Leitartikel

„Diese Niederlage darf man nicht schönreden“

Diese Niederlage darf man nicht schönreden

Diese Niederlage darf man nicht schönreden

Kopenhagen
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War alles umsonst? Diese Frage drängt sich auf, wenn wir in diesen Tagen die Bilder aus Afghanistan sehen. Und zur gegebener Zeit werden wir sie auch offen und ehrlich beantworten müssen, meint Walter Turnowsky.

Der Einsatz in Afghanistan sei nicht vergebens gewesen, sagte Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) am Montag. Für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus sei er wichtig gewesen.  Die afghanische Bevölkerung habe in den vergangenen 20 Jahren Freiheiten und Möglichkeiten erlebt.

So oder ähnlich haben sich in und außerhalb Dänemarks auch andere geäußert. Isoliert betrachtet mag Ersteres bezogen auf al-Qaida stimmen. Auch stimmt es, dass der Analphabetismus geringer geworden ist, Mädchen in Schulen gehen konnten, die Lebenserwartung gestiegen ist.

Die Bilder, die uns derzeit aus Kabul erreichen, legen jedoch die Frage nahe, wie viel an Menschen- und Frauenrechten nach der Machtübernahme durch die Taliban übrig bleiben wird. Denn daran werden wir letztlich das Ausmaß dieser Niederlage messen müssen.

 

Taliban-Krieger in Kabul Foto: Hoshang Hashimi/AFP/Ritzau Scanpix

In Dänemark ansässige Menschen aus Afghanistan scheinen wenig optimistisch.

„Trauer, Enttäuschung, Schock“ habe sie in den vergangenen Tagen empfunden, sagte die Meinungsbildnerin Khaterah Parwani am Montag zu „DR Deadline“. Sie habe jedoch auch alle die „Lügengeschichten“ darüber, welche Erfolge man erzielt habe, satt. Es sei eine riesige Tragödie sowohl für Afghanistan als auch für die Weltgemeinschaft.

Wir sollten genau zuhören, wenn Menschen wie sie dazu auffordern, dass wir diese Niederlage nicht beschönigen. Denn sie werden den Schmerz über die Katastrophe besonders stark spüren.

Auch die Soldaten, die in diesem Krieg Opfer gebracht haben, wird die Niederlage schmerzen. Sie fragen sich in diesen Tagen, ob ihr Einsatz umsonst war.

Mads Silberg ist einer von ihnen. Wenn er in der aktuellen Situation Politikerinnen und Politiker reden hört, denkt er vor allem an die 43 dänischen Soldaten, die nicht lebend aus Afghanistan zurückkehrten. Sich für etwas zu opfern, aus dem nichts geworden ist, sei es nicht wert gewesen, sagt er zu „Politiken“.

Wir schulden es also ihm und den anderen Kriegsveteranen ebenso wie Afghanen im Westen und im Heimatland, an dieser Katastrophe nichts zu beschönigen. Eine Katastrophe, deren gesamtes Ausmaß wir wohl erst in den kommenden Wochen und Monaten kennen werden. Dann können wir vielleicht erahnen, welches Leid die afghanische Bevölkerung ein weiteres Mal durchleben muss.

Und sollte das Fazit zu diesem Zeitpunkt sein, dass der militärische und zivile Einsatz vergebens war, dann müssen wir auch den Mut haben, dies offen auszusprechen.

Jetzt ist endlich Schluss. Der Krieg ist vorbei. Wir haben verloren.

Mads Silberg/Afghanistan-Veteran

Es ist viel zu verfrüht zu diskutieren, was wir aus der Niederlage für andere Einsätze lernen können. Doch werden wir die Diskussion führen müssen, welche Fehler wir in Afghanistan gemacht haben. Daher ist ein offener Umgang mit der Niederlage auch wichtig, um die Fehler nicht zu wiederholen.  

Hier und jetzt bleibt uns wenig anderes als die Trauer und der Schock.

„Ich fühle mich leer. Vor zehn Jahren begannen wir damit, das Pflaster abzureißen. Jetzt ist endlich Schluss. Der Krieg ist vorbei. Wir haben verloren“, schreibt Afghanistan-Veteran Silberg in seinem Beitrag in „Politiken“.

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