Unterhaltung

Computerspiel über die Besatzungszeit in Tingleff – so ist es entstanden

So entstand das Spiel über die Besatzungszeit in Tingleff

So entstand das Spiel über die Besatzungszeit in Tingleff

Tingleff/Tinglev
Zuletzt aktualisiert um:
Großeltern im dänischen Widerstandskampf bildeten die Grundlage für das interaktive Computerspiel „Gerda". Foto: PortaPlay

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die im Zweiten Weltkrieg als Widerstandskämpfer aktiven Großeltern brachten einen Spieleentwickler dazu, ein PC-Spiel über die Zeit der dänischen Besetzung zu entwickeln. Roter Faden ist das Mit- und Gegeneinander von Besetzern, deutsch gesinnten Ortsansässigen und Dänen. Dreh- und Angelpunkt ist dabei Tingleff. Der Ort wurde bewusst ausgewählt.

Rund drei Jahre lang hat die Crew des PC-Spielherstellers „PortaPlay“ mit Sitz in Kopenhagen am Adventuregame  „Gerda – A flame in winter“ gearbeitet, das sich während der Besetzung Dänemarks durch das Naziregime abspielt, und bei dem Tingleff der Ort des Geschehens ist.

Das Spiel, das auch als Nintendo Switch-Version herauskommt, ist ab September offiziell erhältlich.

 

Titelbild des PC-Spiels „Gerda" Foto: PortaPlay

Miteigentümer und Kopf von „PortaPlay“, das auch historisches Schulungs- und Vermittlungsmaterial entwickelt, ist Hans von Knut Skovfoged. Seit rund 15 Jahren entwickelt der 45-Jährige Computerspiele und Lehrmaterial mit geschichtlichem Hintergrund.

Hans von Knut Skovfoged (das „von“ hat er nach eigenen Angaben seinem heutigen Künstlernamen hinzufügen lassen) ist in Frederiksværk auf Seeland groß geworden.

Hans von Knut Skovfoged Foto: PortaPlay

Wie kommt es, dass ein Seeländer Tingleff als Ort für ein Computerspiel mit der Besatzungszeit und dem Konflikt zwischen Deutschen und Dänen ausgewählt hat?

Inspiration aus der Familie

„Das hängt mit meinen Großeltern zusammen, die nicht weit von Tingleff gelebt haben. Sie gehörten dem dänischen Widerstand an. Ihre Erlebnisse und ihr Handeln waren Inspiration für das historische Computerspiel“, so der Spielentwickler im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. Sein Großvater Knud Erik war Polizeibeamter.

Der Großvater des Spieleerfinders war Polizist und schloss sich während der Besatzungszeit dem Widerstandskampf an. Foto: PortaPlay

„Nach der Besetzung tauchte er ab und schloss sich einer Widerstandsgruppe an, die vor allem an der jütischen Westküste operierte. Er wurde 1944 verraten und landete im KZ Neuengamme. Er überlebt und ließ sich später bei Vejle nieder“, erzählt der Enkel.

Waffe im Kinderwagen

„Auch meine Großmutter Henry war Widerstandskämpferin. Sie schmuggelte schon mal Waffen im Kinderwagen. Wenn Wehrmachtssoldaten in der Nähe waren, dann wackelte sie am Wagen und tat so, als ob sie ihr Baby in den Schlaf wiegt. Sie kam zum Glück ohne Folgen davon“, berichtet Hans von Knut Skovfoged über die Großeltern.

Auch Henry, Großmutter von Hans von Knut Skovfoged, war Widerstandskämpferin. Foto: PortaPlay

Geschichtliche Grundlage des Spiels war letztendlich auch die 18-köpfige Widerstandsgruppe in Tingleff, die vor allem Anschläge auf das Schienennetz verübte. Die Spielemacher aus Kopenhagen bedienten sich dabei diversen Quellen

Beim Spiel ist der dänische Widerstand allerdings nur ein Detail der Handlung.

„Es geht nicht darum, etwas zu bekämpfen oder Rache zu nehmen. Ausgangspunkt ist die Geschichte mit der Grenzziehung 1920, als Nordschleswig und Tingleff wieder Dänisch wurden.“

In Tingleff sei seit der Wiederangliederung Nordschleswigs eine deutsche Minderheit stark vertreten. Das Nebeneinander von Deutschen und Dänen, das gegenseitige Verstehen und die Ablehnung als Folge der Besatzung bilden den roten Faden, so Skovfoged.

Nuancen

Ihm und seinen Kollegen gehe es nicht um eine Schwarzweiß-Malerei und die strikte Einteilung in Gut und Böse.

