Diese Woche in Kopenhagen

„Die Nordi-Verleihung für die dänische Politik“

Die Nordi-Verleihung für die dänische Politik

Die Nordi-Verleihung für die dänische Politik

Kopenhagen
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Erstmalig führt „Der Nordschleswiger“ eine Preisverleihung für die besten Leistungen in der Kopenhagener Politik durch. Die Jury besteht aus der Hauptstadtredaktion, sprich aus Walter Turnowsky.

Meine sehr geehrten Damen und Herren: Herzlich willkommen zur Verleihung des Nordis für die besten Leistungen in der dänischen Politik im Jahr 2022. Ich bin schon ganz aufgeregt, denn ich kann Sie hier zu einer Weltpremiere begrüßen – es ist die erste Nordi-Verleihung, die wir durchführen.

Wir haben dänische Spitzenpolitikerinnen und -politiker in fünf Kategorien nominiert. Die Jury, bestehend aus der Kopenhagen-Redaktion des „Nordschleswigers“, hat votiert und ihre Entscheidung befindet sich in fünf Umschlägen. Lasst uns also unverzüglich zur Preisverleihung schreiten.

Die Nominierten in der Kategorie „Bestes Comeback“ sind:

Inger Støjberg: Nachdem sie die vom Reichsgericht verhängte Strafe von 60 Tagen Fußfessel abgesessen hatte, gründete die ehemalige Venstre-Vize die Partei Dänemarkdemokraten und sammelte in Rekordgeschwindigkeit die notwendigen Unterschriften. Trotz fehlenden Programms schnellte die Partei in den Umfragen auf 10 Prozent. Bei der Wahl am 1. November erhielt sie 8,1 Prozent.

Franciska Rosenkilde: Ihre Partei, die Alternativen, lag mehr als drei Jahre lang bis zur Wahlausschreibung stabil unter der Sperrklausel von 2 Prozent. Dass sie dennoch erneut den Sprung ins Folketing schaffte, gehört zu den Überraschungen dieser Wahl.

Lars Løkke Rasmussen: Der ehemalige Regierungs- und Parteichef wollte sich mit der Rolle als Hinterbänkler nicht abfinden und trat daher folgerichtig am 1. Januar 2021 aus Venstre aus und gründete einige Monate später die Moderaten. Zunächst sah es nicht erfolgsversprechend aus, aber im Wahlkampf steigerte er sich – die Moderaten wurden mit 9,3 Prozent drittstärkste Partei.  

Morten Messerschmidt: Er übernahm Anfang des Jahres den Vorsitz der Dänischen Volkspartei und einen Scherbenhaufen. Der wurde nur noch größer, als prominente Mitglieder aus der Partei nur so herausströmten. Trotz aller Widrigkeiten gelang der Wiedereinzug ins Folketing.

Und der Gewinner ist: … Lars Løkke Rasmussen.

Und somit wären wir auch schon beim nächsten Preis.

Die Nominierten in der Kategorie „Größte Fehleinschätzung“ sind:

Pia Olsen Dyhr: Die Vorsitzende der Sozialistischen Volkspartei hatte mit ihrem Schmusekurs mit Mette Frederiksens Sozialdemokratie auf eine Regierungsbeteiligung gesetzt. Doch Mette entschied sich für die blockübergreifende Regierung, und die linke Pia steht mit leeren Händen da.

Der blaue Block: Die bürgerlichen Parteien hatten darauf gesetzt, die Wahl zu gewinnen, indem sie Mette Frederiksen als eigenmächtige Minktöterin dämonisieren. Die Volksabstimmung über ihre Person gewann die Staatsministerin deutlich: Sogar auf der Halbinsel Gjøl, wo die Nerzfarmen einst am dichtesten standen, siegte die Sozialdemokratie. Der blaue Block steht mehr als zerzaust da.

Søren Pape Poulsen: Der Konservativen-Chef wollte Staatsminister werden. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, stolperte er von einem Fettnäpfchen ins nächste. Ihm fehlt ganz offensichtlich das Format zum Regierungschef, was er selbst hätte wissen können.

