Folketingswahl

Formbarometer: So fit sind die Parteien vor der Wahl

Formbarometer: So fit sind die Parteien vor der Wahl

Formbarometer: So fit sind die Parteien vor der Wahl

Kopenhagen
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Welche Partei hat die besten Chancen, Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren (Archivfoto)? Foto: Kim Matthäi Leland/Gonzales Photo/Ritzau Scanpix

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Bis zur Wahl schätzt Kopenhagen-Korrespondent Walter Turnowsky jeden Montag die aktuelle Form der Parteien ein. Wer läuft vorne weg, wer liegt im Mittelfeld, und wer hechelt hinterher?

Noch ist die Wahl nicht ausgeschrieben, aber der Wahlkampf ist schon längst angelaufen. Grund genug also, die aktuelle Form der Parteien zu beurteilen. Für diese erste Einschätzung habe ich in der Grafik ebenfalls einen Wert der Vorwoche notiert, um einen Vergleich zu haben.

So wird die Form ermittelt

Es ist ein rein subjektive Einschätzung und sollte daher nicht überbewertet werden.

Bei der Ermittlung der Form bildet das Potenzial der einzelnen Parteien die Grundlage. Es geht also nicht darum, wer die meisten Stimmen bekommt, sondern inwiefern die Parteien ihr Potenzial ausschöpfen. 

Grundlage sind die politischen Debatten während des Wahlkampfes und die Themen, die den Wahlkampf prägen. Dabei ist entscheidend, welche Themen welchen Parteien liegen und wer eigene Themen auf die Tagesordnung setzen kann.

Das Auftreten der führenden Politikerinnen und Politiker spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, nicht zuletzt, weil sich ein personenbezogener Wahlkampf abzeichnet. 

Als letzte Komponente werden die Umfragen einbezogen. 

 

Formkurve der Parteien

5: Absolute Spitzenform. Bereit, eigene Rekorde zu brechen.

4: Sehr gute Form. Bisherige Bestleistungen sind in Reichweite.

3: Solide Form. Läuft in regelmäßigem, kontrolliertem Tempo.

2: Schwache Form. Schon etwas außer Atem.

1: Schlechte Form. Hechelt dem Hauptfeld hinterher.

0: Ist eingeknickt. Es geht nichts mehr.

Die Sozialdemokratie

Die Minkaffäre hat die Regierungspartei unter Druck gesetzt und Punkte bei der Glaubwürdigkeit gekostet. Die neu gegründeten Dänemarkdemokraten von Inger Støjberg holen einen Teil der Stimmen ins bürgerliche Lager zurück, die die Sozialdemokratie 2019 der Dänischen Volkspartei abgeknöpft hat.

In den vergangenen Wochen konnte die Partei jedoch mit neuen Initiativen zu Inflationshilfen punkten. Nach mehreren Wochen mit einer bürgerlichen Mehrheit in den Umfragen erscheint ein Sieg des roten Blocks jetzt wieder in Reichweite. Mette Frederiksen könnte den Staatsministersessel verteidigen.

Leicht steigende Formkurve: 2,8

Venstre

Die liberale Partei hat sich von den Austritten von Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen und der ehemaligen Vize-Vorsitzenden Inger Støjberg nie richtig erholt. Hinzu kommt ein weiterer Aderlass an profilierten Politikerinnen und Politikern. Von den drei Staatsministerkandidaten hat Jakob Ellemann-Jensen den geringsten Zuspruch und konnte bislang die Wählerinnen und Wähler nicht von sich überzeugen. Venstre droht ein historisch schlechtes Wahlergebnis.

In der vergangenen Woche konnte die Partei jedoch von den Problemen der bürgerlichen Konkurrenz, den Konservativen, ein wenig profitieren.

Leicht steigende Formkurve: 2,5

Die Konservativen

Populärster Parteichef und Aussicht auf eine bürgerliche Mehrheit: Søren Pape Poulsen hatte gut lächeln, als er sich im August zum Staatsministerkandidaten erklärte. Das gleißende Scheinwerferlicht, das seither auf ihm ruht, hat jedoch weder ihm noch der Partei gutgetan. Die Schlagzeilen über die unwahren Geschichten seines jetzt Ex-Mannes und ein privater „diplomatischer“ Besuch in der Dominikanischen Republik haben seiner Glaubwürdigkeit geschadet. Ein ernstes Problem, da die Person Pape das wichtigste Wahlkampfthema der Partei ist.

Die Konservativen liegen jedoch immer noch in den Umfragen deutlich über dem Ergebnis von 2019. Entscheidend wird daher, ob die Partei den rapiden Rückgang aufhalten kann.

Stark fallende Formkurve, aber immer noch: 3,7

Dänemarkdemokraten

Seit die neu gegründete Partei von Inger Støjberg berechtigt ist, für das Folketing zu kandidieren, sonnt sie sich im Umfragehoch. Das Parteiprogramm ist mit etwas „Provinz gegen Hauptstadt“ und mehr als einem Quäntchen Ausländerskepsis recht diffus, aber sie spricht ganz offensichtlich einen gewissen Anteil der Wählerinnen und Wähler an. Weder Støjbergs Urteil beim Reichsgericht noch kritische Journalisten-Fragen können ihr etwas anhaben.