Dass Hitlerdeutschland für eine grauenvolle Zeit verantwortlich ist, stehe außer Frage. Auch bei der Besetzung Dänemarks wurde Menschen Unrecht angetan und Leid zugefügt.

Spielentwickler Hans von Knut Skovfoged hat das Augenmerk auf einen geschichtlichen Kontext und moralische Zwiespälte gerichtet. Foto: PortaPlay

Es gebe aber auch eine andere Seite.

Da waren deutsche Soldaten, die gehorchen und Befehle ausführen mussten, ihrer Sache aber gar nicht sicher waren und sich lieber mit der dänischen Bevölkerung gut gestellt hätten. Einige verliebten sich in eine Dänin.

Da sind Widerstandskämpfer, die für ihr Land eintreten und eigene Skrupel überwinden müssen, und da ist eine Gruppe deutsch gesinnter Ortsansässiger, von denen ein Teil kompromisslos für das Hitler-Regime und der andere Teil skeptisch und auf guten Kontakt zu den dänischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bedacht ist.

Und nicht zuletzt ist da die kompromisslose Gestapo, die keinen Widerspruch und keinerlei Gegenwehr duldet und vor der man auf der Hut sein muss.

„Mittendrin ist die Krankenschwester Gerda, Tochter einer Deutschen und eines Dänen. Sie ist die Hauptfigur, über die der Spieler in Gewissenskonflikte gerät. Sie hat Verständnis für beide Seiten und kommt immer wieder in Situationen, in denen sie sich entscheiden muss. Das Spiel hat viele Nuancen“, erklärt der Spieleentwickler.

Eine Szene aus dem interaktiven Spiel „Gerda" Foto: PortaPlay

 

Geplant sei, eine Unterrichtsversion aus dem interaktiven Spiel zu machen und in die Schulen zu bringen.

Für den Unterricht

„Wir haben unter anderem Kontakt zum Grenzverein aufgenommen“, so Hans von Knut Skovfoged, dessen Firma neben dem reinen Spielfaktor auf Lehrmaterial und Vermittlungskonzepte für Unternehmen, Schulen und Museen setzt.

Man sei bestrebt, die Geschichte möglichst authentisch einfließen zu lassen.

Der Entwicklung eines Spiels wie „Gerda“ gehe daher eine umfangreiche Vorbereitung voraus. „Es wurde in Geschichtsbüchern und Plattformen nachgeforscht und daraus zusammengetragen, um ein möglichst vollständiges Bild zu bekommen“, erwähnt Skovfoged.

„Es geht nicht darum, etwas zu bekämpfen oder Rache zu nehmen. Ausgangspunkt ist die Geschichte mit der Grenzziehung 1920, als Nordschleswig und Tingleff wieder Dänisch wurden.“

Etwa zwei Drittel des 15-köpfigen Mitarbeiterstabes von PortaPlay haben sich drei Jahre lang mit der Entwicklung des fiktiven Adventuregames „Gerda“ einschließlich des geschichtlichen Zusammenhangs befasst.

Intensive Vorbereitung und Recherche

Auch Hans von Knut Skovfoged ist für das interaktive Spiel in die Geschichte der Besatzungszeit im Grenzland und in die Ortsgeschichte Tingleffs eingetaucht, um möglichst genaue Details ins Spiel einfließen zu lassen.

Er hat unter anderem mit Lokalhistorikern aus dem Ort in sozialen Medien gechattet

Im Spiel tauchen Originalgebäude aus Tingleff während des Zweiten Weltkrieges auf, darunter die Kirche. Foto: PortaPlay

In Tingleff war er aber noch nicht, gesteht der 45-Jährige.

„Es ist aber ein Rechercheteam vor Ort gewesen, das sich alles noch einmal genau angeschaut und wichtige Erkenntnisse gesammelt hat“, so Skovfoged.

Er sei überrascht, welche Kreise das Spiel und dessen Handlung zieht. Man hätte vermuten können, dass es fast ausschließlich in Dänemark Interesse findet.

Viel Beachtung

„Das Spiel ist aber von einer großen Zahl internationaler Gaming-Internetseiten vorgestellt und dort auch positiv bewertet worden. Die Seiten haben gut und gern 250 Millionen Nutzer“, zeigt sich Skovfoged überrascht.

Ob das Spiel entsprechend viel gekauft wird, müsse man nun abwarten.

Es wird laut Skovfoged beim Onlineportal steam.dk angeboten und ist auch international online erhältlich und liegt preislich bei 150 Kronen.

Mehr lesen

Kulturkommentar

Meinung
Erik Becker
„Haie und Reißverschlüsse: Auf Dänemarks Straßen“