Krieg in der Ukraine

Flüchtlingshilfe: Eine ganze Stadt packt mit an

Flüchtlingshilfe: Eine ganze Stadt packt mit an

Flüchtlingshilfe: Eine ganze Stadt packt mit an

Gramm/Gram
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In der Schlossstadt Gramm werden Flüchtlinge aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen (Archivfoto). Foto: Ute Levisen

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Von der Idee zur Realität in Rekordzeit: Binnen einer Woche haben die Bürgerinnen und Bürger in Gramm die beschauliche Schlossstadt in einen Willkommensort für ukrainische Flüchtlinge verwandelt. Dabei haben die freiwilligen Kräfte an alles gedacht – vom Materiallager in der Scheune bis hin zu Lebensmittelpaketen aus dem Supermarkt.

Manchmal muss es schnell gehen, und wenn alle mit anpacken, dann tut es das auch. Erst am vergangenen Montag hatten Svend und Sanne Brodersen, die Schlossbesitzer von Gramm, zu einem Brainstorming-Treffen auf ihrem Gut eingeladen. Gemeinsam wollten sie Maßnahmen und Initiativen ausarbeiten, wie die Schlossstadtbewohnerinnen und -bewohner Geflüchteten aus der Ukraine in Gramm eine zweite Heimat bieten können. 130 Menschen nahmen an dem Treffen teil.

Nicht einmal eine Woche später sind die ersten ukrainischen Flüchtlinge in der kleinen Stadt im Westen der Kommune Hadersleben eingetroffen und haben nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern dank der vielen helfenden Hände auch sonst alles, was es fürs Erste zum Leben braucht.

Überwältigende Unterstützung

„Rema1000 in Gramm hat 25.000 Kronen gespendet, sodass alle Flüchtlinge bei ihrer Ankunft eine Willkommensbox mit Lebensmitteln und Waren für den täglichen Bedarf bekommen können“, berichtet Sara Korsgaard Harding, bei der die Fäden der Grammer Hilfsaktion zusammenlaufen. Die 25-jährige Kopenhagenerin besucht seit Ende Januar die Hochschule in Gramm und ist von der Hilfsbereitschaft der Schlossstädter ganz begeistert.

Die Schülerinnen und Schüler von „Gram Højskole“ kaufen im lokalen Rema1000 Lebensmittel für Willkommenspakete ein. Der Supermarkt hat 25.000 Kronen für diesen Zweck gespendet. Foto: Privat

„Gramm ist etwas ganz Besonderes“, sagt Korsgaard Harding. „Es ist überwältigend, wie viele Leute helfen und dafür sorgen wollen, dass sich die Flüchtlinge hier zu Hause fühlen. Auch in der eigens dafür eingerichteten Facebook-Gruppe gibt es nicht einen einzigen negativen Post oder Kommentar.“

Überhaupt komme Unterstützung für die Hilfsaktion, deren Koordination hauptsächlich über Schlossherr Svend Brodersen und die Schülerinnen und Schüler der Grammer Hochschule läuft, von allen Seiten: Der örtliche Elektriker habe seine Hilfe angeboten, ebenso wie ein Unternehmer, der ukrainischen Geflüchteten Arbeit in seinem Betrieb geben möchte, und unzählige Bewohnerinnen und Bewohner wollen beim Kochen von Mahlzeiten helfen, erzählt Sara Korsgaard Harding.

Hochschule als Koordinationszentrale

Die Schülerschaft der Grammer Hochschule selbst zeichnet hingegen nicht nur für das Zusammenstellen und Ausliefern von Willkommensboxen verantwortlich, sondern hat auch in den eigenen vier Wänden alles aussortiert, was derzeit nicht gebraucht wird und den Flüchtlingen zunutze kommen könnte. „Wir haben etliche Möbel noch aus der Zeit herumstehen, als das Gebäude noch als Nachschule genutzt wurde“, so Korsgaard Harding.

In einer Scheune auf Gut Gramm wurde eine Sammelstelle für Sachspenden eingerichtet. Foto: Privat

Auch um die Koordination von Unterbringungsmöglichkeiten kümmert sich die 25-Jährige mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. Die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine, zwei Frauen mit ihren drei Kindern, sind bereits am Donnerstag in Gramm eingetroffen und in ein Haus am Slotsvej, das zu Schloss Gramm gehört, eingezogen. Bei ihrer Ankunft wurden sie von den Hochschülern mit den Willkommenspaketen sowie ukrainischen und dänischen Flaggen begrüßt.

Zudem hat die Vorsteherin der „Gram Højskole“, Carina Nilsson, soeben grünes Licht dafür gegeben, das oberste Stockwerk des ehemaligen Schwesternwohnheimes ebenfalls in eine Flüchtlingsunterkunft umzubauen. Zwölf Familien sollen dort in weniger als einer Woche Platz finden können. Die Instandsetzungsarbeiten der Zimmer laufen derzeit auf Hochtouren.

Prognose ungewiss

Wie viele Geflüchtete noch kommen werden, wissen die Ehrenamtlichen nicht, erklärt Sara Korsgaard Harding: „Da die Flüchtlinge bislang nicht von den Behörden registriert werden und ihre Flucht privat organisiert wird, wissen wir nicht, wie viele es noch werden.“

Vorsorglich sind sie und ihr Team aber dennoch auf der Suche nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge aus der Ukraine, so die Kopenhagenerin. Wer daher eine Unterkunft zur Verfügung stellen oder anderweitig helfen kann, möge sich per E-Mail (ukraine@gramhojskole.dk) an die Hochschule in Gramm wenden.

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