Deutsche Minderheit

Verrückte Reise mit der DGN-Theatertruppe

Verrückte Reise mit der DGN-Theatertruppe

Verrückte Reise mit der DGN-Theatertruppe

Apenrade/Aabenraa
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Riesenbeifall gab es bei der Premiere der neuen Aufführung der Theater AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade. Sonderapplaus erhielten die Leiter der AG, Jürgen Schultze und Susanne Kirste (vorn). Foto: Karin Riggelsen

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Die Theater-AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig führt eine beeindruckende Bühnenfassung des Romanfragments „Bilder deiner großen Liebe“ von Wolfgang Herrndorf auf. Neben dem schauspielerischen Teil der Inszenierung begeisterten Tanzeinlagen und musikalische Begleitung das Publikum in Apenrade.

„Glück? Was ist das?“, so lautet der Untertitel der diesjährigen Aufführung der Theater-AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig, der Bühnenfassung des Romanfragments des deutschen Autors Wolfgang Herrndorf (1965-2013), „Bilder deiner großen Liebe“.

Gelungene Premiere

Vom Beginn an zog die in der anfangs völlig dunklen Aula des DGN beginnende Aufführung die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Bann. Sie erlebten eine durch und durch gelungene Premiere.

Mehrere Darstellerinnen mimten die Hauptfigur des Stücks, Isa. Foto: Karin Riggelsen

 

In der von Theater-AG-Leiter Jürgen Schultze und Musiklehrerin Susanne Kirste einstudierten Aufführung, in deren Mittelpunkt die von zahlreichen Schauspielerinnen gemimte Hauptfigur Isa steht, stellt sich diese mit drastischen „Weisheiten“ vor: „Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man nur verrückt ist, und nicht bescheuert“, klärt Isa ihre Umwelt auf.

 

Feuerwerk knallharter Sprüche

Es ist der Auftakt zu einem Feuerwerk knallharter Sprüche, die Isa während ihrer verrückten Reise im Verlauf der von viel Tempo und Sprüngen in der Handlung geprägten Aufführung äußert. Offenbar aus einer Klinik entkommen, präsentieren sich die Isa-Darstellerinnen an verschiedenen Schauplätzen. Lyrische Passagen lassen oft nur erahnen, was die Hauptfigur erlebt hat.

Temperamentvoll agierte das Ensemble auf der Bühne des DGN. Foto: Karin Riggelsen

 

Der Chor der Theatertruppe begleitet durch Flüstern und Gesang die mitunter beinahe mystisch anmutenden Szenen, in denen über die Begegnung mit einem „Depri“ berichtet wird oder mit sanftem Druck des Fingernagels die „Sonne Millimeter für Millimeter“ zurückgeschoben wird.

 

Mit Nebel auf der Bühne und Lichteffektkten wurden während der gesamten Aufführung die Szenen umrahmt. Das Tagebuch der Hauptfigur Isa tauchte immer wieder in der Handlung auf. Foto: Karin Riggelsen

 

Begleitet werden die gesprochenen Passagen von Lichteffekten oder es ziehen Nebelschwaden über die Bühne. Per Anhalter geht es weiter. „Ich schlafe bei Tag und gehe bei Nacht“, berichtet Isa über ihre Fußmärsche, bei denen sie über elektrische Zäune steigt und unter Stacheldraht kriecht. Von Hunger getrieben, stiehlt sie. Das Tagebuch der Hauptfigur wird im Verlauf der Handlung immer wieder herausgeholt. Aus ihm zitiert, neue Passagen notiert.



 

Erinnerung an die Kindheit

Sie erinnert sich an Zelten in ihrer Kindheit, erwähnt den Vater, der von einem Meteoriten erschlagen wurde. Düstere Szenen auf einem Friedhof münden in Gedankenspiele ein. Was hätte der Verstorbene davon, wenn er noch lebte, fragt sich Isa.

Spannung kommt in der Passage auf, in der Isa spricht: „Über mir steht eine schwarze Wolke. Dann wird der ganze Himmel schwarz ...“

Die Schulband liefert ein musikalisches Donnerwetter.

„Ich stelle mir vor, wie mein Leben jetzt weitergehen würde, wenn es nicht mein Leben wäre“, verkündet Isa, deren Wanderung an weitere Stationen führt. Auf eine Veranda, wo Isa die Liebe ihres Lebens trifft, aber weiter davonrennt, hin zu einer Passage, in der ins Tagebuch notiert wird, dass sie immer ein Junge habe sein wollen. Es folgen Begegnungen und Szenen mit Jungen, die Isa anschreit und bedroht, untermalt vom Trommelschlag der Band.