Selbst wenn sie bei der Wahl nicht die 10 Prozent aus den Umfragen erreichen, können die Dänemarkdemokraten die Wahl entscheiden.

Stabil hohe Formkurve: 4,7

Radikale Venstre

Die Radikalen haben die kommende Wahl herbeigeführt, da sie nach dem Bericht der Mink-Kommission forderten, Mette Frederiksen solle sie spätestens am 4. Oktober ausschreiben. Belohnt haben sie die Wählerinnen und Wähler dafür nicht. Die wenigsten verstehen, wie die Partei nach der Wahl eine Regierungschefin unterstützen kann, die sie davor stürzen wollte. Eigene Themen – wie zum Beispiel Klima – konnten sie bislang nicht setzen.

Leicht fallende Formkurve: 1,9

Neue Bürgerliche

Die wirtschaftsliberale der drei Rechtsaußen-Parteien konnte sich nach dem Einzug ins Folketing 2019 stetig steigern. Doch in den vergangenen Wochen haben ihr die Dänemarkdemokraten Stimmen abgejagt. Das Ergebnis wird besser als bei der vorigen Wahl, aber nicht fulminant.

Im Vergleich zur Vorwoche stabile, aber mäßige Formkurve: 3,1

Sozialistische Volkspartei

Die linke Partei ist als pflegeleichte Unterstützerpartei der Regierung gut gefahren. Kritik an der Regierung oder an der Staatsministerin hat es kaum gegeben. Parteichefin Pia Olsen Dyhr macht nicht viel Aufhebens um sich. Die Volkssozialisten stellen sich als etwas grüner und etwas besorgter um die Wohlfahrt dar als die Sozialdemokratie und kommen damit bei ihrer Klientel an.

Über Jahre stabile Formkurve: 3,3

Liberale Allianz

Die ultraliberale Partei schaffte 2019 nur knapp den Einzug ins Folketing und schlitterte in eine tiefe Krise. Der neue Vorsitzende, Alex Vanopslagh, hat es nicht zuletzt dank seiner Eloquenz geschafft, die Partei allmählich wieder neu aufzubauen. Daher konnte sie in der vergangenen Woche auch vom Rückgang der Konservativen profitieren.

Steigende Formkurve: 3,9

Einheitsliste

Die Linksaußen-Partei hat in dieser Legislaturperiode die Balance zwischen Kritik und Unterstützung der Regierung gefunden. Mit Themen wie Klima und Erhöhung der Sozialausgaben konnte und kann sie punkten. Die Rotation der politischen Führung hat die Partei erneut gut hinbekommen. Mai Villadsen kommt bei den Wählerinnen und Wählern ähnlich gut an, wie Pernille Skipper es getan hat.

Leicht steigende Formkurve: 3,6

Die Moderaten

Die Partei von Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen wird von den Wählerinnen und Wählern als das gesehen, was sie ist: sein persönliches Beschäftigungsprojekt. Daher dümpelt sie um die Zwei-Prozent-Sperrklausel herum. Weitgehend ohne Programm ist sie auf die Person Løkke angewiesen, und die wirkt müde. Nach den jüngsten Umfragen könnte sie das Zünglein an der Waage werden, welches ihr ein wenig Aufwind gibt. Das schwache Auftreten von Løkke bei der Vorstellung seiner Steuerpläne macht diesen Aufwind jedoch zunichte.

Stabil schwache Formkurve: 1,9

Die Dänische Volkspartei

Die einst so mächtige rechte Partei hat sich durch interne Querelen ins politische Abseits katapultiert. Die Konkurrenz durch die Dänemarkdemokraten könnte ihr den Rest geben. Der Auftritt des Vorsitzenden Morten Messerschmidt beim Parteitag vor gut einer Woche wirkte mit seinem Gerede von Beduinencamps in Hospitälern vor allem desperat – und dürfte so auch bei den Wählerinnen und Wählern ankommen. Gelingt der Sprung über die Sperrklausel, muss DF das bereits als Erfolg werten.

Fallende schwache Formkurve: 1,1

Die Alternative

Durch Personenquerelen und Zersplitterung der grünen Parteien sind sie in der Bedeutungslosigkeit versunken. Durch den Zusammenschluss mit der Grünen Allianz in der vergangenen Woche gibt es einen schwachen Hoffnungsschimmer für die Alternative, aber am wahrscheinlichsten ist weiterhin, dass sie nicht erneut ins Parlament einziehen wird.

Sehr schwache, wenn auch leicht steigende Formkurve: 0,4

Freie Grüne und Christdemokraten

Keine der Parteien hat, meiner Einschätzung nach, eine Chance, ins Folketing einzuziehen. Daher werden sie nicht benotet.

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