Spionageskandal

Die FE-Affäre erklärt: Ein „wahnwitziger“ Fall

Die FE-Affäre erklärt: Ein „wahnwitziger“ Fall

Die FE-Affäre erklärt: Ein „wahnwitziger“ Fall

Kopenhagen
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Der inhaftierte FE-Chef Lars Findsen vor seinem Büro auf Kastellet Foto: Jens Dresling/Politiken/Ritzau Scanpix

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Am Montag wurde bekannt, dass der Chef des militärischen Geheimdienstes (FE), Lars Findsen, seit 8. Dezember in U-Haft sitzt. Ihm wird vorgeworfen, hochbrisante Informationen an Medien weitergegeben zu haben. „Der Nordschleswiger“ erklärt, was wir wissen und was nicht.

Die Aktion, die sich am 8. Dezember, 9.52 Uhr, am Kopenhagener Flughafen abspielte, war streng geheim: Auf dem Weg zu einer Reise ins Ausland wurde der Chef des Nachrichtendienstes „Forsvarets Efterretningstjeneste (FE)“, Lars Findsen, verhaftet.

Drei weitere jetzige und ehemalige Mitarbeiter von FE und dem polizeilichen Nachrichtendienst PET wurden zur selben Zeit verhaftet. Ebenfalls unter strengster Geheimhaltung wurden drei von ihnen dem Haftrichter vorgeführt, der vierte wurde freigelassen. Zwei kommen in Haft. Allen vier verhafteten Personen werden beschuldigt, hoch klassifiziertes Material an die Presse weitergegeben zu haben.

Findsen bestreitet Schuld

Es ist erstmalig, nicht nur in Dänemark, sondern in der westlichen Welt, dass ein amtierender Geheimdienstchef inhaftiert wird. Das ganze Ausmaß der Affäre und die langfristigen Folgen werden wir wohl erst nach Monaten, wenn überhaupt, kennen.

Daher ist man auch geneigt, der Hauptperson des Falles recht zu geben, als er während des Haftprüfungstermins am Montag zu Journalisten sagte, es sei alles „vollkommen wahnwitzig“.

Selbst meinte er selbstverständlich die Vorwürfe gegen ihn. Doch ganz egal wie die Sache ausgeht, hat sie etwas „Wahnwitziges“ an sich.

Einen Monat lang durften die Medien nicht berichten, wer inhaftiert worden war, aber am Montag wurde das Namensverbot aufgehoben. Der eine der ursprünglich zwei Inhaftierten ist mittlerweile freigelassen worden. Alle vier Personen werden weiterhin beschuldigt.

Was wissen wir über die Vorwürfe?

Relativ wenig Konkretes, denn die beiden bisherigen Hafttermine fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das bedeutet, dass auch die Beschuldigung nicht bekannt ist. PET hat jedoch auf seiner Homepage geschrieben, den Personen werde vorgeworfen, „unberechtigt hoch klassifiziertes Material weitergegeben zu haben“, und damit den Paragrafen 109, Absatz 2 im Strafgesetzbuch übertreten zu haben. Das kann mit bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft werden.

Am Montag bestätigt PET, dass es um die Weitergabe von Informationen an Medien und also nicht an fremde Mächte geht.

Worauf können wir außerdem noch schließen?

Auf einiges mehr. Denn in den vergangenen Monaten sind vor allem in dreien Fällen vertrauliche Informationen der Geheimdienste in den Medien aufgetaucht:

1. Der Fall des dänischen Staatsbürgers Ahmed Samsam, der 2018 in Spanien wegen Mitgliedschaft beim IS verurteilt wurde. „Berlingske“ berichtete, dass Samsam in Wahrheit PET-Agent war, der versucht, den IS zu infiltrieren. PET wird vorgeworfen, ihn nach seiner Verhaftung nicht unterstützt zu haben.

2. Der Fall von „Mettes unerwünschten Kindern“, den „Ekstra Bladet“ in einer Artikelserie aufgedeckt hat. Es geht um die dänischen Staatsbürgerinnen, die sich dem IS angeschlossen hatten und nun mit ihren Kindern in Gefangenenlagern in Syrien sitzen. Die dänische Regierung wollte sie nicht nach Dänemark holen, da sie meinte, die würden eine Bedrohung ausmachen. Doch laut „Ekstra Bladet“ war die Einschätzung von PET, dass ein Verbleib in den Lagern ein größeres Sicherheitsrisiko ausmache. Die Zeitung hat für die Artikel vergangene Woche den vornehmsten dänischen Journalistenpreis, den Cavling, erhalten.

3. Der Fall von der Zusammenarbeit von FE mit dem US-Geheimdienst NSA zum Aushorchen von Datenverbindungen. Im August 2020 teilte die Aufsichtsbehörde für Nachrichtendienste (TET) mit, FE würde ihm Informationen vorenthalten und falsche Informationen geben. Lars Findsen und weiter vier leitende Mitarbeiter von FE wurden vorläufig vom Dienst befreit.

In den folgenden Wochen und Monaten deckten Medien wie „Berlingske“, „DR“, „Politiken“ und „Weekendavisen“ auf, dass es bei den Vorwürfen um die geheime Zusammenarbeit mit der NSA ging.

Der NSA soll dabei die Datenverbindungen in Dänemark auch dafür genutzt haben, um die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere deutsche Spitzenpolitikerinnen und -politiker auszuspähen.

Laut „DR“ soll PET nach den Presseberichten Ermittlungen zur Weitergabe von streng vertraulichen Informationen eingeleitet haben. Unter anderem soll der Geheimdienst Lars Findsens Telefon abgehört haben.

Am 13. Dezember 2021 teilte eine Kommission mit, die Anschuldigungen der Aufsichtsbehörde TET gegenüber FE sei gegenstandslos. Die Geheimdienstführung habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Doch da saß Lars Findsen bereits wegen der Verbreitung von hochsensiblen Informationen in U-Haft.

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