Die Tanzeinlagen während der Aufführung „Bilder deiner großen Liebe“ trugen wesentlich zum Gelingen der Premiere bei. Foto: Karin Riggelsen

 

Auf der Bühne agieren zahlreiche Mitglieder des Ensembles, dem Publikum den Rücken zugewandt, und malen und zeichnen auf Papier auf der Rückwand des Bühnenraums.  Es gibt Szenen wie vor einem Supermarkt, die von Tanznummern umrahmt werden. Dialoge mit Jungs auf einer Treppe enden mit Wutausbrüchen der Hauptfigur, die sich auch durch obszöne Ausdrücke präsentiert.

Verstörende „Weisheiten“

Ein taubstummes Kind taucht auf, es folgen Weisheiten wie „... viele Leute, die ein schwieriges Schicksal haben“, seien glücklicher. Die verrückte Reise geht nach einer tollen Gesangsnummer weiter. Hin zu einem Mann, der Rasen mäht, einem Schriftsteller, dessen verstörenden Lebensverhältnisse die Handlung bestimmen. Weitere Szenen handeln vom Hunger der Hauptfigur, die auf ein totes Reh stößt, auf dem ein toter Jäger liegt. Einen Revolver nimmt sie dem Toten ab, trifft einen „Braunen“ und einen „Russen“, was in mitunter skurrile Dialoge einmündet.

 

Das Verhältnis der Hauptfigur zum männlichen Geschlecht taucht mehrfach während der Handlung auf. Foto: Karin Riggelsen

 

Einige Szenen, wie die mit den dunklen Wolken, wiederholen sich. „Du hast keine Ahnung, was es heißt, jung zu sein“, erklärt Isa einem Weberknecht, das Spinnentier hatte die ganze Zeit auf ihrem Kopf gesessen. „Das Glück macht nie so glücklich wie das Unglück unglücklich“ verkündet Isa, die gegen Ende des Stücks in den Bergen an einen Abgrund tritt.

 

Sehr abwechslungsreich war das Geschehen auf der Bühne, auf der auch im Hintergrund agiert wurde. Foto: Karin Riggelsen

 

Die Darstellenden auf der Bühne reißen die Papiere von der Bühnenwand. Es folgen fetzige Tanzeinlagen, von der Bühne geht es durch den Mittelgang der Aula. Die Spannung steigt, die Hauptfigur nimmt die Pistole, Isa verkündet: „Ich ziele auf die Sonne ... ich schaue in den Abgrund, genau über meine Stiefelspitzen hinweg. Ich halte die Waffe genau senkrecht hoch und sehe mit offenem Mund der Kugel hinterher, sehe sie steigen.“

 

Alle Mitwirkenden erhielten verdienten Beifall am Abend der Premiere des Theaterstücks. Foto: Karin Riggelsen

 

Und die Schlussszene endet mit der Nachricht, dass die Kugel millimetergenau zurück in den Lauf der Waffe fliegt. Mit einem erlösenden Lachen endet die Aufführung des Werks, dessen Texte der unheilbar erkrankte Autor Herrndorf kurz vor seinem Freitod verfasst hatte. Die mitunter verstörenden Inhalte geben Anlass zum Sinnieren und Grübeln.

 

Die Mitwirkenden

• Schauspiel: Aenne Traulsen, Ana Marija Andziule, Anna Chiara Steffen, Anne-Christine Bonde Iwersen, Finia Grefe, Frida Pauline Müller, Jasper Hansen, Katharina Sophie Lehmann, Mirja Lorenzen, Stine Korff, Sylvia Busching, Thorben Mahlau. 
Choregrafie und Tanz: Josephine Lorenzon, Nela Friedrichs, Frida Pauline Müller, Emma Magercurth, Katharina Sophie Lehmann.
Musik: Amelie Gosch Huper, Anna-Maria Sliwowska, Jette Malin Grunewald, Maja Sönnichsen, Rasmus Korff, Victoria Daberkow, Thyra  Bonnichsen
• Souffleusinnen: Martina Lutz, Melanie Lutz.

 

Das Publikum bedankte sich mit anhaltendem Beifall für die Vorstellung, Sonderbeifall gab es für Susanne Kirste und Jürgen Schultze. Am Donnerstag, 3. März, und am Freitag, 4. März, gibt es weitere Aufführungen in der Aula des DGN in Apenrade, Svinget 26-28.    

 

 

 

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