haus in Hagenberg Foto: Sara Wasmund

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Punkt fünf auf der Stadtratssitzung sorgte für eine heftige Diskussion unter den Sonderburger Stadtratsmitgliedern. Es ging um die Frage, warum Venstre und Dänische Volkspartei die Einrichtung von 18 Jugendwohnungen als Teil des Ghetto-Plans nicht mehr mittragen wollten.

„Warum erst jetzt?“ Stadtratspolitikerin und Sozialdemokratin Didde Lauritzen stellte die Frage immer wieder. Es ging um eine politische Kursänderung von Venstre und Dänischer Volkspartei. Zur Diskussion stand der Entwicklungsplan für zwei als Ghetto klassifizierte Stadtteile in Sonderburg.

Auf der Stadtratssitzung am Mittwochabend im HR-Haus in Hagenberg sollte über die Pläne abgestimmt werden. Und die zwei Parteien wollten den Entwurf nicht länger unterstützen.

Zustimmung im November, Ablehnung im Februar

Zwar hatten Mitglieder von Stadtrat und Ökonomieausschuss gemeinsam mit Verwaltung und Wohngenossenschaft einen Entwicklungsplan erarbeitet und verabschiedet. Doch kurz vor der finalen Abstimmung teilten Venstre und DF mit, den Antrag nicht länger unterstützen zu wollen.

Der zur Abstimmung vorliegende Antrag war auf der Sitzung des Ökonomieausschusses am 18. November von allen Politikern des Ausschusses einstimmig verabschiedet worden – auch mit den Stimmen von Venstre und DF.

Doch nun die Kehrtwende von DF und Venstre.

Diesen Entwicklungsplan hat die Verwaltung erarbeitet. Er zeigt die Wohngebiete Nørager (Mitte oben) und Søstjernevej (links im Bild). Foto: Kommune Sonderburg

Konkret ging es um das Vorhaben, im Zuge der Umgestaltung der Wohnviertel 18 Wohnungen am Søstjernevej und Søgræsvej als Jugendwohnungen („ungdomsboliger“) auszuweisen. Diesen Teil des Entwicklungsplans wollten die beiden Parteien nicht länger akzeptieren.

Vorschlag: Abriss von weiteren 27 Wohnungen

Venstre und DF legten auf der Stadtratssitzung daher einen Änderungsvorschlag vor. Statt der Jugendwohnungen favorisieren die Parteien den Abriss eines weiteren Wohnblocks mit 27 Wohnungen.

„Es geht einfach nur um einen kleinen Änderungsvorschlag, das sollte eigentlich kein Problem sein“, so Stadtratspolitiker Peter Hansen (V). „Wir haben zu diesem Punkt laufend unsere Bedenken mitgeteilt, diese wurden aber von oben herab weggedrückt.“

Aber schon damals haben wir unsere Sorge zum Ausdruck gebracht, ob es die richtige Lösung sein kann, Jugendwohnungen auszuweisen. Wir haben diese Angelegenheit seit November reflektiert und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass dies nicht die richtige Lösung sein kann.

Stefan Lydal, Stadtratspolitiker

DF-Politiker Stefan Lydal erläuterte die Kehrtwende mit wiederkehrenden Zweifeln in Sachen Ausweisung von Jugendwohnungen. „DF und Venstre haben im Ökonomie-Ausschuss zuerst dafür gestimmt, ja. Aber schon damals haben wir unsere Sorge zum Ausdruck gebracht, ob es die richtige Lösung sein kann, Jugendwohnungen auszuweisen. Wir haben diese Angelegenheit seit November reflektiert, und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass dies nicht die richtige Lösung sein kann.“

Keine positive Entwicklung

Venstre und DF sehen in der „Umetikettierung“ von 18 Wohnungen eine technische Lösung, die praktisch keine positive Veränderung mit sich bringt. Die Kommune würde diese Jugendwohnungen in der Regel vor allem jungen Menschen vermitteln, die selbst sozial schwach sind. „Schwache junge Menschen in die sozial schwachen Viertel schicken? Das ist kein Prozess, der eine positive Entwicklung in Gang setzt“, so Lydal.

