Leitartikel

„Tingleff wird direkt mit Hamburg verbunden – das ist doch toll!“

Tingleff wird direkt mit Hamburg verbunden – das ist doch toll!

Tingleff wird direkt mit Hamburg verbunden – ist doch toll!

Apenrade/Aabenraa
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Grenzüberschreitender Bahnverkehr: Wird ab 2028 im Grenzland alles schlechter? Fakt ist, dass aus nordschleswigscher Sicht das Gegenteil der Fall ist, meint Cornelius von Tiedemann. Wie er zu dieser Meinung kommt und weshalb es trotzdem Wermutstropfen gibt, erklärt er im Leitartikel.

Hamburg Hauptbahnhof
Hamburgs Hauptbahnhof, der meistgenutzte Passagierbahnhof in Deutschland, könnte in Zukunft direkt von Tingleff aus zu erreichen sein (Archivfoto). Foto: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang

Wir haben ausführlich berichtet, inzwischen gab es sogar im deutschen Fernsehen einen Beitrag zum Thema: Die dänische Bahn DSB plant, ab 2028 nicht mehr Flensburg (Flensborg) im Regionalverkehr anzusteuern. Grund: Dänemark tauscht dann seine Regionalzüge aus und ersetzt die Dieselzüge mit schnelleren elektrischen, die in Deutschland aber nicht fahren können.

Im ersten Moment ein Schlag ins Kontor für das Grenzland, für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, für die Integration auf dem Arbeitsmarkt. Die Grenze wird wieder sichtbarer. Doch hat das Ganze für uns aus nordschleswigscher Sicht nicht auch Vorteile? Und ist es wirklich alles so plötzlich entschieden worden?



Reger Austausch zwischen Kopenhagen und Kiel

Politisch hat es jedenfalls einen engen Austausch gegeben. Die DSB und die für den Personenverkehr in Schleswig-Holstein verantwortliche NAH.SH waren darin involviert.

Die politische und mediale Aufregung aus Schleswig-Holstein, die jetzt deutlich wird, kommt also etwas spät – auch wenn noch einige Jahre Zeit sind, bis sich überhaupt etwas ändert.

Der ehemalige Transportminister Benny Engelbrecht und sein damaliger Amtskollege in Schleswig-Holstein, Bernd Buchholz, haben sich im März 2021 bereits darüber unterhalten. Schon damals schlug Engelbrecht Tingleff (Tinglev) als neuen Knotenpunkt vor.

Der Vorteil: Tingleff würde zum deutsch-dänischen Knotenpunkt mit Direktverbindung nach Hamburg. Und, für die Bewohnerinnen des östlichen Nordschleswigs besonders interessant: Der Zug ab Sonderburg (Sønderborg) über Gravenstein (Gråsten) und Klipleff (Kliplev) und dann eben Tingleff würde stündlich bis nach Kopenhagen fahren – ohne Umstieg. Und das auch noch schneller als früher.

Der zweistündliche Zug Tingleff-Pattburg-Flensburg (und weiter bis Hamburg und umgekehrt) würde dann von der deutschen Seite aus betrieben werden.

Kopenhagen
Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen rückt für Nordschleswig mit den schnelleren Elektrozügen näher – besonders für den Osten des Landesteils, von wo ab 2028 stündlich Züge fahren sollen. Foto: Lindsay Martin/Unsplash

Künftig stündlich Sonderburg-Kopenhagen und Tingleff-Hamburg?

Wie aus dem behördlichen Schriftverkehr zu dem Thema aus den Jahre 2021 und 2022 hervorgeht, der nicht geheim ist und zum Teil vom Verein Rådet for bæredygtig trafik online veröffentlicht wurde, spricht von dänischer Seite aus auch nichts dagegen, dass die Deutschen nicht mehr nur alle zwei Stunden, sondern stündlich zwischen Tingleff und Flensburg fahren. Im Gegenteil, es ist ein Wunsch der dänischen Seite.

Der Ball liegt in Kiel. Ja, dazu müssten Züge auf ein Doppelsystem umgerüstet und somit müsste auch Geld in die Hand genommen werden. Die Problematik ist aber nun wirklich alles andere als neu.

Der (dänische!) Zug Aarhus-Hamburg würde als internationaler Zug zudem nicht wegfallen, sondern die Strecke weiter bedienen. Er wird bereits heute mit Dieselloks betrieben, die auch in Deutschland fahren können.

