FE-Affäre

Der Spionagechef, der aus Augustenburg kam

Der Spionagechef, der aus Augustenburg kam

Der Spionagechef, der aus Augustenburg kam

Kopenhagen/Augustenburg
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Lars Findsen wollte als Junge Schiffsbauer werden. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

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Der Chef des militärischen Nachrichtendienstes FE, Lars Findsen, hatte bis vor eineinhalb Jahren eine blendende Karriere. Aufgewachsen ist der Jurist in Augustenburg.

Menschen, die ihn kennen, können es nicht fassen, dass ausgerechnet Lars Findsen beschuldigt wird, streng geheimes Material preisgegeben zu haben.

Sie beschreiben ihn als den Nachrichtendienstler schlechthin, und nun soll er durch die Weitergabe von Informationen die Sicherheit des Landes gefährdet haben? Der Paragraf, den er übertreten haben soll, lautet auf Hochverrat und kann bis zu zwölf Jahre Gefängnis auslösen.

Den tiefsten Einblick

Bevor er Chef von FE wurde, war er Chef des anderen dänischen Nachrichtendienstes, PET, und dazwischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

„Lars Findsen ist die Person in Dänemark, und sicher auch international, die den tiefsten Einblick in die Seele, Mittel und Methoden der Nachrichtendienste hat“, schreibt zum Beispiel Hans Jørgen Bonnichsen in einem Leserbrief in „Politiken“. Er hat als Abteilungsleiter bei PET fünf Jahre unter Findsen gearbeitet.

Er wollte Schiffsbauer werden

Dabei hatte der Jurist Findsen eigentlich ganz andere Berufsträume, als er als Junge an und auf der Augustenburger Förde herumtollte. Der lokale Segelklub war sein zweites Zuhause, erzählte er 2019 dem Magazin „Euroman“.

„Ich wollte Boote bauen, wie die Olympia-Segler und Schiffsdesigner Jan Kjærulff und Paul Elvström. Wollte Schiffsingenieur werden und Boote konstruieren, die schnell segeln und Regatten gewinnen können. Ich verbrachte Stunden damit, Schiffsmodelle aus Holz zu bauen und versuchte, Bleikiele für sie zu gießen. Ich konnte bis spät in den Abend hinein an der Werkbank stehen“, so der jetzt inhaftierte Geheimdienstchef gegenüber „Euroman“.

„Der Kopenhagener“

Geboren ist er 1964 in der Nähe von Hull in England. Als er vier Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm und seinem Bruder in den Ort Strøby Egede bei Køge auf Seeland.

Nach der Scheidung der Eltern zog sein Vater mit ihm, der damals acht bis neun Jahre alt war, nach Augustenburg (Augustenborg). Die Mutter und der Bruder blieben in Strøby Egede.

Lars erging es wie so vielen, die von Seeland nach Nordschleswig ziehen: Er wurde „der Kopenhagener“. Doch ein cooles T-Shirt mit dem Schriftzug „Sweet“ löste eine gewisse Bewunderung bei den neuen Kameraden aus. Die berühmte Glamrock-Band war ein wenig früher auf Seeland als in Nordschleswig bekannt geworden.

Medizin, Geschichte – oder Jura

Am Sonderburger Gymnasium kamen ihm Zweifel bezüglich der Schiffsingenieur-Pläne, gesteht er im „Euroman“-Interview. Doch dass er, als bisher Einziger, Chef beider Geheimdienste werden sollte, stand nicht in den Sternen.

Es war mehr ein Zufall, dass er an der Aarhuser Uni Jura studierte. Als erste Priorität hatte er Medizin gewählt, an dritter Stelle nach Jura Geschichte.

Doch obwohl er sich nicht als ausgesprochen fleißigen Studierenden bezeichnen möchte, kamen ihm die langen Stunden an der Werkbank zugute. Er konnte sich in die Paragrafen vertiefen wie einst in die Schiffsmodelle.

Karriere im Justizministerium

Nachdem er das Studium 1990 nun an der Kopenhagener Uni abgeschlossen hatte, ging es mit Findsens Karriere steil aufwärts. Seine erste Stelle war in der Datenaufsicht im Justizministerium, wo er gut zehn Jahre später bis zum Büroleiter der Polizeiabteilung geklettert war.

PET-Chef in kritischen Jahren

2002 wurde er dann zum Chef des polizeilichen Nachrichtendienstes PET ernannt; der Terrorangriff auf das World Trade Center in New York war erst wenige Monate her.

Findsen begann, PET zu modernisieren und führte größere Offenheit über die Arbeit des traditionell verschlossenen Geheimdienstes ein. Nicht zur Freude aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erinnert sich Hans Jørgen Bonnichsen in „Politiken“.

„Während dieses schwierigen Prozesses lernte ich ihn als tüchtigen Juristen mit guten strategischen Eigenschaften und nicht zuletzt einem sicheren großpolitischen Gespür kennen. Sein starkes Engagement galt der Sicherheit Dänemarks, die er auch während der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, ausgelöst durch die Muhammed-Karikaturen, vornehm verwaltete“, meint der Ex-Geheimdienstler.

Chef der Spionage

2007 wechselte Findsen als Staatssekretär ins Verteidigungsministerium. 2015 wurde er Chef der dänischen Spione, also des militärischen Nachrichtendienstes FE. Hier hatte er die Verantwortung für die Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten wie dem CIA oder dem NSA.

Auch bei dieser Arbeit lief alles gut, bis die Aufsichtsbehörde TET im August 2020 FE scharf kritisierte. Findsen wurde beurlaubt. Doch drei Richter kamen am 13. Dezember 2021 zu dem Ergebnis, dass die Kritik grundlos war.

Da saß Lars Findsen wegen der Anschuldigungen des Hochverrats bereits in U-Haft. Am Montag fand das Stadtgericht Kopenhagen anscheinend, es gebe weiterhin den begründeten Verdacht, der FE-Chef habe streng vertrauliche Informationen an Medien weitergegeben. Es verlängerte die Haft um weitere vier Wochen.

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