Lokalpolitik

Bürgermeister mit Tatendrang: Jetzt ist er am Zug

Bürgermeister mit Tatendrang: Jetzt ist er am Zug

Bürgermeister mit Tatendrang: Jetzt ist er am Zug

Apenrade/Aabenraa
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Jan Riber Jakobsen hat die Abteile der Bahnwaggons mit dem Bürgermeisterbüro getauscht. Von hier kann er den Blick über die gesamte Förde schweifen lassen. Foto: Karin Riggelsen

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Seit einer Woche ist der neue Bürgermeister Jan Riber Jakobsen in Amt und Würden. Im Gespräch erzählt er von seinen ersten Tagen, was ihm wichtig ist und welche Ideen er verfolgt. Außerdem verrät er in einem Video seine größte Stärke.

Im November konnte der Konservative Jan Riber Jakobsen eine Mehrheit im Stadtrat um sich sammeln. Der Wahl-Krimi endete mit einer Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten, Sozialistischer Volkspartei, Neuen Bürgerlichen und der Schleswigschen Partei. Jakobsen setzte sich als Bürgermeister durch.

Politik durch Zufall

Den Plan, einmal im Bürgermeisterstuhl im Rathaus zu sitzen, habe der langjährige Zugbegleiter nicht immer gehabt, wie er erzählt. 2001 ist er in die Politik gekommen. „Der damalige konservative Bürgermeister in der früheren Kommune Bau hat mich gefragt, ob ich die Partei nicht unterstützen wollte. Es fehlten Leute“, erzählt der Kaufmannssohn aus Tiset bei Gramm (Gram).

Bereit für den Posten

Politisch war er damals ein unbeschriebenes Blatt. Als Mitglied in mehreren Vorständen hatte er sich jedoch einen Namen gemacht, was schließlich ausschlaggebend für den Eintritt in die politische Arbeit war. „Als früherer Sportler hatte ich großes Interesse am Kultur- und Freizeitbereich. Mit der Arbeit im Stadtrat hat sich das Blickfeld dann erweitert. Man schaut mit anderen Augen auf die Kommune, wenn man an vielen Themen beteiligt wird“, sagt der frühere Handball-Schiedsrichter, der in den obersten dänischen Ligen gepfiffen hat.
„Man muss in sich hineinhören und nachfühlen, ob man für die Arbeit bereit ist“, meint der 55-Jährige.

Und mit dem größer werdenden Interesse wuchs auch die Idee, einmal Bürgermeister zu werden.

Bürgermeister für die Bürger

Bei der Wahl im vergangenen Jahr hat sich Jan Riber Jakobsen dann die Chance geboten, und er wusste sie zu nutzen. Dass der Posten sein Leben auf den Kopf stellen würde, war dem 1,93 Meter großen Mann bewusst. Ein voll gepackter Terminkalender und unregelmäßige Arbeitszeiten gehören mit zu der Aufgabe. Deshalb hat er mit der Familie – allen voran Ehefrau Inge – abgesprochen, ob sich ein Leben als Bürgermeister einrichten lassen könnte.

„Ich bekam die volle Unterstützung, und das muss auch so sein, denn als Bürgermeister möchte ich mich voll und ganz für die Bürger einsetzen“, sagt der Pattburger.
Seine Erfahrungen als Schiedsrichter kommen ihm in der politischen Arbeit sehr gelegen, ist der neue Bürgermeister überzeugt. „Man muss diplomatische Wege finden, um sich zu verständigen“, erklärt er. Das sei besonders in der aktuellen Koalition wichtig. „Eine Mehrheit mit fünf Parteien hat eine andere Dynamik, als wenn eine Partei die absolute Mehrheit hat. Da müssen Kompromisse gefunden werden.“

Viele Eindrücke in den ersten Tagen

Seit dem 3. Januar, seinem ersten Arbeitstag, sitzt Jan Riber Jakobsen nun im Bürgermeisterzimmer. Ein Raum trennt ihn von Kommunaldirektor Tom Ahmt, mit dem er eng zusammenarbeiten wird. In dem Büro zwischen Bürgermeister und Direktor sitzen die Sekretärinnen der beiden.
Die gute Zusammenarbeit ist Jakobsen sehr wichtig. „Das kenne ich aus dem Sport. Man kommt weiter, wenn man als Team zusammenarbeitet“, erklärt er. Deshalb hat er als erste Amtshandlung einen Gruß an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus geschickt. Das sei ihm besonders wichtig gewesen, erklärt er.