Hier, auf der dänischen Seite, hält sich das Empören deswegen, und da passt das Sprachbild mal besonders gut, in Grenzen. Schließlich ändert sich für uns, die nicht pendeln, sondern über das Grenzland hinaus reisen wollen, nicht viel zum Negativen. Im Gegenteil, für die, die von hier nach Flensburg oder noch weiter in den Süden pendeln, erleichtert der Plan einiges.

Aus Sonderburg (Sønderborg) wird es schneller nach Kopenhagen gehen – und umgekehrt: Der östliche Teil Nordschleswigs wird besser zu erreichen sein (Archivfoto). Foto: Kim Toft Jørgensen/Sønderborg Kommune

Deutsche Seite hat ebenfalls Tingleff-Lösung bevorzugt

Alles, was jetzt politisch hochgekocht wird, ist bereits untersucht und abgeklärt worden. Die deutsche, oder genauer gesagt schleswig-holsteinische Seite hat, das geht aus dem Schriftverkehr zwischen den verantwortlichen Stellen hervor, bevorzugt, dass der Regionalzug aus Hamburg in Absprache mit der Deutschen Bahn bis nach Tingleff verlängert werden soll.

Zur Debatte standen übrigens auch ein batteriebetriebener Zug zwischen Kiel und Sonderburg oder Doppelsystemzüge zwischen Hamburg und Tingleff oder gar Fredericia oder mehr Abfahrten der DSB zwischen Aarhus und Hamburg.

Dänemark hat die deutsche Seite also nicht überrumpelt, und es handelt sich auch nicht um ein Armutszeugnis für die deutsch-dänische Zusammenarbeit. Der bisher geltende Vertrag über den grenzüberschreitenden regionalen Zugverkehr läuft ohnehin nur bis 2028. Dass die dänische Seite dann neue Züge einsetzt, hat den Zugzwang lediglich deshalb schon jetzt ausgelöst, weil ein Status quo nach 2027 nicht mehr möglich sein wird.

Die Metropole Hamburg wird, einigen sich Politik und DB, ab 2028 direkt von Tingleff aus zu erreichen sein (Archivfoto). Foto: Christoph Mahlstedt/Unsplash

Für die, die in Nordschleswig leben, eine tolle Nachricht

Für uns Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger wäre es eine optimale Lösung, wenn die Deutschen auch mal etwas Geld für grenzüberschreitende Infrastruktur in die Hand nähmen und die Züge aus und nach Hamburg für eine stündliche Zweisystemlösung (deutsches und dänisches Netz) über die Grenze fit machten.

Dann heißt es für uns: Schneller nach Kopenhagen und ohne Umsteigen nach Hamburg.

Der Frust aus Flensburg ist dennoch verständlich. Denn für die vielen Menschen dort, die über Tingleff hinaus reisen oder pendeln wollen, ist der neue Plan mit Umstiegzwang ein Nachteil. Und der erreicht natürlich mehr oder weniger direkt Nordschleswig, sollte sich herausstellen, dass das grenzüberschreitende Pendeln für Arbeitskraft aus Südschleswig dann erschwert wird. Ein Hindernis könnte auch sein, dass die dänischen Behörden es der (bewaffneten) deutschen Bundespolizei wohl erlauben müssten, in Dänemark zuzusteigen, um im Zug zu kontrollieren.

Doch das Problem kann gelöst werden – und ob das Pendeln aus dem Süden wirklich komplizierter wird, ist noch gar nicht ausgemacht.

So ist es eben in (grenzüberschreitenden) Freundschaften: Es ist immer ein Geben und Nehmen.

Erst kürzlich hat Dänemark den grenzüberschreitenden Verkehr diesbezüglich durch seine neuen elektrischen Züge auf der Strecke Kopenhagen-Hamburg aufgewertet. Die kommen nicht nur ohne Diesel aus, sondern bieten auch 50 Prozent mehr Menschen Platz.

 

 

 

 

 

 

 

Anmerkungen des Autors:
Der Artikel wurde nachträglich um folgende Informationen ergänzt: In Absatz 1 wird nun verdeutlicht, dass es sich um den Regionalverkehr handelt. Zudem wurde „ohne Weiteres“ gestrichen. In Absatz 10 wurde korrigiert: Die Loks auf der Strecke Aarhus-Hamburg fahren mit Diesel, nicht elektrisch.

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