Kommentar

„Knaller und Karossen“

Knaller und Karossen

Knaller und Karossen

Apenrade/Aabenraa
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In der Apenrader Innenstadt wird die Nachtruhe allabendlich durch laute Böller gestört. Die vermeintlichen Verursacher fühlen sich verfolgt – sie haben ein ganz anderes Interesse. Eine verzwickte Lage, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen in einem lokalen Kommentar.

Es gehört gegen Jahresende irgendwie dazu, dass es am Abend manchmal laut knallt. Jungenstreiche eben, wenn vor Silvester Böller angezündet werden. Doch was die Bewohner in der Apenrader Innenstadt in diesem Herbst und Winter erleben, ist in Umfang und Lautstärke einfach eine ganz andere Dimension als bisher.

Seit September (!) wird in der Innenstadt geballert. Laut und oft. Erst mit Verzögerung schaltete sich die Polizei ein und zeigt jetzt fast täglich Präsenz – manchmal sogar mit mehreren Streifen. So konnten in den vergangenen Wochen jede Menge Bußgelder ausgeschrieben werden, und außerdem sind bei Hausdurchsuchungen immer wieder – wenn auch kleine – Böller-Lager aufgeflogen.

Und trotzdem kommt es zu keinem Ende. Noch schlimmer sogar: Häufig werden die Feuerwerkskörper aus fahrenden Autos Leuten vor die Füße geworfen. Mit Dummejungenstreichen hat dies nichts mehr zu tun – das ist gefährlich.

Ins Fadenkreuz der Ermittler sind Auto-Poser gekommen, die abends mit ihren polierten, tiefergelegten und getunten Autos durch die Stadt düsen. Doch soll man ihnen glauben, tun sie eben nur das und suchen übrigens auch einen Ort, an dem sie sich treffen können.

Heute ist es eben anders als früher: Viele von uns hatten damals keine Autos – und wenn, war der Käfer kein Schau-Stück. Für Handballer gibt es Sporthallen und für Fußballer Spielfelder. Aber wo gehen junge Leute mit ihren Autos hin, wenn sie sich treffen wollen?

Auf den Parkplatz natürlich oder ins Industriegebiet. Das Problem dabei: Die jungen Leute, die friedlich mit ihren Autos posieren wollen, ziehen auch die Typen an, die den Motor laut aufheulen lassen, Rennen fahren und ja, seit Monaten mit Böllern werfen.

Die Lösung liegt nicht auf der Hand. Die Polizei scheint derzeit alle über einen Kamm zu scheren, und daher reagieren die Auto-Poser am Sonnabend mit einer Auto-Demo in Apenrade. 400 bis 500 Autos werden in der Fördestadt erwartet.

Die Gesellschaft entwickelt sich ständig. Für Padelspieler werden neue Anlagen gebaut, für Skater entstehen Rampen – und für Auto-Liebhaber? Die Kommune muss einen Platz für die jungen Leute finden, damit sie nicht umherstreunen und für Verunsicherung sorgen. Auf der anderen Seite müssen die Auto-Liebhaber unter sich für Selbstjustiz sorgen: Wer nicht spurt, ist draußen – so läuft es auch im Vereinsleben. Es gibt Regeln und Pflichten.

Das würde auch die Arbeit für die Polizei einfacher machen, die dann nicht mehr friedliche Auto-Fans und Autos auseinandernehmen muss, sondern sich auf die kleine Gruppe von Unverbesserlichen konzentrieren kann. Das gilt sowohl für die Auto-Rowdys als auch für die Böllerwerfer.

Auf der einen Seite sucht die Kommune gerade den Dialog mit den jungen Leuten, was schon mal gut ist. Mit der anderen Hand müssen die Behörden aber knallhart durchgreifen, bevor es zu schlimmen Unfällen in der Apenrader Innenstadt kommt.

Dort haben Anwohner außerdem ein Anrecht auf ein friedliches Leben. Wir sind hier schließlich in der Stadt und nicht auf dem Schießstand.  

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