Deutsche Minderheit
Verrückte Reise mit der DGN-Theatertruppe
Verrückte Reise mit der DGN-Theatertruppe
Verrückte Reise mit der DGN-Theatertruppe
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Die Theater-AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig führt eine beeindruckende Bühnenfassung des Romanfragments „Bilder deiner großen Liebe“ von Wolfgang Herrndorf auf. Neben dem schauspielerischen Teil der Inszenierung begeisterten Tanzeinlagen und musikalische Begleitung das Publikum in Apenrade.
„Glück? Was ist das?“, so lautet der Untertitel der diesjährigen Aufführung der Theater-AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig, der Bühnenfassung des Romanfragments des deutschen Autors Wolfgang Herrndorf (1965-2013), „Bilder deiner großen Liebe“.
Gelungene Premiere
Vom Beginn an zog die in der anfangs völlig dunklen Aula des DGN beginnende Aufführung die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Bann. Sie erlebten eine durch und durch gelungene Premiere.
In der von Theater-AG-Leiter Jürgen Schultze und Musiklehrerin Susanne Kirste einstudierten Aufführung, in deren Mittelpunkt die von zahlreichen Schauspielerinnen gemimte Hauptfigur Isa steht, stellt sich diese mit drastischen „Weisheiten“ vor: „Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man nur verrückt ist, und nicht bescheuert“, klärt Isa ihre Umwelt auf.
Feuerwerk knallharter Sprüche
Es ist der Auftakt zu einem Feuerwerk knallharter Sprüche, die Isa während ihrer verrückten Reise im Verlauf der von viel Tempo und Sprüngen in der Handlung geprägten Aufführung äußert. Offenbar aus einer Klinik entkommen, präsentieren sich die Isa-Darstellerinnen an verschiedenen Schauplätzen. Lyrische Passagen lassen oft nur erahnen, was die Hauptfigur erlebt hat.
Der Chor der Theatertruppe begleitet durch Flüstern und Gesang die mitunter beinahe mystisch anmutenden Szenen, in denen über die Begegnung mit einem „Depri“ berichtet wird oder mit sanftem Druck des Fingernagels die „Sonne Millimeter für Millimeter“ zurückgeschoben wird.
Begleitet werden die gesprochenen Passagen von Lichteffekten oder es ziehen Nebelschwaden über die Bühne. Per Anhalter geht es weiter. „Ich schlafe bei Tag und gehe bei Nacht“, berichtet Isa über ihre Fußmärsche, bei denen sie über elektrische Zäune steigt und unter Stacheldraht kriecht. Von Hunger getrieben, stiehlt sie. Das Tagebuch der Hauptfigur wird im Verlauf der Handlung immer wieder herausgeholt. Aus ihm zitiert, neue Passagen notiert.
Erinnerung an die Kindheit
Sie erinnert sich an Zelten in ihrer Kindheit, erwähnt den Vater, der von einem Meteoriten erschlagen wurde. Düstere Szenen auf einem Friedhof münden in Gedankenspiele ein. Was hätte der Verstorbene davon, wenn er noch lebte, fragt sich Isa.
Spannung kommt in der Passage auf, in der Isa spricht: „Über mir steht eine schwarze Wolke. Dann wird der ganze Himmel schwarz ...“
Die Schulband liefert ein musikalisches Donnerwetter.
„Ich stelle mir vor, wie mein Leben jetzt weitergehen würde, wenn es nicht mein Leben wäre“, verkündet Isa, deren Wanderung an weitere Stationen führt. Auf eine Veranda, wo Isa die Liebe ihres Lebens trifft, aber weiter davonrennt, hin zu einer Passage, in der ins Tagebuch notiert wird, dass sie immer ein Junge habe sein wollen. Es folgen Begegnungen und Szenen mit Jungen, die Isa anschreit und bedroht, untermalt vom Trommelschlag der Band.
Auf der Bühne agieren zahlreiche Mitglieder des Ensembles, dem Publikum den Rücken zugewandt, und malen und zeichnen auf Papier auf der Rückwand des Bühnenraums. Es gibt Szenen wie vor einem Supermarkt, die von Tanznummern umrahmt werden. Dialoge mit Jungs auf einer Treppe enden mit Wutausbrüchen der Hauptfigur, die sich auch durch obszöne Ausdrücke präsentiert.
Verstörende „Weisheiten“
Ein taubstummes Kind taucht auf, es folgen Weisheiten wie „... viele Leute, die ein schwieriges Schicksal haben“, seien glücklicher. Die verrückte Reise geht nach einer tollen Gesangsnummer weiter. Hin zu einem Mann, der Rasen mäht, einem Schriftsteller, dessen verstörenden Lebensverhältnisse die Handlung bestimmen. Weitere Szenen handeln vom Hunger der Hauptfigur, die auf ein totes Reh stößt, auf dem ein toter Jäger liegt. Einen Revolver nimmt sie dem Toten ab, trifft einen „Braunen“ und einen „Russen“, was in mitunter skurrile Dialoge einmündet.
Einige Szenen, wie die mit den dunklen Wolken, wiederholen sich. „Du hast keine Ahnung, was es heißt, jung zu sein“, erklärt Isa einem Weberknecht, das Spinnentier hatte die ganze Zeit auf ihrem Kopf gesessen. „Das Glück macht nie so glücklich wie das Unglück unglücklich“ verkündet Isa, die gegen Ende des Stücks in den Bergen an einen Abgrund tritt.
Die Darstellenden auf der Bühne reißen die Papiere von der Bühnenwand. Es folgen fetzige Tanzeinlagen, von der Bühne geht es durch den Mittelgang der Aula. Die Spannung steigt, die Hauptfigur nimmt die Pistole, Isa verkündet: „Ich ziele auf die Sonne ... ich schaue in den Abgrund, genau über meine Stiefelspitzen hinweg. Ich halte die Waffe genau senkrecht hoch und sehe mit offenem Mund der Kugel hinterher, sehe sie steigen.“
Und die Schlussszene endet mit der Nachricht, dass die Kugel millimetergenau zurück in den Lauf der Waffe fliegt. Mit einem erlösenden Lachen endet die Aufführung des Werks, dessen Texte der unheilbar erkrankte Autor Herrndorf kurz vor seinem Freitod verfasst hatte. Die mitunter verstörenden Inhalte geben Anlass zum Sinnieren und Grübeln.
Das Publikum bedankte sich mit anhaltendem Beifall für die Vorstellung, Sonderbeifall gab es für Susanne Kirste und Jürgen Schultze. Am Donnerstag, 3. März, und am Freitag, 4. März, gibt es weitere Aufführungen in der Aula des DGN in Apenrade, Svinget 26-28.