Legalisierung für Straßenverkehr?

Bekifft am Steuer: Experten streiten über Grenzwerte bei Cannabis-Konsum

Bekifft am Steuer: Experten streiten über Grenzwerte bei Cannabis-Konsum

Experten streiten über Grenzwerte bei Cannabis-Konsum

SHZ
Goslar/Hamburg
Zuletzt aktualisiert um:
Rechtsmediziner Klaus Püschel hält Cannabis für eine „hochproblematische Substanz“. Foto: VGT/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar berichtete der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel, für wie gefährlich er Cannabis hält. Über den aktuellen Grenzwert für den Straßenverkehr wurde trotzdem gestritten.

Im Oktober 2018 hatte Kanada als erstes Mitglied im elitären Klub der G7-Industrieländer Cannabis für Erwachsene freigegeben. Auch elf US-Bundesstaaten haben die Droge legalisiert und in den Niederlanden wird in zehn Städten „Staatsmarihuana“ verkauft.

Einzig die Union ist gegen Liberalisierung

Wie wird Deutschland sich entscheiden? Die komplette Legalisierung war kein großes Thema im Wahlkampf, gleichwohl haben sich alle Parteien positioniert. Die FDP hat bereits einen Antrag zur kontrollierten Freigabe an Erwachsene in den Bundestag eingebracht, weil sie die Repressionspolitik für gescheitert hält.

Auch Grüne, SPD und Linke wollen Cannabis entkriminalisieren, den Schwarzmarkt austrocknen. Einzig die Union ist gegen eine Liberalisierung.

Noch nicht klar ist allerdings, was eine Legalisierung für den Straßenverkehr bedeuten würde? Auf dem jüngsten Verkehrsgerichtstag in Goslar haben Experten diese Frage jetzt ausgeleuchtet.

Cannabis-Konsument griff im Wahn zum Samuraischwert

„Cannabis ist eine hochproblematische Substanz“, sagte Prof. Klaus Püschel. Der ehemalige Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf war Referent zu der Frage, wie Cannabis die Fahreignung beeinflusst. „Schon mein zweiter Patient, den ich während meiner Zeit in der Psychiatrie betreute, war mit einem Samuraischwert auf seine Eltern losgegangen“, sagte Püschel. Durch dauerhaften Konsum verändere sich die Persönlichkeit stark. „Trotzdem sehen viele Cannabis als gesellschaftsfähige Droge“, so Püschel.

Und das sei bereits jetzt ein immer relevanteres Problem im Straßenverkehr. Püschel berichtete von einer Schwerpunktkontrolle der Hamburger Polizei, bei der er als Arzt Blutproben genommen hatte. „Von den 22 Blutentnahmen hatte nur eine fröhliche Frau Alkohol getrunken, alle anderen waren Drogenkonsumenten, in 18 Fällen ging es laut der Schnelltests um Cannabis.“

Bekifft am Steuer: Nur leicht erhöhtes Unfallrisiko?

Fakt ist aber auch: In Relation zu anderen Drogen oder einem hohen Alkoholpegel führt Cannabis laut Statistik nur zu einem leicht erhöhten Risiko bei Verkehrsunfällen verletzt oder getötet zu werden. Wie Püschel betonte, gebe es in den ersten Stunden nach dem Konsum aber eben doch ein signifikant gestiegenes Risiko, einen Unfall zu bauen.

Hanfverband kritisiert Ungleichbehandlung

In Deutschland gilt ein Nanogramm THC je Milliliter Blutserum als Grenzwert. Das war bei Einführung des Wertes das, was man noch sicher messen konnte. Der Deutsche Hanfverband hält diesen Grenzwert für falsch, da Konsumenten unter zehn Nanogramm meist keine Wirkung mehr spürten und unter drei Nanogramm laut Studien keine erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit mehr bestehe.

Geschäftsführer Georg Wurth kritisierte daher im Streitgespräch nach dem Vortrag eine Ungleichbehandlung: Während bei Alkohol mit der 0,5 Promille-Grenze eine leichte Berauschung durchaus akzeptiert werde, gelte bei Cannabis eine „Weit-Unter-Null-Toleranz“. Seit Stunden nüchternen Fahrern werde eine „Drogenfahrt“ unterstellt. Und: „Immer ist auch der Führerschein in Gefahr.“

„Grenzwerte haben präventive Wirkung“

Dr. Thomas Wagner, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie hält die Unterschiede zwischen Alkohol und Cannabis für gerechtfertigt. Bei Alkohol ist die Beziehung von Blutspiegel und Wirkung bekannt, Cannabis-Konsumenten würden die Dosis oft nicht kennen – ebenso wenig wie den individuellen nicht-linearen Abbau, der von Stunden bis zu zwei Tagen dauern könne.

Auch den Grenzwert hält Wagner für gerechtfertigt. Dessen Folgen (vom Bußgeld bis zur MPU-Anordnung) schreibt er eine „nicht unerhebliche präventive Wirkung“ zu, die zur Verkehrssicherheit beitrage.

Im Januar erneut Thema

Bereits 2018 hat der Verkehrsgerichtstag eine Empfehlung zum Thema Cannabiskonsum und Fahreignung gegeben. Damals machte er sich unter anderem für einen Grenzwert von drei Nanogramm stark. Ob das so bleibt, ist offen.

Im Januar steht das Thema erneut auf der Agenda des Verkehrsgerichtstags. Es soll dann eine neue Empfehlung geben

Mehr lesen