Ein Wohnblock am Søstjernevej Foto: Sara Wasmund

Die Sozialdemokraten sehen das anders. „Wir haben einen gemeinsamen Plan erarbeitet und wollen Diversität in den Wohngegenden schaffen. Aber junge Menschen wollen wir dort nicht haben?“, fragte Didde Lauritzen nach.

„Das kann ich einfach nicht verstehen. Es handelt sich dabei weniger um Studierende. Jugendwohnungen sind für junge Leute, die ein Sabbatjahr machen wollen, das kann ein junger Schreiner-Lehrling sein oder andere Auszubildende, die nahe der Stadt wohnen wollen“, so die Stadtratspolitikerin.

„Das hat doch eine Vorbildfunktion für andere Anwohner, wenn da junge Menschen sind, die eine Ausbildung machen und zur Arbeit gehen. Wer sagt denn, dass in den Jugendwohnungen sozial schwache Menschen untergebracht werden? Da kann man doch mit der Kommune darüber reden!“

Wenn man die Wahl hat, Anwohner eines weiteren Wohnblocks aus ihren Wohnungen zu schmeißen oder junge Menschen in dem Wohngebiet willkommen zu heißen, dann wählen wir Letzteres.

Stephan Kleinschmidt, Stadtratspolitiker

Für die Schleswigsche Partei ergriff Vize-Bürgermeister Stephan Kleinschmidt das Wort. „Der Plan für die Ghetto-Gebiete liegt bereit. Seit Längerem. Das Neue ist, dass der Plan den Stadtrat spaltet. Ein einiger Ökonomie-Ausschuss hatte den Plan bereits gutgeheißen. Das war einmal. Venstre und DF haben sich nun für einen politischen Schwertkampf über die Umbenennung einer kleinen Anzahl Einzimmerwohnungen zu Jugendwohnungen gerüstet“, so Kleinschmidt.

Im Gegensatz zu Venstre und DF sei die SP der Meinung, dass die Wohngegend sowohl für Familien als auch für Junge und Alte da sei. „Und natürlich sollen die verschiedenen Wohntypen das Miteinander der Generationen unterstützen. Auch hier haben wir den Mut zu handeln. Und wenn man die Wahl hat, Anwohner eines weiteren Wohnblocks aus ihren Wohnungen zu schmeißen oder junge Menschen in dem Wohngebiet willkommen zu heißen, dann wählen wir Letzteres.“

„Ich finde das richtig katastrophal!“

Aase Nyegaard (Fæll.) schloss von Anfang an aus, für den Änderungsvorschlag von DF und Venstre zu stimmen. Es müssten schon genug Bürger ihre Wohnungen verlassen und umgesiedelt werden. „Menschen, die zum Teil seit 30 oder 40 Jahren vor Ort leben. Ich finde das richtig katastrophal!“ Der Abriss eines weiteren Wohnblocks komme für sie daher nicht infrage.

Bürgermeister Erik Lauritzen (Soz.) machte am Ende der Diskussion aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. „Jetzt stimmt ihr total entgegengesetzt zu dem, was ihr zuvor gestimmt habt. Das ist frustrierend, und es macht eine gute Zusammenarbeit schwer“, so Lauritzen, der schließlich zur Abstimmung aufforderte.

Der Änderungsvorschlag von Venstre und DF wurde mit 21 Gegenstimmen abgelehnt. Der Antrag auf die Sondergenehmigung, inklusive dem erarbeiteten Entwicklungsplan, wurde mit den 21 Stimmen von Sozialdemokraten, Fælleslisten und SP verabschiedet, 10 Stadtratspolitiker von Venstre und DF stimmten dagegen.

 Der Antrag sieht vor, dass die Kommune Sonderburg nur 40 anstatt der geforderten 60 Prozent der Wohnblocks bis 2030 abreißen muss. Über den Antrag wird das Ministerium für Wohnen und Transport entscheiden. Der Entwicklungsplan, der zusammen mit der Wohngenossenschaft SAB und der Verwaltung ausgearbeitet worden ist, muss dem Ministerium bis spätestens 21. Juni 2021 vorliegen.

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