Kultur
Wie deutsche Kunst aus den Lehrbüchern verschwand
Wie deutsche Kunst aus den Lehrbüchern verschwand
Wie deutsche Kunst aus den Lehrbüchern verschwand

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Ausgegrenzt: Wie konnten Werke bekannter Künstlerinnen und Künstler aus Dänemarks Kunstgeschichte verschwinden? Die Museumsinspektorin des Apenrader Kunstmuseums erklärt, wie das passieren konnte. Außerdem gibt es eine Ausstellung mit solchen „vergessenen“ Werken.
„Das Grenzland hat seine eigene Geschichte, und dazu gehört auch die Kunst“, sagt Sally Schlosser Schmidt. Die Museumsinspektorin des Kunstmuseums im Brundlunder Schloss (Brundlund Slot) hat jüngst eine Ausstellung im Museum konzipiert und eröffnet, die sich eines Teils dieser Geschichte angenommen hat.
In den Ausstellungsräumen sind etwa 40 Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, die sich damals zum Deutschen bekannten, sei es in ihrer Kunst oder auch in ihrer politischen Haltung.
Von Kritiken verrissen und aus den Geschichtsbüchern verschwunden
Die Bilder sind damals von den Ausstellungswänden verschwunden. Dänisch – und damit national – gesinnte Kritikerinnen und Kritiker haben die Werke dieser Menschen verrissen. „Und so verschwanden die Künstler und ihre Werke sukzessive aus der Kunstgeschichtsschreibung“, erklärt die Historikerin. „Dabei waren es Malerinnen und Maler, die handwerklich genauso gut waren, wie die anderen“, fügt sie hinzu.

Eine dieser Künstlerinnen war die Malerin Elisabeth Jerichau Baumann. Sie malte unter anderem „En såret dansk kriger“ (Ein verwundeter dänischer Krieger), ein Bild, das heute einen Platz im Staatlichen Kunstmuseum (Statens Museum for Kunst) gefunden hat. Damals schrieb ein Kritiker über das Ölgemälde, es „mache einen schrecklichen Eindruck auf den Betrachter“.
Frau und Künstlerin der deutschen Malschule
Nicht nur, dass Jerichau Baumann eine Frau war, nein, sie war auch noch eine Malerin der Düsseldorfer Malerschule und folgte deutschen Kunsteinflüssen. Obwohl sie eine gebürtige Polin war, machten ihr diese Einflüsse in Dänemark schwer zu schaffen, denn Deutsch und Deutsches waren spätestens nach der Niederlage des Krieges von 1864 verpönt.
Ihre Werke verschwanden, wie auch die anderer deutsch gesinnter oder gleich ausgebildeter Künstlerinnen und Künstler, in der Versenkung. „Diese Künstler haben die Welt aus ihrer Sicht gezeigt, und das passte nicht in das nationale dänische Bild von damals“, erklärt Sally Schlosser Schmidt.

Es sind die kosmopolitischen Künstlerinnen und Künstler, die „bestraft“ wurden. „Die nationalen Künstler stärkten die nationale Identität, und das taten solche, die sich in Deutschland oder auch Italien weiter formten, nicht.“
Die Kritiker sorgten mit ihrer Arbeit schließlich dafür, dass die Werke dieser Leute „verschwanden“.
Bekannte Werke erstmals in einer Sammlung zu sehen
„Im Schatten der Niederlage – Die vergessenen Künstler des Goldalters“ heißt deshalb die Ausstellung, die seit einigen Tagen im Brundlunder Schloss zu sehen ist. Seit über einem Jahr hat die Historikerin zusammen mit Kunsthistorikerin Sine Krogh die Schau vorbereitet.

Einige der Bilder kommen aus dem museumseigenen Archiv, andere sind aus anderen Museen oder Ausstellungen ausgeliehen. Darauf ist die Ausstellungsleiterin besonders stolz, denn die Werke, die im Apenrader Schloss gezeigt werden, „sind national und international hoch angesehen“, wie Schlosser Schmidt sagt.
Doch die Bilder sind nicht das Einzige, weshalb es sich lohne, die Ausstellung zu besuchen, so die Initiatorin. „Man erweitert seinen Horizont und lernt über die Kunst des Goldalters hinzu“, meint sie. Die Vielfalt in der Kunst sei größer als angenommen.

So ist neben dem Soldaten-Werk von Elisabeth Jerichau Baumann auch ein Ölbild des dänischen Malers Niels Simonsen dabei: „Infanteristen, die auf dem Rückzug vom Dannewerk (Dannevirke) eine Kanone retten“, so der Titel. Auch das Bild zeigt die Mühen und Beschwernisse der Niederlage im kalten Winter des Jahres 1864.
Geschichtsbücher ändern
„Wir versuchen jetzt, diese Künstlerinnen und Künstler zurück in die Geschichtsbücher zu schreiben. So wie wir es seit einiger Zeit auch mit den Künstlerinnen machen“, sagt sie. Es ist ein kritischer Umgang mit der dänischen Kunstgeschichte, die sich mit dieser Ausstellung auftut. Jedes Werk hat einen kleinen Text zur Seite bekommen, der das Bild, aber auch die Hintergründe beschreibt, die dazu führten, dass es in der Versenkung verschwand – und das auf Deutsch und Dänisch.
Wir sind schließlich im Grenzland, und da gehört die deutsche Sprache einfach dazu.
Museumsinspektorin Sally Schlosser Schmidt
„Wir sind schließlich im Grenzland, und da gehört die deutsche Sprache einfach dazu“, sagt Sally Schlosser Schmidt.

In den Ausstellungsräumen stehen gemütliche Sofas, dort können sich die Gäste niederlassen und ausruhen. „Und auch gerne über die Kunst reden, diskutieren“, hofft Schlosser Schmidt. Deshalb sind auch besondere Kissen auf den Sofas zu finden. „Warum sieht die Kunst deutsch aus?“, ist unter anderem darauf zu lesen. Die Frage fordert auf, darüber zu sprechen.
„Die Kunst soll zum Hinterfragen anregen, sie soll zum Diskutieren anregen, und sie soll zum Nachdenken anregen“, fasst Schlosser Schmidt abschließend zusammen.