Krieg in der Ukraine

Militär-Zusammenarbeit in der EU: Dänemarks Bevölkerung soll abstimmen

Militär-Zusammenarbeit in der EU: Dänemarks Bevölkerung soll abstimmen

Militär-Zusammenarbeit in der EU: Dänemark stimmt ab

Kopenhagen
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Die Parteichefinnen und -chefs am Sonntagabend im Spiegelsaal des Staatsministeriums. Foto: Emil Helms/Ritzau Scanpix

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Staatsministerin Frederiksen empfiehlt „nachdrücklich“, am 1. Juni für dafür zu stimmen, die dänischen Vorbehalte im Verteidigungsbereich abzuschaffen. Fraktionsübergreifende Einigkeit: Milliarden sollen ins dänische Militär fließen. Und: Die Energiewende wird als „Friedenspolitik“ bezeichnet.

 Am 1. Juni soll ein Referendum darüber stattfinden, ob Dänemark seinen EU-Verteidigungsvorbehalt aufheben soll.

Das sagte Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) auf einer Pressekonferenz am Sonntagabend im Spiegelsaal des Staatsministeriums in Kopenhagen.

„Wir wollen mit ganzem Herzen dabei sein, ganz und gar, ohne Vorbehalte“, sagt sie.

Die sozialdemokratische Regierung, Venstre, die Konservativen, die Sozialistische Volkspartei und die Radikale Venstre hatten sich zuvor auf eine Reihe von Punkten zur dänischen Sicherheitspolitik geeinigt, darunter die Forderung nach einem Referendum.

Wenn Entscheidungen über die Sicherheit Dänemarks in der EU getroffen werden, muss Dänemark einbezogen werden.

Jakob Ellemann-Jensen (Venstre)

Die am Sonntag präsentierten Beschlüsse der fünf Folketingsfraktionen stehen im Zusammenhang mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar. Seither ist das dänische Militär in erhöhter Alarmbereitschaft und hat sich etwa aus inländischen Aufgaben wie der Unterstützung der per Grenzkontrollen zurückgezogen.

Der Krieg hat weite Teile der Welt in Angst und Schrecken versetzt und nach Ansicht der fünf Parteien dazu geführt, dass jeder in der westlichen Welt überlegt, was er tun kann.

„Wenn Entscheidungen über die Sicherheit Dänemarks in der EU getroffen werden, muss Dänemark einbezogen werden“, sagte der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen zum Referendum über den dänischen Vorbehalt.

Dänemark kann bereits an zivilen Missionen teilnehmen

Der Verteidigungsvorbehalt bedeutet unter anderem, dass Dänemark sich bisher nicht an Teilen der Außen- und Sicherheitspolitik der EU beteiligt, die den Verteidigungsbereich betreffen.

Dänemark beteiligt sich zum Beispiel nicht an militärischen Operationen der EU, finanziert diese nicht und stellt keine Soldaten und militärische Ausrüstung für EU-geführte Operationen in Konfliktgebieten zur Verfügung.

Das Land beteiligt sich jedoch an zivilen Missionen, die bisher den größten Teil der EU-Missionen ausmachen. Deshalb sieht Frederiksen das Referendum auch als symbolisch wichtige Abstimmung.
 

Der Verteidigungskompromiss

Die Parteichefs der regierenden Sozialdemokratie sowie der Fraktionen der rechtsliberalen Venstre, der Sozialistischen Volkspartei, der sozialliberalen Radikale Venstre und der Konservativen Volkspartei haben am Sonntag einen außerplanmäßigen Verteidigungskompromiss unterzeichnet. Dieser soll die Verteidigungspolitik Dänemarks an die durch den russischen Angriff auf die Ukraine veränderte Sicherheitslage in Europa anpassen, bis 2024 planmäßig ein neuer längerfristiger Fahrplan für die Verteidigungspolitik verabschiedet wird. Die Punkte der Einigung:
 

 

  • Referendum über dänischen EU-Verteidigungsvorbehalt am 1. Juni 2022
  • Aufstockung des Verteidigungshaushaltes auf 2 Prozent des BIP bis 2033
  • Schnellstmögliche Unabhängigkeit von Energieimporten aus Russland
  • 7 Milliarden Kronen zusätzlich für Verteidigungsmaßnahmen bis 2024

Zur Finanzierung der Maßnahmen soll ein negativer Staatshaushalt im Rahmen der EU-Vorschriften in Kauf genommen werden. Es soll keine Steuererhöhungen geben.

Sie ist der Ansicht, dass Dänemark ein vollwertiges Mitglied der EU-Verteidigungszusammenarbeit sein sollte und empfahl deshalb dringend, im Referendum für die EU-Zusammenarbeit zu stimmen. „Für mich als Staatsministerin ist es eher eine Entscheidung auf der Grundlage von Werten, ohne Vorbehalte an der Zusammenarbeit teilzunehmen“, sagte sie.

Dänemark hat insgesamt vier EU-Vorbehalte. Neben der gemeinsamen Verteidigung sind dies Vorbehalte zum Euro, zur justiziellen Zusammenarbeit und zur Unionsbürgerschaft.

Zusätzlich zum Verteidigungsvorbehalt haben sich die Regierung und die vier Parteien darauf geeinigt, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen, sodass Dänemark bis 2033 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung ausgibt.

Das Abkommen sieht auch vor, dass Dänemark so bald wie möglich vom russischen Gas unabhängig wird.

Milliarden für die Verteidigungspolitik

In der am Sonntag getroffenen Vereinbarung werden zudem sieben Milliarden Kronen zur Bewältigung der aktuellen Sicherheitslage bereitgestellt.

„Wir haben gemeinsam beschlossen, in den nächsten zwei Jahren sieben Milliarden Kronen für die Stärkung der dänischen Verteidigung, der Diplomatie, der humanitären Bemühungen und der Folgen, die dies auch für die dänische Gesellschaft haben kann, bereitzustellen“, so Frederiksen.

Auf der Pressekonferenz erläuterte sie nicht genau, wofür die 3,5 Milliarden in den Jahren 2022 und 2023 jeweils ausgegeben werden sollen.

Die derzeitige Verteidigungsabsprache läuft 2023 aus, und eine neue mehrheitliche parlamentarische Absprache über die Verteidigungsausgaben wird erst 2024 in Kraft treten. Das bedeutet, dass zusätzliche Ausgaben bis dahin mit einem neuen Abkommen vereinbart werden müssen. Dieses Abkommen, auch Kompromiss genannt, wurde nun vereinbart.

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