Und der Gewinner ist: … Søren Pape Poulsen.

Die Nominierten in der Kategorie „Beste Regie“ sind:

Alex Vanopslagh: Mit seiner Tiktok-Kampagne wurde „Daddy Vanopslagh“ zum Rockstar des Wahlkampfes. Humor und Ironie kommen in Dänemark immer gut an. Nach einem Flirt mit der Sperrklausel schaffte die Liberale Allianz am 1. November beachtliche 7,9 Prozent.

Mette Frederiksen: Die sozialdemokratische Regierungschefin wurde Anfang Juli von den Radikalen gezwungen, spätestens Anfang Oktober die Wahl auszuschreiben. Zu dem Zeitpunkt prognostizierten die Umfragen eine blaue Mehrheit und einen Rückgang für die Sozialdemokratie. Doch Frederiksen verstand es, die Zeit bis zur Wahl optimal zu nutzen, um sich als die sichere Wahl in Krisenzeiten in Szene zu setzen.

Und der Gewinner ist: … Alex Vanopslagh.

Die Nominierten in der Kategorie „Unverständlichste politische Entscheidung“ sind:

Sofie Carsten Nielsen: Die Chefin von Radikale Venstre hatte nach dem Bericht der Mink-Kommission das Vertrauen in Regierungschefin Mette Frederiksen verloren und forderte Anfang Juli Neuwahlen – aber nicht sofort, sondern erst im Oktober. Und danach wollte sie erneut Frederiksen als Staatsministerin wählen – nur nicht in einer Alleinregierung. Nach dem Wahldebakel für ihre Partei wie für sie persönlich trat Carsten Nielsen als Chefin zurück und überließ das Amt dem nächsten Nominierten:

Martin Lidegaard: Er wollte die machtabstinenten Radikalen wieder in die Regierungsbüros führen. Mit einer breiten, blockübergreifenden Regierung ist nun ein langgehegter und heißer Traum der Radikalen wahr geworden. Dennoch sprang Lidegaard im buchstäblich letzten Augenblick ab. Noch am Vorabend der Bekanntgabe der Regierungsbildung sagte er laut Medienberichten zum Abschluss der Verhandlungen, die Radikalen seien dabei.

Und die Gewinnerin ist: … Sofie Carsten Nielsen.

Und damit sind wir bei der Verleihung des Hauptpreises angekommen. Meine Damen und Herren: Hören Sie jetzt, wer die Nominierten in der Kategorie „Größter politischer Erfolg“ sind:

Lars Løkke Rasmussen: vom Hinterbänkler zum Außenminister, vom politischen Sperrmüll zum erfolgreichen Neuerfinder der politischen Mitte. Ist das überhaupt noch zu überbieten?

Die Parteien des nationalen Kompromisses: Anfang März einigten sich die Sozialdemokratie, die Konservativen, Venstre, die Radikalen und die Sozialistische Volkspartei darauf, dafür zu arbeiten, den EU-Vorbehalt bei der Verteidigungspolitik abzuschaffen. Bei der Volksabstimmung am 1. Juni stimmten 66,9 Prozent dafür.

Mette Frederiksen: Die Sozialdemokratie hat ihr bestes Wahlergebnis seit mehr als 20 Jahren hingelegt. Frederiksen konnte die von ihr angestrebte blockübergreifende Regierung bilden. Eine ernst zu nehmende Herausforderin oder einen ernst zu nehmenden Herausforderer auf das Amt als Staatsministerin ist momentan nicht auszumachen.

Alex Vanopslagh: Der 31-Jährige hat mit klaren liberalen Ansagen die Zustimmung für die Liberale Allianz mehr als verdreifacht. Er ist ein Mann der Zukunft im bürgerlichen Lager.

Und die Gewinnerin ist: … Mette Frederiksen.

Und mit dieser Preisverleihung bedanke ich mich bei dir, für das Lesen dieser Kolumne in diesem Jahr. Ich bin bereits gespannt, wer sich 2023 um eine Nordi-Nominierung verdient machen wird.

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