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Mythen des Krieges 1864

Mythen des Krieges 1864

Mythen des Krieges 1864

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Erstürmung der Düppeler Schanzen Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Sie reichen vom Pionier Klinke als vermeintlichem Kriegsheld bis hin zur militärischen Ausstattung und der Kirche zu Broacker als Leitstand

Es ist teilweise schon erstaunlich, wie viele Mythen sich um den Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 gebildet haben. Auf deutscher Seite steht hier der Mythos um den Pionier Klinke, der am 18. April 1864, mit einem Pulversack, ein Loch in die Schanze Nr. 2 gesprengt haben soll, im Vordergrund. Dieser wurde nach dem Krieg, obwohl er nicht die historische Person gewesen war, die die Tat ausführte, zum Kriegshelden ernannt. An der Schanze Nr. 2 und auf dem Friedhof in Broacker/Broager wird seiner gedacht.

Ein weiterer Mythos von 1864 besagt, dass Dänemark den Krieg aufgrund der älteren und schlechteren Gewehre verloren hätte. Die dänischen Soldaten waren noch mit Vorderladern ausgestattet, die Preußen schon mit Hinterlader-Gewehren.

Preußisches Zündnadelgewehr – ein Hinterlader Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Unbestritten ist, dass die Hinterlader-Gewehre eine schnellere Schussfolge zuließen und das man sich beim Nachladen hinsetzen konnte. Letzteres bot mehr Schutz und war beim Vorderlader nicht möglich.

Trotz dieser beiden klaren Vorteile war die Ausstattung mit Hinter- oder Vorderladern nicht ausschlaggebend im Krieg von 1864. Zum einen wird dabei vergessen, dass es nicht nur Preußen war, das im Krieg mit Dänemark stand. Österreich war Verbündeter von Preußen. Dessen Soldaten waren aber auch noch mit Vorderlader-Gewehren ausgerüstet.

Bei der Eroberung der Düppeler Schanzen waren die preußischen Soldaten mit Hinterlader-Gewehren ausgestattet.  Aber auch hier war dies nicht das ausschlaggebende Element. Von preußischer Seite hatte man, vor der Eroberung, die Düppeler Schanzen regelrecht bombardiert. Dies mit modernen gezogenen Kanonen von Gammelmark aus. Da die preußischen Kanonen eine größere Reichweite hatten,  konnte man sich von dänischer Seite nicht gegen sie wehren. So waren große Teile der Schanzlagen auf Düppel bei der Erstürmung am 18. April 1864 zerstört. Dies und die zahlenmäßige Überlegenheit an Soldaten waren ausschlaggebend für die Eroberung der Schanzen.

In Verbindung mit der Bombardierung der Düppeler Schanzen von Gammelmark steht ein weiterer Mythos. Dieser besagt, dass man die Zwillingsspitze der Broacker Kirche als Aussichtsposten nutzte, um die Kanonen von Gammelmark in ihrer Zielfindung zu korrigieren. Also als eine Art Leitstand.

Die Kirche zu Broacker mit ihrer Zwillingsspitze Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Ein Militärhistoriker stellte vor einigen Jahren fest, dass es zum Zeitpunkt des Krieges technisch nicht möglich war, aus einer Richtung zu schießen und aus einer anderen zu korrigieren.

Wie aber entstand der Mythos? Anders noch als beim Pionier Klinke, bei dem Theodor Fontane zur Verbreitung des Mythos beitrug, trägt er hier zu dessen Aufklärung bei. Theodor Fontane war 1864 Kriegsberichterstatter und war vor und nach der Erstürmung der Schanzen auch vor Ort. Er beschreibt, dass die Zwillingsspitzen der Broacker Kirche vor der Erstürmung kurzfristig als Posten für optische Telegrafie benutzt wurden. Von ihr sollten militärische Nachrichten in Richtung des Scheersbergs übermittelt werden. Da diese Kommunikation nicht fehlerfrei war und man schnell eine Kabelverbindung einrichtete, war der Posten nur kurzfristig eingerichtet. Diese kurze Zeit reichte aber aus, dass Zeichnungen vom Posten angefertigt und diese dann falsch interpretiert wurden. Diese wurden dann in den damaligen Zeitungen abgedruckt und fanden so ihre Verbreitung. Damit verselbstständigte sich die Geschichte von einem Kanonenleitstand auf der Broacker Kirche und gelangte später dann auch in Schul- und Geschichtsbücher.

Auch um die Entstehung der Doppelspitze der Broacker Kirche gibt es einige Erzählungen und Mythen. Diese würden hier aber jeden Rahmen sprengen.

Beide abgebildeten Zeichnungen sind Zeitungsausschnitte von 1864. Das Gewehr ist eine Leihgabe des Sonderburger Schlosses.

Erstürmung der Düppeler Schanzen Foto: Deutsches Museum Sonderburg
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