Der gute Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist Jan Riber Jakobsen sehr wichtig. Foto: Karin Riggelsen

Erste Prioritäten: Personal und Nachbarn

Den Gruß hätte er gerne bei einem großen gemeinsamen Treffen persönlich überbracht, „doch wegen der Corona-Situation wurde es ein Video-Gruß“, erzählt der langjährige Mitarbeiter der dänischen Staatsbahnen (DSB) im Interview mit dem „Nordschleswiger“.
Seine zweite Priorität lag bei den Bürgermeistern rundherum. „Auch ihnen habe ich einen Gruß zukommen lassen und angeboten, mich mit ihnen zu einem Gespräch zu treffen“, sagt er. Das Angebot hat er nicht nur den Bürgermeistern auf dänischer Seite gemacht, sondern auch den Amtskollegen der angrenzenden Kommunen in Deutschland. „Es ist mir wichtig, eine gute Zusammenarbeit auch über die Grenze hinweg zu haben. Das ist wie bei einem Umzug in ein anderes Haus. Man geht zu den Nachbarn und stellt sich vor“, erklärt Jakobsen, der „vom Start an eine Kulturbrücke zu den Nachbarn“ bauen will, so wie es auch im Koalitionsvertrag der fünf Parteien steht.

Ich möchte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter ausbauen.

Jan Riber Jakobsen, Bürgermeister

„Ich möchte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter ausbauen“, so Jakobsen, der sich als professioneller „Bahner“ für einen großen Grenzbahnhof in Flensburg-Weiche begeisterte und immer noch begeistert.

Trinkwasserversorgung im Zusammenschluss

„Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir bei der Trinkwasserversorgung zusammenarbeiten können. Das würde beidseitig Versorgungssicherheit geben“, schlägt er vor und glaubt an grenzüberschreitende Synergieeffekte. Erfahrung mit der grenzüberschreitenden Arbeit hat Jakobsen schon als Vorsitzender der „Pattburger Fernwärme“ sammeln können. Die Flensburger Fernwärmegesellschaft liefert nämlich schon seit Jahren warmes Wasser zum Heizen über die Grenze in das lokale Netz.
Ein grenzüberschreitendes Thema packen Jakobsen und seine Stadtratskolleginnen und -kollegen aktuell an: Es geht um den grenzüberschreitenden öffentlichen Personentransport, „den wir verbessern wollen. Deshalb stehen wir schon in Kontakt unter anderem mit den Nachbarkommunen“, sagt er. Es solle einfacher und besser werden, mit Bus und Bahn die Grenze zu überqueren.

Im Bürgermeisterbüro hat Jan Riber Jakobsen noch nicht viel verändert. Einzig der rote DSB-Hoptimist, den er zum – vorläufigen – Abschied für vier Jahre von seinen Kolleginnen und Kollegen bekommen hat, ist neu dort. Foto: Karin Riggelsen

Anstrengende Tage

Die ersten Tage hätten es „in sich gehabt“, meint der frischgebackene Bürgermeister. „Es gab so viel Neues. Das hat mich fast erschlagen. Abends war ich wirklich müde von so vielen Eindrücken. Aber es war ein guter Start“, findet er.

E-Auto-Ladenetz ausbauen

An weiteren Visionen mangelt es Jan Riber Jakobsen nicht. So möchte er, dass in der Kommune die Lade-Infrastruktur für Elektroautos verbessert wird. „Wir haben viele Geschäftsreisende und Touristen, die auf ein flächendeckendes Ladenetz angewiesen sind. Ihnen – und natürlich auch dänischen Reisenden – solle eine umweltfreundliche Mobilität ermöglicht werden, findet er. „Apenrade soll kein schwarzer Fleck auf der Lade-Karte sein.“

Strom über die Grenze

Auch die umweltfreundliche Stromproduktion möchte er internationaler machen. So hofft Jakobsen, bald mit dem deutschen Energie- und Umweltminister Robert Habeck von den Grünen sprechen zu können. In dem Gespräch möchte er unter anderem vorschlagen, Strom, der in Dänemark aus Wind- oder Sonnenenergie gewonnen wird, über die Grenze hinweg zu liefern.

Deutsch für Erstklässler

Geht es nach Jakobsen, steht in der Kommune bald Deutsch auf dem Stundenplan aller Erstklässler. „So wie es auch in der Kommune Tondern der Fall ist“, sagt er. „Deutsch ist bei uns im Grenzland wichtig. Deutsche kommen als Touristen und Kunden in unsere Städte. Dann ist es gut, wenn sie in ihrer Sprache angesprochen werden können. Außerdem ist Deutschland unser Exportland Nummer eins, und unsere Schüler können mit ihren Sprachkenntnissen später für bessere Kommunikation dorthin sorgen“, ist er überzeugt.

Kommunale Freiheit ausnutzen?

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, die von Staatsministerin Mette Frederiksen in ihrer Neujahrsrede den Kommunen versprochene Entscheidungsfreiheit in den Bereichen Schule und Senioren wahrzunehmen, antwortet er ausweichend.
„Wir müssen schauen, was sich in unserer Kommune umsetzen lässt. Es muss ein gutes Zusammenspiel zwischen den Institutionen geben. Vor allem die digitale Vernetzung ist dabei sehr wichtig, damit – wie es bei den Patientenjournalen ist – alle Beteiligten den Überblick haben“, sagt er.

 

 

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